Entscheidungsstichwort (Thema)

Vertragspartner bei Steuerberatervertrag mit Mitglied einer Steuerberater-Sozietät

 

Leitsatz (amtlich)

1. Wer einen einer Steuerberater-Sozietät angehörenden Steuerberater beauftragt, schließt den Vertrag im Zweifel mit allen der Sozietät angehörenden Steuerberatern ab.

2. Steuerberater, die gegenüber einem Mandanten durch gemeinsame Briefbögen, Stempel oder Siegel den Anschein einer Sozietät erwecken, müssen sich an dem von ihnen gesetzten Rechtsschein festhalten lassen.

3. Ein Steuerberatervertrag, der ursprünglich nur mit einem Steuerberater geschlossen wurde, kann einen neu hinzutretenden Sozius mit einbeziehen, wenn die Sozien bei der Ausführung des Auftrags gegenüber dem Mandanten gemeinsam auftreten und das Verhalten beider Seiten dahin zu deuten ist, daß sie sich über die Erstreckung des Mandats auf die Sozietät einig sind.

 

Leitsatz (redaktionell)

Zur Entstehung eines Schadensersatzanspruchs wegen falscher steuerrechtlicher Beratung, die zur Entnahme eines Grundstücks aus dem Betriebsvermögen und dessen Überführung in das Privatvermögen führte.

 

Normenkette

BGB §§ 675, 705; StBerG § 33

 

Verfahrensgang

OLG Hamm (Urteil vom 14.10.1988; Aktenzeichen 25 U 149/87)

LG Münster (Urteil vom 15.05.1987; Aktenzeichen 6 O 111/87)

 

Tatbestand

Der Kläger nimmt die beklagten Steuerberater auf Schadensersatz wegen fehlerhafter steuerlicher Beratung in Anspruch. Dem liegt folgender Sachverhalt zugrunde:

Der Kläger war zusammen mit seinem Bruder Gesellschafter der W. OHG in B., zu deren Gesellschaftsvermögen das Betriebsgrundstück einer Tankstelle in der P.straße 13-15 gehörte. Die OHG setzte sich zum 1. Juli 1978 auseinander, wobei der Kläger das Tankstellengeschäft des bisherigen Unternehmens fortführte, zu dem insgesamt zehn Tankstellen gehörten. Dabei übernahm er u.a. das genannte Betriebsgrundstück zum Buchwert in das Betriebsvermögen des nunmehr von ihm geführten Tankstellenunternehmens. Das Grundstück wurde in die Eröffnungsbilanz zum 1. Juli 1978 aufgenommen.

Dieses Grundstück wurde später vom Kläger mit einem Hotel, einer Gaststätte und Mietwohnungen bebaut, wobei der Zeitpunkt der Nutzungsänderung streitig ist.

In der erst im Jahre 1981 aufgestellten Bilanz des Klägers zum 31. Dezember 1978 wurde das Grundstück aus dem Betriebsvermögen entnommen. Gleichzeitig wurde in Höhe des durch die Entnahme entstandenen Buchgewinns eine Rücklage gemäß § 6b EStG gebildet. Diese Rücklage wurde später vom Finanzamt nicht anerkannt, was zu einer Steuernachzahlung des Klägers führte.

Beide Beklagten waren in steuerlichen Angelegenheiten für den Kläger tätig. Wer von ihnen hinsichtlich der Erstellung der Jahresbilanz zum 31. Dezember 1978 Vertragspartner des Klägers war, ist streitig. Der Beklagte zu 2) war seit April 1977 Angestellter des Beklagten zu 1) und ging mit diesem später eine Sozietät ein. Der Zeitpunkt des Beginns der Sozietät ist ebenfalls streitig.

Der Kläger hat behauptet, beide Beklagte hätten ihn im Rahmen einer Sozietät beraten und in der Jahresbilanz zum 31. Dezember 1978 in fehlerhafter Weise das Betriebsgrundstück P.straße 13-15 aus dem Betriebsvermögen entnommen. Dadurch sei ihm ein Schaden durch Steuernachzahlungen für das Jahr 1978 in Höhe von 198.804 DM entstanden.

Der Kläger hat beantragt, die Beklagten als Gesamtschuldner zur Zahlung von 198.804 DM nebst Zinsen zu verurteilen.

