Leitsatz (amtlich)

Die Grundsätze zur Behandlung eigenkapitalersetzender Gesellschafterleistungen hindern den Gesellschafter, der eine Kaution für eine Verbindlichkeit der Gesellschaft gestellt hat, nicht an der Rücknahme der Kaution, wenn infolge Nichtigkeit des zugrundeliegenden Rechtsverhältnisses eine Gesellschaftsverbindlichkeit nicht entsteht und die Kaution deshalb frei wird.

 

Tatbestand

Der Kläger ist Mitgesellschafter der C. Gaststätten Betriebs GmbH, die von den Beklagten anwaltlich vertreten und beraten wurde. Mit Wirkung vom 1. Mai 1985 pachtete die GmbH in P. auf zehn Jahre zu einem monatlichen Pachtzins von DM 32.800 Geschäftsräume, in denen ein Bordell-Betrieb mit Gaststätte eingerichtet werden sollte. Zur Sicherung etwaiger Forderungen des Verpächters aus diesem Vertragsverhältnis, die nicht durch den Wert der von der GmbH eingebrachten, bei Vertragsbeendigung in das Eigentum des Verpächters übergehenden Einrichtungen gedeckt sein würden, verpflichtete sich die GmbH in § 9 des Pachtvertrages zur Stellung einer Kaution in Höhe von DM 32.800. Die Kaution war nach Wahl der GmbH entweder durch Einzahlung dieses Betrages auf ein Sperrkonto des Verpächters oder durch Beibringung einer Bankbürgschaft in gleicher Höhe zu leisten. Nachdem der Kläger zunächst versucht hatte, sich für die Verbindlichkeit der GmbH gegenüber dem Verpächter persönlich zu verbürgen, was jedoch von diesem, der mit Kündigung des Vertrages drohte, falls die Kaution nicht vertragsgemäß erbracht werden würde, abgelehnt wurde, stellte der Kläger den Betrag dem Geschäftsführer der GmbH in bar zur Verfügung. Dies geschah mit der Maßgabe, ihn „als Hinterlegung für die … zu besorgende Bankbürgschaft …” zu verwenden. Da sich die angesprochene D. Bank jedoch weigerte, eine Bürgschaft für einen Bordell-Betrieb zu übernehmen, erteilten die Beklagten „namens” des Klägers einem Notar in B. den Auftrag, ein treuhänderisches Kautionskonto auf die Verpflichtung der GmbH gemäß § 9 des Pachtvertrages anzulegen. Diesem Auftrag kam der Notar nach Erhalt des Geldes nach, worauf der Verpächter dem Kläger die ihm bereits ausgehändigte Bürgschaftserklärung zurückgab.

In der Folgezeit kam es zu einem Rechtsstreit zwischen den Parteien des Pachtvertrages, der in erster Instanz vor dem Landgericht damit endete, daß der Verpächter auf die Klage der GmbH zur Rückgabe eines Schecks, den er zur Begleichung des Pachtzinses für den ersten Monat erhalten hatte, sowie zur Freigabe der Kaution und die GmbH auf die Widerklage des Verpächters zur Räumung des Objektes verurteilt wurde. Das Gericht vertrat die Auffassung, der Vertrag sei sittenwidrig und damit nichtig. Das Urteil wurde nach Rücknahme der Berufung der GmbH aufgrund eines außergerichtlichen Vergleichs rechtskräftig, in dem beide Parteien auf sämtliche Ansprüche aus dem Pachtvertrag sowie auf die Erstattung gerichtlicher und außergerichtlicher Kosten verzichteten. Die Beklagten haben die Kaution, an der der Verpächter keine Rechte mehr geltend macht, im Namen der GmbH zurückgefordert und den von ihnen eingenommenen Betrag mit ihren eigenen Gebührenansprüchen gegen die GmbH, die sie auf DM 58.296,15 DM beziffern, verrechnet.

Der Kläger, der im vorliegenden Rechtsstreit von den Beklagten die Auszahlung des von ihnen eingezogenen Betrages in Höhe von DM 32.800 verlangt, ist der Ansicht, die vorgenommene Verrechnung sei mangels Gegenseitigkeit unwirksam. Die Beklagten hätten die Kaution in seinem Namen hinterlegt; nachdem sie sich erledigt habe, seien sie verpflichtet, den hinterlegten Betrag an ihn herauszugeben. Die Beklagten haben ein Mandatsverhältnis zu dem Kläger und eine Verpflichtung, die Kautionssumme an ihn auszuzahlen, in Abrede gestellt. Hilfsweise haben sie mit einer Reihe von Gegenansprüchen, teils aus eigenem, teils aus abgetretenem Recht der GmbH aufgerechnet. In der Berufungsinstanz haben sie außerdem einen Teilbetrag ihrer Gebührenforderung in Höhe von DM 8.000 auf dem Wege der Widerklage gegen den Kläger geltend gemacht.

Die Klage hatte abgesehen von einem Teil des Zinsanspruchs in beiden Vorinstanzen Erfolg, die Widerklage wurde vom Berufungsgericht abgewiesen. Mit ihrer Revision wenden sich die Beklagten, nachdem der Senat mit Beschluß vom 17. Oktober 1988 die Annahme der gegen die Abweisung der Widerklage gerichteten Revision abgelehnt hat, nunmehr nur noch gegen ihre Verurteilung zur Zahlung der Klageforderung.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision bleibt ohne Erfolg.

