Leitsatz (amtlich)
Änderungen eines Grundstückskaufvertrags nach der Auflassung sind formlos möglich, wenn die Auflassung bindend geworden ist (§ 873 Abs. 2 BGB; Bestätigung u.a. von BGH, Urt. v. 28.9.1984 - V ZR 43/83, WM 1984, 1539).
Normenkette
BGB § 311b Abs. 1 S. 1, § 925 Abs. 1, § 873 Abs. 2
Verfahrensgang
Tenor
Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des OLG Stuttgart - 10. Zivilsenat - vom 18.7.2017 in der Fassung des Ergänzungsurteils vom 26.9.2017 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als zum Nachteil des Beklagten entschieden worden ist.
Im Umfang der Aufhebung wird die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des LG Ravensburg - 6. Zivilkammer - vom 28.10.2016 zurückgewiesen. Die weitergehende Berufung bleibt zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten der Rechtsmittelverfahren.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Rz. 1
Der Beklagte kaufte mit notariell beurkundetem Vertrag vom 4.5.2011 von der Klägerin, einer Bauträgerin, drei noch zu sanierende Eigentumswohnungen zu einem Preis von insgesamt 309.692 EUR. In dem Vertrag erklärten die Parteien die Auflassung und beantragte der Beklagte die Eintragung des Eigentumswechsels in das Grundbuch. Der beurkundende Notar wurde angewiesen, eine die Auflassungserklärung enthaltende beglaubigte Abschrift oder Ausfertigung der Urkunde erst zu erteilen, wenn ihm die Zahlung des geschuldeten Kaufpreises nachgewiesen worden ist. Mit Schreiben vom 24.7.2012 verlangte der Beklagte von der Klägerin eine Kaufpreisminderung von 27.100,76 EUR "aufgrund der nicht notwendigen Dekontaminationsarbeiten". Deren Geschäftsführer unterzeichnete dieses Schreiben mit dem Zusatz "zur Kenntnis genommen und anerkannt". Der Beklagte zahlte 283.368,17 EUR an die Klägerin.
Rz. 2
Mit der Klage verlangt die Klägerin die Zahlung eines Restkaufpreises von 26.323,83 EUR. Der Beklagte beantragt widerklagend, die Klägerin zur Rückzahlung zuviel gezahlter 776,93 EUR zu verurteilen und festzustellen, dass der Kaufpreis 282.591,24 EUR betrage und vollständig bezahlt sei. Das LG hat die Klage abgewiesen und der Widerklage stattgegeben. Auf die Berufung der Klägerin hat das OLG den Beklagten unter Abweisung der Klage im Übrigen verurteilt, an die Klägerin 15.484,61 EUR nebst Zinsen zu zahlen. Die Widerklage hat es abgewiesen. Mit der von dem OLG zugelassenen Revision möchte der Beklagte die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils erreichen. Die Klägerin beantragt die Zurückweisung des Rechtsmittels.
Entscheidungsgründe
I.
Rz. 3
Das Berufungsgericht, dessen Entscheidung u.a. in Rpfleger 2018, 196 veröffentlicht ist, meint, der Klägerin stehe ein restlicher Zahlungsanspruch i.H.v. 26.323,83 EUR zu, der aber derzeit nur i.H.v. 15.484,61 EUR fällig sei. Die Parteien hätten am 24.7.2012 keine formwirksame Ermäßigung des Kaufpreises vereinbart, da die Vereinbarung entgegen § 311b Abs. 1 Satz 1 BGB nicht notariell beurkundet worden sei. Entgegen der Rechtsprechung des BGH sei die nachträgliche Abänderung von Grundstückskaufverträgen auch dann formbedürftig, wenn diese nach der Auflassung und vor der Eigentumsumschreibung erfolge. Für die Beurkundungspflicht solcher Änderungen sprächen der Wortlaut, die Systematik und der Zweck des § 311b Abs. 1 BGB. Die Beweisfunktion der Beurkundung sei in der Zeit zwischen Auflassung und Eigentumsumschreibung nach wie vor relevant. Auch die Warnfunktion der Beurkundung und das Schutzbedürfnis von Veräußerer und Erwerber vor übereilten Entscheidungen kämen bei einer Änderung eines notariell beurkundeten Vertrags nach Auflassung und vor Eintragung zum Tragen. Das Argument, die Verpflichtung zur Eigentumsübertragung sei mit der Auflassung in vollem Umfang erfüllt und bestehe nach erklärter Auflassung nicht mehr, treffe überdies nicht zu, wenn, wie hier, die Kaufvertragsparteien den Notar angewiesen hätten, Ausfertigungen oder beglaubigte Abschriften der Urkunde, welche die Auflassung enthalte, erst auf Nachweis der Kaufpreiszahlung zu erteilen.
