Entscheidungsstichwort (Thema)
bewaffnetes Handeltreiben mit Betäubungsmitteln
Tenor
1. Auf die Revision der Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Krefeld vom 19. März 2001
- im Schuldspruch mit den Feststellungen aufgehoben, soweit die Angeklagte wegen der Tat vom 25. Februar 2000 und wegen der letzten der nach dem 6. Januar 2000 durchgeführten sieben Einkaufsfahrten nach Venlo verurteilt worden ist,
im übrigen im Schuldspruch dahin geändert, daß die Angeklagte
- wegen gewerbsmäßiger Abgabe von Betäubungsmitteln an eine Person unter 18 Jahren in Tateinheit mit unerlaubtem Handeltreiben in zwei Fällen,
- wegen unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in Tateinheit mit unerlaubtem Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in jeweils nicht geringer Menge und
- wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in 34 Fällen
verurteilt ist und
- im gesamten Strafausspruch mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten dieses Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.
Die weitergehende Revision wird verworfen.
2. Die Revision der Staatsanwaltschaft gegen das vorbezeichnete Urteil wird verworfen.
Die Staatskasse hat die Kosten dieses Rechtsmittels und die der Angeklagten insoweit entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.
Von Rechts wegen
Gründe
Das Landgericht hat die Angeklagte wegen bewaffneten unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln, gewerbsmäßiger Abgabe von Betäubungsmitteln durch Erwachsene an Jugendliche unter achtzehn Jahren in zwei Fällen, wegen unerlaubter Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit unerlaubtem Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge und wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in 37 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt sowie die Einziehung sichergestellter Betäubungsmittel und den Verfall eines Geldbetrags angeordnet. Gegen dieses Urteil hat die Angeklagte Revision eingelegt, hiervon jedoch den Maßregelausspruch ausgenommen. Die mit der Sachrüge begründete Revision der Staatsanwaltschaft ist auf den Strafausspruch beschränkt. Das Rechtsmittel der Angeklagten hat den aus der Urteilsformel ersichtlichen Erfolg, die Revision der Staatsanwaltschaft ist unbegründet.
I. Revision der Angeklagten:
1. Die Nachprüfung des Schuldspruchs führt zur Aufhebung des Schuldspruchs, soweit die Angeklagte wegen der Tat vom 25. Februar 2000 und der letzten der nach dem 6. Januar 2000 durchgeführten sieben Einkaufsfahrten verurteilt worden war, und zu einer Änderung des Konkurrenzverhältnisses zwischen der Abgabe von Betäubungsmitteln in zwei Fällen an den minderjährigen Schüler S. und zwei der in der Zeit vom 15. September bis zum 22. Oktober 2000 durchgeführten Einkaufsfahrten. Im übrigen hat sich zum Schuldspruch kein Rechtsfehler zum Nachteil der Angeklagten ergeben.
a) Die Verurteilung wegen bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln nach § 30 a Abs. 2 Nr. 2 BtMG (gleichzeitige Aufbewahrung von zum Weiterverkauf bestimmten 112,3 Gramm Haschisch und einer griffbereiten, geladenen Gaspistole am 25. Februar 2000) hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand, weil die Strafkammer nicht festgestellt hat, ob die Waffe den Ausschuß nach vorne durch den Lauf hatte. Der Senat kann daher nicht ausschließen, daß es sich trotz der mitgeteilten Typenbezeichnung noch um ein älteres Modell mit seitlichen oder obenliegenden Ausschußöffnungen handelte, das nach ständiger Rechtsprechung die Voraussetzungen einer Schußwaffe nicht erfüllen würde (vgl. Weber, BtMG § 30 a Rdn. 116 m.w.Nachw.). Dies erfordert eine neue Prüfung durch den Tatrichter. Dieser wird zu bedenken haben, daß die im angefochtenen Urteil vorgenommene straferschwerende Berücksichtigung der „Gefährlichkeit der einsatzbereiten Schußwaffe” (UA S. 18) gegen § 46 Abs. 3 StGB verstößt, da eine einsatzbereite Schußwaffe Tatbestandsmerkmal des § 30 a Abs. 2 Nr. 2 BtMG ist.