Die Beklagten sind der Klage entgegengetreten. Jeder von ihnen hat bestritten, Vertragspartner des Klägers hinsichtlich der Erstellung der Jahresbilanz zum 31. Dezember 1978 gewesen zu sein. Im übrigen haben sie gemeinsam geltend gemacht, es liege weder ein Beratungsfehler noch ein Schaden des Klägers vor, und sich hilfsweise auf die Einrede der Verjährung berufen.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Dagegen hat der Kläger Berufung eingelegt. In der Berufungsinstanz hat er weitere steuerliche Nachteile für das Jahr 1977 wegen Wegfalls einer Verlustrücktragsmöglichkeit aus dem Jahr 1978 geltend gemacht und die Klageforderung auf 230.703,51 DM nebst Zinsen erhöht. Das Berufungsgericht hat die Berufung zurückgewiesen. Mit der Revision verfolgt der Kläger seine zuletzt in der Berufungsinstanz gestellten Anträge weiter.

 

Entscheidungsgründe

Bitte unbedingt angeben!

Die Revision ist begründet.

I. 1. Das Berufungsgericht sieht es nicht als bewiesen an, daß die Beklagten aufgrund eines Auftrags des Klägers verpflichtet waren, ihn abschließend über die Vorteile und Nachteile einer Entnahme des Grundstücks aus dem Betriebsvermögen zu belehren. Im übrigen sei auch nicht bewiesen, daß der behauptete Rat, das Grundstück zum 31. Dezember 1978 dem Betriebsvermögen zu entnehmen, unter den gegebenen Umständen unrichtig gewesen sei. Beide Lösungsmöglichkeiten, nämlich das Grundstück dem Betriebsvermögen zu entnehmen oder es als gewillkürtes Betriebsvermögen zu behandeln, hätten Vorteile und Nachteile, die der Steuerpflichtige persönlich abwägen müsse; sie seien grundsätzlich gleichwertig.

2. Diese Ausführungen halten der revisionsrechtlichen Prüfung nicht stand.

a) Der Auftrag zur Erstellung der Jahresbilanz zum 31. Dezember 1978 schloß die Pflicht ein, den Kläger über die im Rahmen dieser Bilanz sich stellende Frage einer Entnahme des Grundstücks P.straße 13-15 aus dem Betriebsvermögen zutreffend zu unterrichten und zu beraten. Das würde selbst dann gelten, wenn der Kläger seinerseits dieses Problem nicht zur Sprache gebracht hätte (vgl. BGH, Urteil vom 28. November 1966 – VII ZR 132/64, WM 1967, 72, 73). Tatsächlich ist die Frage, wie sich aus dem Aktenvermerk eines der Beklagten vom 16. September 1980 ergibt, sogar ausdrücklich erörtert worden.

b) Die gegenüber dem Kläger bestehende Beratungs- und Unterrichtungspflicht wurde in zwei Punkten nicht erfüllt.

aa) Der Kläger wurde zum einen nicht darauf hingewiesen, daß das Grundstück ungeachtet der beabsichtigten oder bereits in Angriff genommenen Nutzungsänderung als gewillkürtes Betriebsvermögen in seinem Betriebsvermögen verbleiben konnte. Bei der Beratung des Klägers ging man im Gegenteil, wie ein undatierter, im September 1980 diktierter Aktenvermerk eines der Beklagten zeigt und das Verteidigungsvorbringen der Beklagten im vorliegenden Rechtsstreit bestätigt, davon aus, daß die Nutzungsänderung das Ausscheiden des Grundstücks aus dem Betriebsvermögen zwangsläufig nach sich ziehe.

Dieser Ausgangspunkt war fehlerhaft.

Das Einkommensteuerrecht kennt neben dem notwendigen auch das gewillkürte Betriebsvermögen. Dazu gehören alle Wirtschaftsgüter, die der Unternehmer dazu bestimmt, dem Betrieb zu dienen und ihn in bestimmter Weise zu fördern, und die dazu auch objektiv geeignet sind, ohne jedoch notwendiges Betriebsvermögen zu sein. Beim gewillkürten Betriebsvermögen handelt es sich im Gegensatz zum notwendigen Betriebsvermögen um Gegenstände, die weder durch die betriebliche Tätigkeit entstanden noch durch unmittelbare und für die betriebliche Tätigkeit unentbehrliche Nutzung in das Betriebsvermögen gelangt sind; hier stellt die Widmung zum Betriebsvermögen vielmehr die Ausübung eines Wahlrechts dar, die nicht bereits in der Nutzung des Wirtschaftsguts eindeutig zum Ausdruck kommt (Littmann/Bitz/Meincke, Das Einkommensteuerrecht, 14. Aufl. EStG §§ 4, 5 Rdn. 157 m.w.Nachw.). Dieses Wahlrecht kann auch durch eine entsprechende Behandlung in der Bilanz ausgeübt werden (Littmann/Bitz/Meincke aaO Rdn. 168).