II.
Rz. 4
Diese Ausführungen halten rechtlicher Nachprüfung nicht stand.
Rz. 5
1. Zutreffend ist allerdings der rechtliche Ausgangspunkt des Berufungsgerichts. Dem Formzwang des § 311b Abs. 1 Satz 1 BGB unterliegen alle Vereinbarungen, die nach dem Willen der Parteien zu dem schuldrechtlichen Übereignungsgeschäft gehören (st.Rspr., vgl. BGH, Urt. v. 20.12.1974 - V ZR 132/73, BGHZ 63, 359, 361; Urt. v. 23.9.1977 - V ZR 90/75, BGHZ 69, 266, 268; Urt. v. 6.4.1979 - V ZR 72/74, BGHZ 74, 346, 348; Urt. v. 20.6.1980 - V ZR 84/79, NJW 1981, 222). § 311b Abs. 1 BGB findet deshalb grundsätzlich auf Vereinbarungen Anwendung, durch die ein schon beurkundeter Grundstückskaufvertrag nachträglich geändert wird (BGH, Urt. v. 2.10.1957 - V ZR 212/55, WM 1957, 1459; Urt. v. 29.3.1966 - V ZR 145/63, WM 1966, 656; Urt. v. 26.10.1973 - V ZR 194/72, NJW 1974, 271; Urt. v. 9.11.1979 - V ZR 38/78, WM 1980, 166, 167; Urt. v. 6.11.1981 - V ZR 138/80, WM 1982, 157, 158). Diese sind dann formfrei, wenn sie lediglich der Beseitigung einer bei der Abwicklung des Geschäfts unvorhergesehen aufgetretenen Schwierigkeit dienen, ohne die beiderseitigen Verpflichtungen wesentlich zu verändern (vgl. BGH, Urt. v. 6.11.1981 - V ZR 138/80, a.a.O.; Urt. v. 6.6.1986 - V ZR 264/84, NJW 1986, 2759, 2760; Urt. v. 2.10.1987 - V ZR 42/86, WM 1987, 1467; Beschluss vom 9.11.1995 - V ZR 36/95, NJW 1996, 453; BGH, Urt. v. 5.4.2001 - VII ZR 119/99, NJW 2001, 1932, 1933). Daher ist eine nachträgliche Herabsetzung des beurkundeten Kaufpreises, wie sie hier vereinbart wurde, an sich formbedürftig (vgl. BGH, Urt. v. 8.10.1954 - V ZR 81/53, WM 1955, 263; Urt. v. 6.11.1981 - V ZR 138/80, WM 1982, 157, 158 m.w.N.).