Im übrigen liegt es nahe, daß diese Tat in Tateinheit mit der letzten der sieben nach dem 6. Januar 2000 durchgeführten Einkaufsfahrten steht. Nach den Feststellungen fuhr die Angeklagte ab dem 6. Januar 2000 „weitere sieben Male im Abstand je einer Woche” nach Venlo und kaufte jeweils 100 Gramm Haschisch ein. Da demnach die siebte dieser Fahrten um den 17. Februar 2000 stattfand und eine Woche später am 25. Februar 2000 bei der vorgenannten Tat 112,3 Gramm Haschisch gefunden worden sind, bestehen konkrete Anhaltspunkte dafür, daß von dieser Menge zwar 100 Gramm von einer achten Einkaufsfahrt um den 24. Februar 2000, die darüber hinausgehende Menge von etwa 12 Gramm aber noch aus der vorhergehenden siebten Einkaufsfahrt um den 17. Februar 2000 stammte. Damit hatte sich aber die Tat vom 25. Februar 2000 zum Teil auch auf diese Menge bezogen.
b) Die beiden Fälle der Abgabe von Betäubungsmitteln an den minderjährigen Schüler S. bilden jeweils mit einem der auf UA S. 5 bis 6 dargestellten 30 Fälle des unerlaubten Handeltreibens eine Bewertungseinheit. Nach den Feststellungen erfolgten die beiden Abgaben an den Schüler in der Zeit nach dem Einzug der Angeklagten in die Wohnung in der R. straße am 15. September 1999 und vor dessen Aussage am 22. Oktober 1999. Da die Angeklagte vom 5. April bis zum 30. Oktober 1999 wöchentliche Einkaufsfahrten nach Venlo zum Erwerb von je 100 g Haschisch unternommen hatte, die von der Strafkammer als 30 Fälle des unerlaubten Handeltreibens abgeurteilt worden sind, liegt es nahe, daß die in diesem Zeitraum an den Schüler S. abgegebenen Mengen von einmal 10 g und einmal 1 g Haschisch aus derart erworbenen Einkaufsmengen stammen. Daher stehen zwei der auf UA S. 5 bis 6 abgeurteilten 30 Fälle in Tateinheit mit diesen Abgabedelikten. Tateinheit ist deswegen gegeben, weil diese beiden einheitlich erworbenen Einkaufsmengen zum Teil an Minderjährige (§ 30 Abs. 1 Nr. 2 BtMG) verkauft worden sind.
2. Der Strafausspruch hat keinen Bestand, da die Strafzumessungsgründe des Urteils durchgreifende, die Angeklagte belastende Rechtsfehler aufweisen:
a) In den beiden Fällen, bei denen die Angeklagte Haschisch von zehn bzw. einem Gramm an den 17-jährigen Schüler S. abgegeben hatte, hat die Strafkammer erschwerend berücksichtigt, „daß Haschisch nach den derzeitigen Erkenntnissen Einstiegsdroge ist und Jugendliche oftmals härteren Drogen zuführt” (UA S. 21). Dies verstößt gegen § 46 Abs. 3 StGB. Die besondere Schutzbedürftigkeit von Jugendlichen ist bereits Grund für die Aufstufung zu dem Verbrechenstatbestand der Abgabe von Betäubungsmitteln an Minderjährige nach § 29 a Abs. 1 Nr. 1 BtMG.