Ein Kaufmann kann deshalb zwar nicht jedes ertragbringende Wirtschaftsgut zum gewillkürten Betriebsvermögen machen. Er bestimmt aber den Umfang seines Gewerbebetriebes in der Regel selbst. Obwohl nach der Systematik des Einkommensteuerrechts Einkünfte aus Gewerbebetrieb und solche aus Vermietung und Verpachtung unterschieden werden (vgl. § 2 Abs. 1 Nr. 2 und 6 EStG sowie §§ 15-17 EStG einerseits und §§ 21, 21a EStG andererseits), kann ein Kaufmann daher Mietwohngrundstücke jedenfalls dann zum Betriebsvermögen machen, wenn er damit den Charakter seiner Betätigung als Gewerbebetrieb nicht entscheidend in Richtung auf eine Vermögensnutzung im nichtgewerblichen Bereich verändert (BFH, Urteil vom 10. Dezember 1964 – IV 167/64 U, BStBl III 1965, 377, 378; vgl. auch Einkommensteuer-Richtlinien Abschnitt 14 Abs. 3 Satz 4). Diese Grenze kann unter Umständen überschritten sein, wenn ein größerer Komplex von Mietwohnhäusern in einen sowohl nach dem Kapital als auch nach dem Gewinn kleinen gewerblichen Betrieb eingebracht wird (BFH aaO).

Nach diesen Grundsätzen hätte im vorliegenden Fall das Grundstück P.straße 13-15 auch nach dem Abriß der Tankstellengebäude und der Bebauung mit Hotel, Gaststätte und Mietwohnungen gewillkürtes Betriebsvermögen bleiben können, wenn es in der Bilanz entsprechend ausgewiesen worden wäre. Der Charakter des Gewerbebetriebes wäre nämlich durch die Nutzungsänderung des Grundstücks nicht entscheidend in Richtung auf eine Vermögensnutzung im nichtgewerblichen Bereich verändert worden. Das ergibt sich daraus, daß zum Betrieb des Klägers außer dem hier interessierenden Grundstück neun weitere Tankstellen gehörten.

bb) Ein weiterer Beratungsfehler liegt darin, daß dem Kläger die Bildung einer Rücklage nach § 6b EStG empfohlen wurde, obwohl dieser Rat mit der Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs unvereinbar war.

§ 6b EStG ist im vorliegenden Fall nicht unmittelbar anwendbar, weil das Grundstück nicht veräußert worden ist. Auch eine entsprechende Anwendung auf den Fall des Ausscheidens eines Wirtschaftsgutes aus dem Betriebsvermögen infolge Entnahme kommt nach dem Sinn und Zweck der Vorschrift, wie der Bundesfinanzhof bereits entschieden hatte (BFHE 108, 159, 161), nicht in Betracht.

c) Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts kann eine Pflichtverletzung nicht mit der Begründung verneint werden, beide Lösungsmöglichkeiten, nämlich die Übernahme des Grundstücks in das Privatvermögen und seine Behandlung als gewillkürtes Betriebsvermögen, seien grundsätzlich gleichwertig gewesen. Dieser Gesichtspunkt könnte allenfalls für die Frage eines aus der Pflichtverletzung entstandenen Schadens (vgl. dazu unter II 1a) Bedeutung haben. Selbst wenn beide Lösungsmöglichkeiten grundsätzlich gleichwertig gewesen sein sollten, so würde dies nichts daran ändern, daß der Kläger auf die zweite Möglichkeit pflichtwidrig nicht hingewiesen wurde, sondern man ihm im Gegenteil unzutreffend erklärte, das Grundstück scheide mit der Nutzungsänderung zwangsläufig aus dem Betriebsvermögen aus. Ebenso läßt der Umstand, daß eine vom Finanzamt später nicht anerkannte Rücklage nach § 6b EStG als solche keinen Schaden verursacht hat, die Pflichtwidrigkeit der unzutreffenden Erklärung über die Möglichkeit einer solchen Rücklage unberührt.