Rz. 6
2. a) Hier ist es aber anders, weil die Parteien zum Zeitpunkt der Änderungsvereinbarung die Auflassung bereits erklärt hatten. Nach der ständigen Rechtsprechung des BGH können Grundstückskaufverträge nach der Auflassung formlos abgeändert werden, weil die Verpflichtung zur Eigentumsübertragung mit der Auflassung erfüllt ist und deshalb nicht mehr besteht (vgl. BGH, Urt. v. 14.5.1971 - V ZR 25/69, WM 1971, 896; Urt. v. 25.2.1972 - V ZR 74/69, WM 1972, 556, 557; Urt. v. 23.3.1972 - V ZR 166/70, WM 1973, 576; Urt. v. 30.5.1975 - V ZR 214/73, DB 1975, 1983; Urt. v. 28.9.1984 - V ZR 43/83, WM 1984, 1539 m.w.N.; Urt. v. 6.5.1988 - V ZR 50/87, BGHZ 104, 276, 277; Urt. v. 28.10.2011 - V ZR 212/10, NJW-RR 2012, 18 Rz. 15; so auch schon RG, WarnR 1911, Nr. 226; HRR 1933 Nr. 1410; SeuffA 94 Nr. 53). Von der Formfreiheit ausgenommen ist die Begründung neuer selbständiger Erwerbspflichten (vgl. Urt. v. 6.5.1988 - V ZR 50/87, a.a.O.); entsprechendes gilt für Veräußerungspflichten.
Rz. 7
b) Diese Rechtsprechung, die ursprünglich noch überwiegend Zustimmung und nur vereinzelt Ablehnung gefunden hat (vgl. Nachweise Urt. v. 28.9.1984 - V ZR 43/83, WM 1984, 1539), stößt inzwischen allerdings zunehmend auf Kritik (vgl. OLG Düsseldorf, NJW 1998, 2225, 2226; LG Limburg, WM 1986, 432; BeckOGK/Schreindorfer, BGB, Stand: 1.9.2018, § 311b Rz. 242 ff.; BeckOK/BGB/Gehrlein, Stand: 1.5.2018, § 311b Rz. 27; Erman/Grziwotz, BGB, 15. Aufl., § 311b Rz. 59; Ludwig in Herberger/Martinek/Rüßmann u.a., jurisPK/BGB, 8. Aufl., § 311b BGB Rz. 283; Kanzleiter in MünchKomm/BGB, 7. Aufl., § 311b Rz. 59; Soergel/J. Mayer, BGB, 13. Aufl., § 311b Rz. 205 f.; Staudinger/Schumacher, BGB [2018], § 311b Rz. 206 ff.; Krüger/Hertel, Der Grundstückskauf, 11. Aufl., Rz. 1326; Cramer, ZfIR 2018, 450, 451; Grziwotz, IMR 2018, 121, 122; Kanzleiter, DNotZ 1985, 285 ff.; ders., DNotZ 1998, 954 ff.; Müller, MittRhNotK 1988, 243, 248; Steinbrecher, NJW 2018, 1214 ff.; Weser, MittBayNot 1993, 253, 260; Brambring in FS für Hagen, 1999, 251, 257 ff.; Pohlmann, Die Heilung formnichtiger Verpflichtungsgeschäfte durch Erfüllung, 141 ff.; Roemer, Die Formbedürftigkeit der Aufhebung und Änderung von Verträgen i.S.d. § 311b Abs. 1 BGB [§ 313 BGB a.F.], 2004, 163 ff.; zustimmend dagegen BayObLG BB 1987, 711, 712; OLG Bamberg, MDR 1999, 151; OLG Brandenburg, Beschl. v. 9.12.2015 - 10 UF 257/13, juris; Grüneberg in Palandt, BGB, 77. Aufl., § 311b Rz. 44; Schöner/Stöber, Grundbuchrecht, 15. Aufl., § 311b BGB Rz. 3115a).