b) Die Fälle der insgesamt 37 wöchentlichen Einkaufsfahrten nach Venlo hat die Strafkammer als unerlaubtes Handeltreiben nach § 29 BtMG abgeurteilt und wegen der gewerbsmäßigen Begehung den erhöhten Strafrahmen des § 29 Abs. 3 BtMG zugrunde gelegt. Daß sie gleichwohl zum Nachteil der Angeklagten berücksichtigt hat, daß sich diese „über einen langen Zeitraum aus Drogengeschäften finanziert und aus den einzelnen Taten erhebliche Gewinne gezogen hat, die über das zum notwendigen Unterhalt Erforderliche hinausgegangen sind” (UA S. 22), verstößt wiederum gegen § 46 Abs. 3 StGB. Bereits in dem Merkmal der Eigennützigkeit des Begriffs des Handeltreibens ist die Absicht eines Händlers, durch den Verkauf von Betäubungsmitteln mit Hilfe eines Preisaufschlags Gewinn zu erzielen, enthalten. Daher ist es nicht zulässig, dieses Gewinnstreben bei der Strafzumessung erneut straferschwerend zu berücksichtigen (BGHR StGB § 46 III Handeltreiben 1). Da der Begriff der Gewerbsmäßigkeit zudem eine auf Gewinnerzielung gerichtete Tätigkeit von einiger Dauer und einigem Umfang voraussetzt, die zu einer fortlaufenden Einnahmequelle führt (st.Rspr., vgl. Nachw. bei Weber, BtMG § 29 Rdn. 939), wird die Bestreitung des Lebensbedarfs des Täters von diesem Qualifikationsmerkmal umfaßt, ohne daß es darauf ankäme, ob er lediglich seinen notwendigen Unterhalt abdeckt oder einen darüber hinausgehenden Gewinn erzielt. Im übrigen widerspricht die Angabe der Strafkammer, die Gewinne seien über die Deckung des Notwendigen hinausgegangen, ihren eigenen Feststellungen auf UA S. 10, wonach die Angeklagte „ausschließlich” zur Sicherstellung des Familienunterhalts gehandelt habe, sich während des Tatzeitraums in beengten wirtschaftlichen Verhältnissen befunden habe und ihre Taten durch eine „finanzielle Notlage” veranlaßt gewesen seien.
Zwar hat die Strafkammer in diesen Fällen jeweils nur die Mindeststrafe nach § 29 Abs. 3 StGB von einem Jahr Freiheitsstrafe verhängt. Es kann aber nicht ausgeschlossen werden, daß ohne diese unzulässige Erwägung ein besonders schwerer Fall verneint und der Strafrahmen des § 29 Abs. 1 BtMG angewandt worden wäre.
c) Die Revision der Angeklagten rügt zu Recht, daß die Strafkammer nicht erkennbar erörtert hat, welche Auswirkungen die Verhängung einer mehrjährigen zu verbüßenden Freiheitsstrafe auf das künftige Leben der Angeklagten hat und ob insoweit eine besondere Strafempfindlichkeit gegeben ist. Dies wäre angesichts der festgestellten Umstände, insbesondere daß die Angeklagte mit ihren beiden sechs und sieben Jahre alten Kindern getrennt von ihrem Ehemann gelebt hatte und für die Kinder allein sorgen mußte, veranlaßt gewesen. Der neue Tatrichter wird dabei auch Gelegenheit haben, die Auswirkungen einer Verurteilung auf ausländerrechtliche Folgen für die Angeklagte und ihre Kinder zu prüfen (vgl. BGHR StGB § 46 I Schuldausgleich 30, 37).
II. Revision der Staatsanwaltschaft:
Die Revisionsbegründung der Staatsanwaltschaft zeigt zur Strafzumessung keinen durchgreifenden Rechtsfehler zum Vorteil der Angeklagten auf, ein solcher ist auch sonst nicht ersichtlich. Der Erörterung bedarf lediglich folgendes:
1. Bei der Tat vom 25. Februar 2000 (bewaffnetes Handeltreiben mit Betäubungsmitteln nach § 30 a Abs. 2 Nr. 2 BtMG) wäre es zwar gerechtfertigt gewesen, das gewerbsmäßige Handeln bei diesem Qualifikationstatbestand, der gewerbsmäßiges Handeln nicht voraussetzt, straferschwerend zu berücksichtigen (vgl. BGH bei Zschockelt, NStZ 1998, 238, 240 m.w.Nachw.). Andererseits war es nicht geboten, diesen Umstand ausdrücklich in den Urteilsgründen zu erörtern, da es sich nach Sachlage nicht um einen bestimmenden Strafzumessungsgrund im Sinne des § 267 Abs. 3 Satz 1 StPO handelt.