3. Nach allem kann die Zurückweisung der Berufung des Klägers mit der Begründung des Berufungsurteils nicht aufrechterhalten werden.

II. Das angefochtene Urteil läßt sich auch nicht mit anderer Begründung rechtfertigen.

1. Nach dem derzeitigen Sach- und Streitstand ist nicht auszuschließen, daß dem Kläger infolge der fehlerhaften Beratung ein Schaden entstanden ist.

a) An einem Schaden würde es fehlen, wenn den durch die Entnahme des Grundstücks aus dem Betriebsvermögen tatsächlich entstandenen steuerlichen Nachteilen andere Nachteile in zumindest gleicher Höhe gegenüberstünden, die im Falle einer Nichtentnahme des Grundstücks eingetreten oder zu erwarten wären. In diesem Fall wäre die Entnahme im Ergebnis nicht nachteilig.

Das Berufungsgericht führt aus, die Entnahme aus dem Betriebsvermögen und die Beibehaltung als gewillkürtes Betriebsvermögen seien grundsätzlich gleichwertig, beide Modelle hätten Vor- und Nachteile, die vom Steuerpflichtigen jeweils persönlich abzuwägen seien und, wie die Praxis zeige, unterschiedlich abgewogen würden. Diese allgemeinen Erwägungen reichen nicht aus, um im vorliegenden Fall einen Schaden durch die Entnahme des Grundstücks aus dem Betriebsvermögen zu verneinen. Hier kommt es nicht auf eine etwaige grundsätzliche Gleichwertigkeit beider Gestaltungsmöglichkeiten an, sondern allein darauf, ob es für den Kläger angesichts der bei ihm vorliegenden konkreten Gegebenheiten steuerlich günstiger oder ungünstiger gewesen wäre, das Grundstück im Betriebsvermögen zu belassen.

Ein Schaden des Klägers läge danach nicht vor, wenn er das Grundstück in der Zwischenzeit veräußert hätte oder zumindest beabsichtigte, dies in absehbarer Zukunft zu tun, und wenn eine derartige Veräußerung im Falle der Beibehaltung des Grundstücks im Betriebsvermögen zu einer Aufdeckung und Versteuerung deutlich größerer stiller Reserven geführt hätte, als es bei der Entnahme zum 31. Dezember 1978 der Fall war. Die Beklagten haben aber weder vorgetragen, daß eine solche Veräußerung stattgefunden hätte, noch daß der Kläger gegenwärtig für die absehbare Zukunft eine Veräußerung beabsichtige.

Die Möglichkeit, daß es in ferner Zukunft einmal zu einer Veräußerung des Grundstücks kommen könnte, kann es dagegen nicht rechtfertigen, wegen der dann denkbaren Steuerschädlichkeit einer fortdauernden Zugehörigkeit des Grundstücks zum Betriebsvermögen einen Schaden aus der tatsächlich bewirkten Entnahme zum 31. Dezember 1978 zu verneinen. Das verbietet sich schon deshalb, weil die künftigen Einkommensverhältnisse eines Steuerpflichtigen sich grundsätzlich einer sicheren Prognose entziehen und weil es darüber hinaus angesichts der Schwankungen der Grundstückspreise sowie der durch Alterung und Abnutzung eintretenden Wertminderung von Gebäuden völlig ungewiß ist, ob und in welchem Umfang bei einer künftigen Veräußerung stille Reserven aufgedeckt würden. Dabei ist auch zu berücksichtigen, daß bei wirtschaftlicher Betrachtung die Vermeidung eines künftigen Steuernachteils einen in der Vergangenheit tatsächlich eingetretenen Steuernachteil nur aufwiegt, wenn der vermiedene Nachteil die Höhe des bereits eingetretenen Nachteils zuzüglich einer angemessenen Verzinsung erreicht.

b) Der dem Kläger durch die Entnahme des Grundstücks aus dem Betriebsvermögen entstandene Schaden wäre nicht auf die fehlerhafte Beratung zurückzuführen, wenn der Kläger sich auch bei zutreffender Beratung zu dieser Entnahme entschlossen hätte. Davon könnte man ausgehen, wenn der Kläger zur Zeit der Aufstellung der Bilanz zum 31. Dezember 1978 beabsichtigt hätte, sich die Möglichkeit einer späteren Veräußerung des Grundstücks ohne dann eintretende steuerliche Nachteile auch um den Preis eines alsbald eintretenden steuerlichen Mehraufwands offen zu halten.