Rz. 8
Die Kritiker verweisen darauf, dass sich seit der von dem RG begonnenen und von dem Senat übernommenen Rechtsprechung zur Formfreiheit von Änderungen von Grundstückskaufverträgen nach Auflassung die Schutzbedürftigkeit von Verkäufer und Käufer, insb. bei Bauträgerverträgen, grundlegend geändert habe. Der historische Gesetzgeber sei davon ausgegangen, dass die Auflassung nicht zusammen mit dem schuldrechtlichen Grundgeschäft beurkundet, sondern vor dem Grundbuchamt erst dann erklärt werde, wenn die wechselseitigen Verpflichtungen im Übrigen erfüllt worden seien. Die Auflassung sei nach vollzogener Erfüllung aller übrigen Verpflichtungen der "Schlusspunkt" eines Grundstücksgeschäfts gewesen und habe damit auch die Bestätigung der Richtigkeit aller zwischen den Parteien getroffenen Abreden enthalten (vgl. BeckOGK/Schreindorfer, BGB, Stand: 1.9.2018, § 311b Rz. 242 ff.; Cramer, ZfIR 2018, 450, 451; Steinbrecher, NJW 2018, 1214, 1216; Brambring in FS für Hagen, 1999, 251, 254 ff.). Heute habe die Auflassung nicht mehr diese Bedeutung. Sie werde aus praktischen Gründen und zum Zwecke der Gebührenersparnis regelmäßig in die Kaufvertragsurkunde aufgenommen. Zum Schutz des Verkäufers seien verfahrensrechtliche Gestaltungen entwickelt worden, durch die trotz erklärter Auflassung der Eigentumsübergang auf den Käufer vor Kaufpreiszahlung verhindert werde (Auflassung mit Vorlagesperre; Auflassung ohne Eintragungsbewilligung; vgl. Kanzleiter in MünchKomm/BGB, 7. Aufl., § 311b Rz. 59; Steinbrecher, NJW 2018, 1214, 1216 ff.; vgl. auch DNotI-Report 2016, 63, 64; BeckOGK/Schreindorfer, BGB, Stand: 1.6.2018, § 311b Rz. 242 ff.; Brambring in FS für Hagen, 1999, 251, 257 ff.; Kanzleiter, DNotZ 1996, 242 ff.; Müller, MittRhNotK 1988, 243, 248; Weser, MittBayNot 1993, 253, 260). Könne eine Vertragsänderung nach Auflassung formfrei vereinbart werden, sei dies mit den Zwecken des § 311b Abs. 1 Satz 1 BGB, insb. dem bezweckten Übereilungsschutz, nicht vereinbar. Der Anspruch auf Eigentumsverschaffung sei mit der Auflassung nicht erloschen (§ 362 Abs. 1 BGB), sondern bestehe bis zum Eigentumsübergang fort (Staudinger/Schumacher, BGB [2018], § 311b Rz. 207; Erman/Grziwotz, BGB, 15. Aufl., § 311b Rz. 59).
Rz. 9
c) Die aufgezeigte Kritik gibt keinen Anlass zu einer Änderung der Rechtsprechung.
Rz. 10
aa) Der Senat hat bereits 1984 keine deutlich überwiegenden oder schlechthin zwingenden Gründe für eine Abkehr von seiner Rechtsprechung gesehen, und zwar auch nicht für den Fall, dass die Kaufvertragsparteien den Notar angewiesen haben, den Eintragungsantrag erst zu stellen, wenn die Zahlung des gesamten Kaufpreises nachgewiesen oder bestätigt war (Urt. v. 28.9.1984 - V ZR 43/83, WM 1984, 1539; so auch schon Urt. v. 14.5.1971 - V ZR 25/69, WM 1971, 896). Solche Gründe ergaben sich insb. nicht daraus, dass der Gesetzgeber durch das Gesetz zur Änderung des Bürgerlichen Gesetzbuchs und anderer Gesetze vom 30.5.1973 (BGBl. I, 501) die Beurkundungspflicht auf die Grundstückserwerbsverpflichtung ausgedehnt hat.
Rz. 11
bb) Gründe für eine Aufgabe der Rechtsprechung liegen auch heute nicht vor. Änderungen eines Grundstückskaufvertrags nach der Auflassung sind formlos möglich, wenn die Auflassung bindend geworden ist (§ 873 Abs. 2 BGB). Das steht mit Sinn und Zweck der Vorschrift des § 311b Abs. 1 BGB in Einklang.
