Entscheidungsstichwort (Thema)
Betrug
Tenor
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Mühlhausen vom 24. September 1999 mit den Feststellungen aufgehoben.
2. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Wirtschaftstrafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Gründe
Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Betrugs zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren verurteilt, da er der H. GmbH & Co KG unberechtigterweise Fördermittel des W. verschafft habe.
Mit seiner Revision rügt der Angeklagte die Verletzung sachlichen Rechts und beanstandet das Verfahren.
I.
Das Rechtsmittel hat mit einer Verfahrensrüge Erfolg. Die Revision beanstandet zu Recht eine Verletzung der §§ 249, 261 StPO, weil ein Schriftstück, das dem Urteil zugrundegelegt wurde, nicht Gegenstand der Verhandlung gewesen ist.
Die Urteilsgründe nehmen mehrfach auf ein Schreiben der V. vom 16. November 1992 Bezug, das im Wortlaut wiedergegeben (UA S. 16/17) und zusätzlich als Anlage 3 dem Urteil beigefügt ist. Ausweislich der Sitzungsniederschrift (§ 274 StPO) wurde dieses Schreiben nicht im Wege des Urkundenbeweises verlesen oder in sonst zulässiger Weise (z. B. im Wege des Selbstleseverfahrens nach § 249 Abs. 2 StPO) in die Hauptverhandlung eingeführt.
Der Senat kann nicht ausschließen, daß das Urteil auf diesem Verstoß beruht. Zwar wurde das Schreiben der V. wiederholt Zeugen vorgehalten (vgl. Sitzungsniederschriften über die Vernehmung der Zeugen B. am 7. Mai 1999, Sch. am 20. Mai 1999 und L. am 28. Mai 1999). Unter Umständen kann ein Vorhalt an Zeugen, Sachverständige oder Angeklagte eine Beweiserhebung im Rahmen des Urkundenbeweises erübrigen, dies gilt aber nicht, wenn es auf den genauen Wortlaut ankommt (vgl. Kleinknecht/Meyer-Goßner 44. Aufl. § 249 Rdn. 28 m. w. N.). Dies ist hier der Fall. Die Strafkammer stützt auf den Wortlaut dieses Schreibens maßgeblich die Feststellung, daß eine für die Erlangung von Fördermitteln erforderliche Finanzierungsbestätigung einer Bank nicht vorlag und der Angeklagte dies wußte (UA S. 17 aE). Die Urteilsgründe belegen somit, daß der genaue Wortlaut des – allerdings nur zweiseitigen – Schreibens von erheblicher beweismäßiger Bedeutung war. Ein Vorhalt war deshalb kein geeignetes Verfahren zur Beweiserhebung, da in einem solchen Falle nicht die Urkunde selbst, sondern nur die dazu abgegebene Erklärung der Person, der sie vorgehalten wurde, Beweisgegenstand ist. Dazu kommt, daß dann, wenn in der Hauptverhandlung nicht verlesene Schriftstücke ohne Hinweis auf eine bestätigende Einlassung des Angeklagten oder eine solche Erklärung einer anderen Auskunftsperson im Urteil wörtlich wiedergegeben werden, dies in der Regel darauf hindeutet, daß der Wortlaut selbst zum Zwecke des Beweises verwertet worden ist und nicht nur eine gegebenenfalls auf einen Vorhalt abgegebene Erklärung (vgl. BGH NStZ 1999, 424; vgl. auch BGH StV 1987, 421).
Das Urteil unterliegt somit schon auf Grund dieses Verfahrensverstoßes der Aufhebung, so daß der Senat offen lassen kann, ob und in welchem Umfang die übrigen geltendgemachten Verfahrensrügen ebenfalls durchgreifen könnten.
II.
Für die neue Hauptverhandlung bemerkt der Senat:
1. Macht das Tatgericht vom Selbstleseverfahren gemäß § 249 Abs. 2 StPO Gebrauch, darf hinsichtlich der Vorgehensweise nicht zwischen Berufsrichtern und Schöffen differenziert werden. Auch die Schöffen müssen tatsächlich vomWortlaut der Urkunden Kenntnis genommen, diese also gelesen haben. Der Vorsitzende muß gemäß § 249 Abs. 2 Satz 3 StPO die Feststellung über die Kenntnisnahme in das Protokoll aufnehmen. Dabei handelt es sich um eine wesentliche Förmlichkeit im Sinne des § 273 StPO (vgl. BGH, Beschl. v. 21. September 1999 – 1 StR 389/99 und v. 7. Juni 2000 – 3 StR 84/00). Formulierungen wie: „Die Schöffen haben vor der Verhandlung im Beratungszimmer vomInhalt (der) Schriftstücke Kenntnis genommen” könnten den Schluß zulassen, daß den Anforderungen des § 249 Abs. 2 StPO nicht entsprochen worden ist.
2. Bezüglich des Zeugen Sch. liegt ein Vereidigungsverbot gemäß § 60 Nr. 2 StPO nahe.
3. Sachlich – rechtlich drängt sich die Annahme einer Unterlassungstat nicht auf.
4. Die berufliche Stellung eines Angeklagten darf nur dann im Rahmen der Strafzumessung zu seinen Lasten berücksichtigt werden, wenn zwischen dem Beruf und der Straftat eine innere Beziehung besteht (vgl. BGHR StGB § 46 Abs. 2 Wertungsfehler 31 und Lebensumstände 10).
Unterschriften
Jähnke, Niemöller, Detter, Rothfuß, Hebenstreit
Fundstellen
Haufe-Index 512492 |
NStZ 2001, 161 |
wistra 2001, 25 |
StV 2000, 655 |