Das steht indessen nach dem gegenwärtigen Sach- und Streitstand nicht fest. Die Parteien haben zu diesem Punkt gegensätzliche Behauptungen aufgestellt. Das Berufungsgericht hat es im Rahmen seiner Ausführungen zur Frage der Pflichtverletzung der Beklagten ausdrücklich dahinstehen lassen, ob die Behauptung des Klägers zutrifft, eine spätere Veräußerung des Grundstücks sei nicht geplant gewesen.

Die Beweislast trifft hier die Beklagten. Das Grundstück wurde in der Zwischenzeit unstreitig nicht veräußert. Für konkrete Veräußerungsabsichten des Klägers ist nichts vorgetragen. Bei Kenntnis einerseits der Wahlmöglichkeit zwischen Entnahme des Grundstücks aus dem Betriebsvermögen und Beibehaltung als gewillkürtes Betriebsvermögen sowie andererseits der Unmöglichkeit, die steuerlichen Nachteile einer Entnahme durch eine Rücklage nach § 6b EStG zu vermeiden, wäre es daher für einen Kaufmann in der Lage des Klägers objektiv vernünftiger gewesen, das Grundstück im Betriebsvermögen zu belassen. Der Nachweis, daß der Kläger sich bei zutreffender Unterrichtung und Beratung durch die Beklagten gleichwohl zur Entnahme des Grundstücks aus dem Betriebsvermögen entschlossen hätte, obliegt daher den Beklagten. Nach gefestigter Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs trägt derjenige, der vertragliche Aufklärungs- und Beratungspflichten verletzt hat, im Streitfall die Beweislast dafür, daß der Schaden auch ohne die Pflichtverletzung eingetreten wäre, weil der Geschädigte sich über die aus der Aufklärung und Beratung folgenden Bedenken hinweggesetzt haben würde (BGHZ 61, 118, 121ff.; 64, 46, 51; 72, 92, 106; 94, 356, 363; BGH, Urteil vom 1. Oktober 1987 – IX ZR 117/86, WM 1987, 1520, 1523). Ebenso tragen hier die Beklagten die Beweislast dafür, daß bei dem Kläger im Hinblick auf seine besonderen unternehmerischen Pläne Umstände vorlagen, aufgrund deren ein Verhalten entsprechend dem ihm gegebenen Rat richtig gewesen wäre.

2. Das Berufungsgericht ist – von seinem Standpunkt aus zu Recht – auf die Vertragsbeziehungen der Parteien und insbesondere auf das Verhältnis der Beklagten zueinander nicht näher eingegangen. Nach dem derzeitigen Sach- und Streitstand kann für keinen der beiden Beklagten ausgeschlossen werden, daß er hinsichtlich der Erstellung der Jahresbilanz zum 31. Dezember 1978 in vertraglichen Beziehungen mit dem Kläger stand und die Unterlassung der gebotenen Aufklärung über die steuerlichen Möglichkeiten zu vertreten hat. Es spricht im Gegenteil viel dafür, daß beide Beklagten vertraglich zur Erstellung der Jahresbilanz und damit auch zu der im Zusammenhang damit gebotenen Beratung des Klägers verpflichtet waren.

a) Zwischen den Parteien ist ungeachtet aller Meinungsverschiedenheiten darüber, wer von den beiden Beklagten im einzelnen vom Kläger beauftragt wurde und für ihn tätig geworden ist, im Ergebnis unstreitig, daß aufgrund eines vom Kläger erteilten Auftrags Tätigkeiten für ihn entfaltet und mit ihm über die Frage einer Entnahme des Grundstücks aus dem Betriebsvermögen Gespräche geführt wurden sowie für ihn der Jahresabschluß zum 31. Dezember 1978 erstellt worden ist. Sollten die Beklagten zur Zeit der Auftragserteilung bereits in einer Steuerberater-Sozietät verbunden gewesen sein, so würde aufgrund der genannten unstreitigen Tatsachen feststehen, daß sie beide Vertragspartner des Klägers waren. Bei einer Sozietät kommt das Mandatsverhältnis grundsätzlich mit allen Sozien zustande (so für Rechtsanwälte BGHZ 70, 247, 248, 249; BGH, Urteile vom 4. Februar 1988 – IX ZR 20/87, WM 1988, 457 und vom 10. März 1988 – III ZR 195/86, WM 1988, 986, 987; ebenso für Steuerberater Gräfe/Lenzen/ Rainer, Steuerberaterhaftung, 2. Aufl. Rdn. 38). Im vorliegenden Fall ist allerdings streitig, wann der Auftrag erteilt wurde und wann die Beklagten eine Sozietät eingingen.