Rz. 12
(1) Die Beurkundungspflicht soll den Beweis über die Art und den Inhalt der Vereinbarungen sichern, den Veräußerer und den Erwerber vor übereilten Verträgen bewahren, sie auf die Wichtigkeit des Geschäfts hinweisen und ihnen durch die Mitwirkung des sachkundigen und unparteiischen Notars die Möglichkeit rechtskundiger Belehrung und Beratung eröffnen (Beweisfunktion; Warn- und Schutzfunktion; vgl. BGH, Urt. v. 23.9.1977 - V ZR 90/75, BGHZ 69, 266, 269; Urt. v. 23.2.1979 - V ZR 99/77, NJW 1979, 1495, 1496; Urt. v. 6.4.1979 - V ZR 72/74, BGHZ 74, 346, 351 f.; Urt. v. 30.4.1982 - V ZR 104/81, BGHZ 83, 395, 397; Urt. v. 25.3.1983 - V ZR 268/81, BGHZ 87, 150, 153; Urt. v. 26.11.1999 - V ZR 251/98, WM 2000, 579, 580; Urt. v. 13.5.2016 - V ZR 265/14, NZM 2016, 646 Rz. 27; Urt. v. 10.6.2016 - V ZR 295/14, DNotZ 2017, 48 Rz. 8). Mit der Durchführung eines strengen Regeln unterworfenen Beurkundungsverfahrens, insb. durch die dem Notar in §§ 17 ff. BeurkG auferlegten Prüfungs- und Belehrungspflichten, soll sichergestellt werden, dass der Inhalt der Urkunde dem Willen der mit der rechtlichen Tragweite vertraut gemachten Beteiligten entspricht (Gewährsfunktion; vgl. BGH Urt. v. 10.6.2016 - V ZR 295/14, a.a.O.).
Rz. 13
(2 a) Die Parteien bedürfen des Schutzes aber nicht mehr, wenn der Zweck des § 311b Abs. 1 Satz 1 BGB erreicht ist. Hiervon ist auszugehen, wenn die schuldrechtlichen Erklärungen von Veräußerer und Erwerber beurkundet worden sind und diese zudem die für die angestrebte Rechtsänderung erforderlichen (dinglichen) Erklärungen in bindender Form abgegeben haben. Das ist der Fall, wenn die Auflassung bindend geworden ist (§ 873 Abs. 2 BGB). Dann haben die Vertragsparteien ihre jeweiligen Leistungshandlungen unwiderruflich erbracht. Dafür macht es keinen Unterschied, ob die Auflassung, wie heute regelmäßig, zusammen mit dem Kaufvertrag oder, wie früher, später beurkundet wird. Die für den Eintritt der Bindung nach § 873 Abs. 2 BGB einzuhaltenden Förmlichkeiten, insb. die Belehrung über die Bedeutung der Auflassung durch den beurkundenden Notar, gewährleistet, "daß nicht übereilt und leichtfertig über die Rechte an Grund und Boden verfügt wird" (vgl. Motive III, S. 175; BGH, Urt. v. 25.1.1967 - V ZR 172/65, BGHZ 46, 398, 399; Urt. v. 13.7.2012 - V ZR 254/11, NJW 2012, 3372 Rz. 8). Deshalb hat der Senat für die Bestimmung des Zeitpunkts, ab dem ein Grundstückskaufvertrag formlos abänderbar ist, auf die nach § 873 Abs. 2 BGB bindend gewordene Auflassung abgestellt (vgl. Hagen in FS für Schippel, 1996, 172, 177) und mit ihr die Übereignungs- und Erwerbspflicht als erfüllt angesehen.