2. Dagegen wäre es rechtsfehlerhaft gewesen, wenn die Strafkammer entsprechend der Beanstandung durch die Staatsanwaltschaft die Gewerbsmäßigkeit des Handelns auch bei den beiden Fällen der gewerbsmäßigen Abgabe an Minderjährige nach § 30 Abs. 1 Nr. 2 BtMG erschwerend berücksichtigt hätte, da dieses Merkmal im Tatbestand der Qualifikationsnorm enthalten ist (§ 46 Abs. 3 StGB).
III. Die angefochtene Entscheidung gibt dem Senat Anlaß zu folgenden Hinweisen:
1. Die Verständlichkeit eines Urteils, das mehrere Taten zum Gegenstand hat, leidet erheblich, wenn auf die Vergabe von Ordnungsziffern zur Kennzeichnung der Taten verzichtet wird. Es empfiehlt sich dabei, die Ordnungsziffern für die einzelnen Fälle einheitlich und übereinstimmend bei Sachverhaltsdarstellung, Beweiswürdigung, rechtlicher Würdigung und Strafzumessung zu verwenden (vgl. BGH, bei Kusch NStZ-RR 2001, 133 Nr. 14 m.w.Nachw.; Kroschel/Meyer-Goßner, Die Urteile in Strafsachen, 26. Aufl. S. 74 ff.). Zusätzlich erschwert wird die Verständlichkeit, wenn wie hier nicht nur auf Fallziffern verzichtet, sondern zudem bei Sachverhaltsdarstellung und übrigen Urteilsabschnitten eine unterschiedliche Reihenfolge gewählt wird.
2. Es ist zulässig und in der Regel auch empfehlenswert, bei der Strafzumessung für eine Vielzahl von Taten diejenigen Erwägungen, die für alle Fälle in gleicher Weise gelten, „vor die Klammer zu ziehen” und dann bei den einzelnen Taten nur noch die fallbezogenen besonderen Zumessungserwägungen anzustellen (vgl. Schäfer, Praxis der Strafzumessung, 3. Aufl. Rdn. 791).
Im Regelfall ist es auch zulässig, bei einer mehrfach erforderlichen Gesamtabwägung der Strafzumessungsgründe (gegebenenfalls mehrfach abgestufte Strafrahmenbestimmung und Strafzumessung im engeren Sinne) auf die einmal dargestellten Gründe in späteren Stufen zu verweisen und dann nur noch die in dieser Stufe erforderliche Abwägung zu treffen, sofern nicht besondere Umstände des Einzelfalls eine gesonderte Erörterung gebieten (BGHR StGB § 46 I Begründung 21).
3. Das Gesetz fordert in § 267 Abs. 3 Satz 1 StPO lediglich die Angabe derbestimmenden Strafzumessungsgründe. Es empfiehlt sich daher, auf wenig ergiebige und in ihrer Bewertungsrichtung unklare Erwägungen zu verzichten und sich statt dessen auf die Prüfung zu konzentrieren, ob die bestimmenden Gründe vollständig erfaßt, durch eine ausreichende Tatsachengrundlage belegt und auf ihre Vereinbarkeit mit § 46 Abs. 3 StGB sowie auf die zutreffende Bewertungsrichtung überprüft sind.
4. Die für die Bildung der Gesamtstrafe erforderliche Gesamtschau der maßgeblichen Zumessungsgründe erfordert zwar grundsätzlich nicht ihre erneute ausdrückliche Abhandlung, meist wird eine Bezugnahme ausreichen. Dabei sind jedoch die für die Gesamtstrafenbildung besonders bedeutsamen Gesichtspunkte (z.B. zeitlicher, sachlicher und situativer Zusammenhang der Taten, Häufigkeit, Gesamtgewicht, Auswirkungen der Höhe der Gesamtstrafe u.ä.) hervorzuheben und zu bewerten (BGHR StGB § 54 I Bemessung 1).
Unterschriften
Tolksdorf, Rissing-van Saan, Miebach, Winkler, Becker
Fundstellen