b) Auf die Frage, ob die Sozietät der Beklagten bereits im Zeitpunkt der Auftragserteilung bestand, kommt es jedoch nicht in jedem Falle an.

Aus dem im Berufungsurteil in Bezug genommenen Akteninhalt ergibt sich, daß folgendes unstreitig ist: Die Bilanz zum 31. Dezember 1978 trägt die Unterschrift des Beklagten zu 2) und ein Siegel, in dem die Namen beider Beklagten genannt werden. Ein Schreiben an den Kläger vom 30. Januar 1981, in dem die Übersendung der Bilanzen für 1978 und 1979 als unmittelbar bevorstehend angekündigt wird, enthält außer der Unterschrift des Beklagten zu 2) einen Briefkopf, der beide Beklagte mit der gemeinsamen Berufsbezeichnung „Steuerberater” aufweist. Dasselbe gilt für ein Schreiben vom 28. August 1980, in dem der Kläger u.a. gefragt wird, ob er eine weitere Bearbeitung der Betriebsprüfung für das Jahr 1978 wünsche.

Das legt die Annahme nahe, daß die beiden Beklagten im Zusammenhang mit der Erstellung der Jahresbilanz des Klägers für 1978 gegenüber dem Kläger nach Art einer Steuerberater-Sozietät aufgetreten sind. Angehörige rechts- und steuerberatender Berufe, die gegenüber einem Mandanten durch gemeinsame Briefbögen, Stempel oder Siegel den Anschein einer Sozietät erwecken, müssen sich an dem von ihnen gesetzten Rechtsschein festhalten lassen (so für Rechtsanwälte BGHZ 70, 247, 249; BGH, Urteil vom 10. März 1988 – III ZR 195/86, WM 1988, 986, 987; ebenso für Steuerberater Gräfe/Lenzen/Rainer aaO Rdn. 40).

c) Beide Beklagten können somit Vertragspartner des Klägers hinsichtlich des Auftrags zur Erstellung der Jahresbilanz für 1978 geworden sein. Auch wenn die nach dem derzeitigen Sach- und Streitstand offene Frage, ob die Beklagten schon vor bzw. spätestens zu dem Zeitpunkt der Auftragserteilung nach Art einer Sozietät aufgetreten sind, zu verneinen sein sollte, so schlösse das eine Vertragsbeziehung des Klägers zu beiden Beklagten nicht aus. In diesem Fall könnte nämlich in den unter gemeinsamem Briefkopf beider Beklagten an den Kläger gerichteten Schreiben vom 28. August 1980 und vom 30. Januar 1981 ein Angebot zu sehen sein, den ursprünglich nur einem der Beklagten erteilten Auftrag nunmehr als Sozietät unter gemeinsamer Verantwortung auszuführen bzw. zu Ende zu führen (zur Möglichkeit der nachträglichen stillschweigenden Einbeziehung eines neu hinzutretenden Sozius in ein Mandatsverhältnis vgl. BGH, Urteil vom 4. Februar 1988 – IX ZR 20/87, WM 1988, 457f.). Der Kläger könnte ein solches Angebot dadurch angenommen haben, daß er die betreffenden Arbeiten durch die wie Sozien auftretenden Beklagten ausführen ließ.

d) Die Frage, ob sich im vorliegenden Fall eine der vorstehend aufgezeigten Möglichkeiten einer vertraglichen Bindung zwischen dem Kläger und beiden Beklagten tatsächlich verwirklicht hat, muß der tatrichterlichen Würdigung vorbehalten bleiben.