Rz. 14
(b) Richtig ist allerdings, dass auch mit einer bindend gewordenen Auflassung noch keine Erfüllung i.S.v. § 362 BGB eingetreten ist. Unter "Leistung" ist in dieser Vorschrift regelmäßig nicht die Leistungshandlung, sondern der Leistungserfolg zu verstehen (vgl. MünchKomm/BGB/Fetzer, 7. Aufl., § 362 Rz. 2 mit Nachweisen aus der Rspr.). Seine Eigentumsverschaffungspflicht hat der Veräußerer deshalb erst mit der Eintragung des Erwerbers in das Grundbuch erfüllt (vgl. BGH, Urt. v. 15.10.2004 - V ZR 100/04, NJW-RR 2005, 241, 242 f. [zu 2a u. c]; Urt. v. 19.10.2007 - V ZR 211/06, BGHZ 174, 61 Rz. 27).
Rz. 15
Für die Frage der Formbedürftigkeit von nachträglichen Änderungen kommt es jedoch nicht auf Erfüllung i.S.d. § 362 Abs. 1 BGB, sondern darauf an, dass die geschuldeten Leistungshandlungen unwiderruflich erbracht sind. Dazu gehört die Eintragung nicht, da sie eine behördliche Tätigkeit ist, die die Vertragsparteien aus Rechtsgründen nicht besorgen können (vgl. BGH, Urt. v. 18.6.1971 - V ZR 45/69, WM 1971, 1475, 1476; Urt. v. 15.10.2004 - V ZR 100/04, WM 2004, 2443, 2446; Urt. v. 19.10.2007 - V ZR 211/06, BGHZ 174, 61 Rz. 32, 33; Urt. v. 19.1.2018 - V ZR 273/16, juris Rz. 17). Mit der bindend gewordenen Auflassung haben Veräußerer und Erwerber deshalb alles getan, quasi einen Automatismus in Gang gesetzt, um den Eigentumswechsel zur Eintragung zu bringen. Das rechtfertigt es nach Auffassung des Senats, den Schutzzweck des § 311b Abs. 1 Satz 1 BGB als erreicht anzusehen und weitere Vereinbarungen der Parteien, sofern durch sie nicht Erwerbs- oder Veräußerungspflichten geändert oder neu begründet werden, von der Beurkundungspflicht auszunehmen.
Rz. 16
(3) Unterlägen Vereinbarungen nach bindend gewordener Auflassung der Form des § 311b Abs. 1 Satz 1 BGB, wäre dies zudem der Klarheit und Rechtssicherheit im Rechtsverkehr abträglich.
Rz. 17
(a) Ein Formmangel bei nachträglichen Änderungen eines Grundstückskaufvertrags führt im Zweifel (§ 139 BGB) zur Nichtigkeit des Vertrages mit allen Nebenabreden (§ 125 BGB). Die Vermutung, dass sich die Nichtigkeit auf den gesamten Vertrag erstreckt, kann zwar, was der tatrichterlichen Würdigung bedarf, durch die besonderen Umstände des Falles widerlegt sein (vgl. BGH, Urt. v. 19.11.1982 - V ZR 161/81, BGHZ 85, 315, 318; Urt. v. 11.11.1983 - V ZR 150/82, NJW 1984, 974, 975; Urt. v. 17.3.2000 - V ZR 362/98, NJW 2000, 2100, 2101). Bis zur Klärung dieser Frage bestünde aber Unsicherheit über die Wirksamkeit des schuldrechtlichen Kausalgeschäfts.
Rz. 18
(b) Der Vertrag könnte nämlich, soweit er wegen der nachträglichen Änderung insgesamt formunwirksam wäre, nicht geheilt werden. Die Formnichtigkeit des Grundstückskaufvertrags ergreift zwar nicht die mitbeurkundete Auflassung (vgl. BGH, Urt. v. 23.2.1979 - V ZR 99/77, NJW 1979, 1495, 1496 m.w.N.), und die Heilung tritt nach § 311b Abs. 1 Satz 2 BGB auch dann ein, wenn die Auflassung nicht nach den schuldrechtlich getroffenen Vereinbarungen, sondern mit ihnen zugleich beurkundet wird (vgl. BGH, Urt. v. 17.3.1978 - V ZR 217/75, NJW 1978, 1577). Diese Wirkung hat die vor formlosen Änderungen des Grundstückskaufvertrags erklärte Auflassung aber, anders als im Schrifttum teilweise vertreten wird (vgl. BeckOGK/Schreindorfer, BGB, Stand: 1.9.2018, § 311b Rz. 350; Kanzleiter in MünchKomm/BGB, 7. Aufl., § 311b Rz. 85; Staudinger/Schumacher, BGB [2018], § 311b Rz. 297; Harke, WM 2004, 357, 360; Pohlmann, Die Heilung formnichtiger Verpflichtungsgeschäfte durch Erfüllung, 141, 144), nicht, weil sie nicht in Erfüllung der formnichtigen Vereinbarungen erfolgt sein kann. Die heilende Wirkung von Auflassung und Eintragung erstreckt sich nur auf die Gesamtheit der vertraglichen Vereinbarungen, die bei der Auflassung Inhalt des Vertrages waren (vgl. BGH, Urt. v. 5.5.1972 - V ZR 63/70, NJW 1972, 1364, 1366; Urt. v. 22.12.1982 - V ZR 8/81, NJW 1983, 1543, 1545; Urt. v. 6.5.1988 - V ZR 50/87, BGHZ 104, 276, 278).
Rz. 19
(4) Die bindend gewordene Auflassung bildet auch dann eine zeitliche Zäsur, ab der nachträgliche Änderungen eines Grundstückskaufvertrags formlos möglich sind, wenn der Vollzug der Auflassung durch Anweisungen der Kaufvertragsparteien an den Notar vorübergehend gesperrt ist.
Rz. 20
(a) Um den Verkäufer davor zu schützen, dass er das Eigentum an seinem Grundstück verliert, ohne den Kaufpreis zu erhalten, wird meist eine Treuhandtätigkeit des Notars nach § 24 BNotO (vgl. BGH, Beschl. v. 26.7.2012 - V ZB 288/11, FGPrax 2012, 264 Rz. 8) vereinbart. Dem Notar wird die Anweisung erteilt (vgl. § 53 Abs. 2 BeurkG), die Eintragung des Eigentumswechsels erst zu beantragen, wenn ihm die Zahlung des Kaufpreises nachgewiesen ist (oder der Kaufpreis auf dem Notaranderkonto auszahlungsreif hinterlegt ist; Vorlagensperre) und vorher dem Käufer und dem Grundbuchamt keine Ausfertigung oder beglaubigte Abschrift der Urkunde zu erteilen, die die Auflassung enthält (Ausfertigungssperre; vgl. DNotI-Report 2016, 63, 64; Armbrüster/Preuß/Renner/Seger, Beurkundungsgesetz und Dienstordnung für Notarinnen und Notare, 7. Aufl., § 53 BeurkG Rz. 33). Ist in einem solchen Fall eine Ausfertigung zur Eintragung einer Eigentumsvormerkung erforderlich, wird das Vorleistungsrisiko des Verkäufers durch die Weisung an den Notar ausgeschaltet, zunächst nur eine auszugsweise Ausfertigung ohne die Auflassung zu erteilen (§ 49 Abs. 5 Satz 1 BeurkG) und diese zwecks Eintragung der Vormerkung einzureichen. In Betracht kommt auch, dass in der Kaufvertragsurkunde die Bewilligung der Eigentumsumschreibung noch nicht erklärt, sondern dem Notar Vollmacht erteilt wird, die Eintragungsbewilligung namens des Veräußerers zu erklären, sobald ihm die Kaufpreiszahlung nachgewiesen ist (sog. Bewilligungslösung; vgl. DNotI-Report 2016, 63, 64; Brambring in FS für Hagen, 1999, 251, 270 f.; Kanzleiter, DNotZ 1996, 242 ff.; Reithmann, ZNotP 2005, 322, 323; Weser, MittBayNot 1993, 253 ff.).