3. Auf die von den Beklagten geltend gemachte Einrede der Verjährung ist das Berufungsgericht – von seinem Standpunkt aus zu Recht – nicht eingegangen. Diese Einrede kann einem etwaigen Schadensersatzanspruch des Klägers nicht entgegengehalten werden.

Nach § 68 StBerG verjährt ein Schadensersatzanspruch des Auftraggebers gegen den Steuerberater in drei Jahren von dem Zeitpunkt an, in dem der Anspruch entstanden ist. Diese Frist war noch nicht abgelaufen, als im vorliegenden Rechtsstreit die Klageschrift am 9. März 1987 beim Landgericht Münster einging und die Verjährung dadurch nach § 209 Abs. 1, § 211 BGB i.V.m. § 270 Abs. 3 ZPO für die Dauer des Rechtsstreits unterbrochen wurde. Da die vom Kläger für das Jahr 1978 zu zahlende Einkommensteuer, Kirchensteuer und Gewerbesteuer erst durch die Steuerbescheide vom Mai und Juli 1986 endgültig festgesetzt wurde, war ein etwaiger Schadensersatzanspruch des Klägers endgültig erst mit der Schlußbesprechung der vorangegangenen Betriebsprüfung Ende 1985 entstanden (vgl. BGHZ 73, 363, 368, 369; 83, 17, 20; 96, 290, 296).

Darauf, ob der Kläger, wie die Beklagten behaupten, bereits im Jahre 1981 die Unzulässigkeit der Rücklage nach § 6b EStG kannte, kommt es für die Frage der Verjährung nicht an. Dabei kann offenbleiben, ob der im Schrifttum (Gräfe/Lenzen/Rainer aaO Rdn. 890) vertretenen Meinung zu folgen ist, daß in Fällen, in denen die Steuer endgültig erst nach einer Betriebsprüfung festgesetzt wird, die Verjährung eines Schadensersatzanspruchs gegen den Steuerberater gleichwohl schon vor der Schlußbesprechung beginnt, wenn der Mandant vorher bereits den Fehler des Steuerberaters erkennt. Auch wenn dem zu folgen wäre, könnten die Beklagten daraus für sich nichts herleiten. Im vorliegenden Fall hat der Kläger nämlich nicht durch die Aufnahme einer nicht anerkennungsfähigen Rücklage nach § 6b EStG in seine Bilanz, sondern dadurch einen Schaden erlitten, daß von der Möglichkeit der weiteren Zuordnung seines Grundstücks zum Betriebsvermögen kein Gebrauch gemacht wurde. Die Beklagten behaupten nicht, daß der Kläger von diesem Umstand bereits zu einem vor der Schlußbesprechung liegenden Zeitpunkt Kenntnis erhalten habe.

III. Der Rechtsstreit muß daher an das Berufungsgericht zurückverwiesen werden.

Für das weitere Verfahren weist der Senat darauf hin, daß einige Umstände, die das Berufungsgericht als Indizien für eine Entschlossenheit des Klägers gewertet hat, das Grundstück auf jeden Fall aus dem Betriebsvermögen herauszunehmen, nicht oder nicht ohne weiteres in diese Richtung gedeutet werden können. So berücksichtigt das Berufungsgericht bei der Bewertung der beiden Aktenvermerke der Beklagten vom September 1980 nicht hinreichend, daß diese Vermerke die rechtlichen Konsequenzen unterschiedlicher Gestaltungsmöglichkeiten darstellen und daher für die Frage, ob der Kläger sich bereits für eine dieser Möglichkeiten entschieden hatte, unergiebig sind. Bei der Würdigung des Verhaltens des Klägers im Einspruchsverfahren hätte das Berufungsgericht berücksichtigen müssen, daß damals die unrichtigen Auskünfte der Beklagten noch fortwirkten, wonach die Nutzungsänderung des Grundstücks ein Ausscheiden aus dem Betriebsvermögen zwingend zur Folge hatte. Das Verhalten des Klägers im Betriebsprüfungsverfahren läßt sich nur zutreffend würdigen, wenn feststeht, welche Möglichkeiten er hatte, in diesem späten Stadium die in der Nichtaufnahme des Grundstücks in die Jahresbilanzen seit 1978 liegende Entscheidung noch rückgängig zu machen (vgl. dazu Littmann/Bitz/Meincke aaO §§ 4, 5 Rdn. 261, 262).

 

Fundstellen

NJW 1990, 827

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