Rz. 21
(b) Solche Abreden ändern nichts daran, dass die Auflassung ohne Vorbehalt und verbindlich erklärt wird. Nur so kann sie ihren Zweck, zu dem Eigentumsübergang zu führen, erfüllen. Insbesondere stellen Veräußerer und Erwerber ihre Einigungserklärungen nicht unter eine Bedingung, was unwirksam wäre (§ 925 Abs. 2 BGB). Es handelt sich vielmehr um vollzugstechnische Abreden, die gerade deshalb erforderlich sind, weil die Auflassung bindend ist.
Rz. 22
(5) Deutlich überwiegende oder schlechthin zwingende Gründe für eine Abkehr von dieser Rechtsprechung (vgl. Beschl. v. 4.10.1982 - GSZ 1/82, BGHZ 85, 64, 66; BGH, Urt. v. 22.2.1991 - V ZR 308/89, BGHZ 113, 384, 386; Urt. v. 10.7.2015 - V ZR 229/14, ZfIR 2015, 798 Rz. 15) sind nicht gegeben. Die Praxis hat sich darauf eingerichtet. Unzuträglichkeiten in der praktischen Anwendung sind nicht bekannt geworden. An der formfreien Abänderbarkeit von Grundstückskaufverträgen nach der Auflassung ist deshalb auch im Interesse der Kontinuität der Rechtsprechung und der Rechtssicherheit festzuhalten.
Rz. 23
3. Danach haben die Parteien nachträglich formfrei wirksam den in der notariellen Urkunde vom 4.5.2011 vereinbarten Kaufpreis um 27.100,76 EUR auf 282.591,24 EUR ermäßigt. Bei der in dem Kaufvertrag vereinbarten Anweisung der Parteien an den beurkundenden Notar, eine die Auflassungserklärung enthaltende beglaubigte Abschrift oder Ausfertigung der Urkunde erst zu erteilen, wenn ihm die Zahlung des geschuldeten Kaufpreises nachgewiesen worden ist (sog. Ausfertigungssperre), handelt es sich lediglich um eine den technischen Vollzug betreffenden Abrede. Sie steht der Formfreiheit der nachträglichen Änderung des beurkundeten Kaufpreises nicht entgegen.
III.
Rz. 24
Das angefochtene Urteil kann daher keinen Bestand haben. Der Senat kann in der Sache selbst entscheiden, weil weitere Feststellungen nicht zu treffen sind und der Rechtsstreit zur Endentscheidung reif ist (§ 563 Abs. 3 ZPO). Danach ist das Berufungsurteil teilweise aufzuheben und die Berufung insgesamt zurückzuweisen.
IV.
Rz. 25
Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.
Fundstellen
Haufe-Index 12078056 |
NJW 2018, 3523 |
NJW 2018, 8 |
NWB 2018, 3438 |
DNotI-Report 2018, 149 |
MittBayNot 2019, 246 |
NZM 2018, 998 |
WM 2019, 376 |
ZfIR 2018, 789 |
DNotZ 2019, 183 |
JA 2019, 545 |
JZ 2018, 745 |
JuS 2019, 390 |
MDR 2018, 1308 |
Rpfleger 2018, 2 |
Rpfleger 2019, 9 |
ZWE 2018, 442 |
GWR 2019, 85 |
NJW-Spezial 2018, 738 |
NWB direkt 2018, 1166 |
NotBZ 2019, 38 |
RÜ 2019, 157 |
RENOpraxis 2018, 296 |
RNotZ 2019, 201 |
ZNotP 2018, 410 |
FSt 2019, 609 |
Jura 2019, 223 |
LL 2018, 816 |