1. Nach Ansicht des Berufungsgerichtes ist der mit der Klage geltend gemachte Zahlungsanspruch des Klägers aus dem Gesichtspunkt der nachvertraglichen Verletzung von Pflichten aus einem mit dem Kläger geschlossenen Mandatsverhältnis begründet. Das Zustandekommen dieses Mandatsverhältnisses folge daraus, daß die Beklagten den streitigen Betrag ausdrücklich namens und in Vollmacht des Klägers bei dem Notar hinterlegt hätten. Aus diesem Mandat habe sich für die Beklagten die nachvertragliche Pflicht ergeben, den Kläger von dem Verlangen der GmbH zu unterrichten, den Kautionsbetrag aus der Hinterlegung zurückzufordern. In diesem Falle hätte der Kläger diesem Verlangen widersprochen und den in seinem Namen hinterlegten Betrag selber zurückverlangt, mit der Folge, daß die Beklagten keine Gelegenheit gehabt hätten, mit ihren vermeintlichen Gebührenforderungen gegen die GmbH aufzurechnen. Aufrechenbare Gegenansprüche stünden den Beklagten nicht zu. Der Kläger sei auch nicht nach den Regeln des eigenkapitalersetzenden Gesellschafterdarlehens oder einer dem wirtschaftlich gleichstehenden Rechtshandlung gehindert, den von ihm bezahlten Kautionsbetrag zurückzuverlangen. Abgesehen davon, daß sich die Gesellschaft nicht im Konkurs befinde, habe er ihr kein Darlehen gewährt, sondern nur dabei ausgeholfen, die Kaution nach § 9 des Pachtvertrages aufzubringen. Dabei habe er seine Berechtigung an der hinterlegten Kaution nie aufgegeben. Er habe sie vielmehr der GmbH nur zeitweise zur Nutzung überlassen, ohne den die Kaution bildenden Geldbetrag als Kapitaleinlage mit dauerhafter Wirkung der GmbH zuzuführen, wie es zu einer Anwendbarkeit des § 32 a GmbHG erforderlich sei. Damit stünden auch die §§ 30, 31 GmbHG dem Rückzahlungsverlangen des Klägers nicht entgegen.

2. Die Revision nimmt die Annahme des Berufungsgerichtes, wonach zwischen dem Kläger und den Beklagten durch die Hinterlegung der Kautionssumme ein Mandatsverhältnis zustande gekommen ist, durch dessen schuldhafte Verletzung sie sich gegenüber dem Kläger in Höhe dieses Betrages schadensersatzpflichtig gemacht haben, wenn der Gegenwert der Kaution nicht der GmbH, sondern dem Kläger zustand, ebenso hin wie die Verneinung der von den Beklagten zur Aufrechnung gestellten Gegenansprüche. Sie greift die Verurteilung der Beklagten lediglich mit der Begründung an, das Berufungsgericht habe rechtsfehlerhaft verkannt, daß der Kläger nach den Grundsätzen über eigenkapitalersetzende Gesellschafterdarlehen gehindert gewesen wäre, die Kautionssumme aus der Hinterlegung zurückzuverlangen. Infolgedessen hätten die Beklagten, als sie den Betrag für die GmbH zurückgenommen und mit ihren eigenen, gegen diese gerichteten Gebührenansprüchen verrechnet hätten, weder dem Kläger gegenüber objektiv pflichtwidrig gehandelt noch ihm einen Schaden zugefügt. Mit dieser Rüge kann die Revision keinen Erfolg haben.

a) Der Revision ist allerdings zuzustimmen, daß eine Kaution, die der Gesellschafter für eine Verbindlichkeit der GmbH stellt, eine kapitalersetzende Gesellschafterleistung i.S. der Senatsrechtsprechung zu den §§ 30, 31 GmbHG sein kann. Ferner trifft es zu, daß der Umstand, daß sich die GmbH bislang nicht in Konkurs befindet, lediglich die Anwendung der gesetzlichen Regeln der §§ 32a, 32b GmbHG hindert, nicht aber diejenige der Rechtsprechungsgrundsätze zu §§ 30, 31 GmbHG, die neben §§ 32a, 32b GmbHG weiter gelten (vgl. BGHZ 90, 370, 378 u.st.). Diese Grundsätze verlangen nicht, wie das Berufungsgericht anzunehmen scheint, daß der Gesellschaft ein Geldbetrag als Kapitaleinlage mit dauerhafter Wirkung zugeführt wird. Sie setzen im Gegenteil regelmäßig voraus, daß der Gesellschafter der notleidend gewordenen Gesellschaft anstelle einer in dieser Lage benötigten Kapitaleinlage eine andere Finanzierungsleistung zukommen läßt, die er nach allgemeinen Regeln zurückziehen könnte, bevor ihr Zweck nachhaltig erreicht ist. Auch ein Darlehen, das die wohl häufigste Form einer solchen Gesellschafterhilfe in der Krise darstellt, ist seiner Natur nach gerade nicht Kapitalzuführung mit dauerhafter Wirkung, sondern Überlassung von Geldmitteln auf Zeit. Von der vorzeitigen Rückforderung ausgeschlossen sind, wie der Senat in ständiger Rechtsprechung entschieden hat, grundsätzlich alle Leistungen eines Gesellschafters an die kreditunfähige und deshalb aus eigener Kraft nicht mehr lebensfähige Gesellschaft, die wirtschaftlich eine Krediteinräumung an die Gesellschaft darstellen und in denen sich die von dem Gesellschafter für die Gesellschaft übernommene Finanzierungsverantwortung manifestiert (BGHZ 90, 381, 389; BGHZ 67, 171, 182; 81, 252, 256; Urt. v. 19. November 1984 – II ZR 84/84, WM 1985, 115; v. 25. November 1985 – II ZR 93/85, WM 1986, 447, 449; v. 9. Oktober 1986 – II ZR 58/86, WM 1986, 1554; v. 12. Januar 1987 – II ZR 63/86, WM 1987, 284; v. 28. September 1987 – II ZR 28/87, WM 1987, 1488). Dazu können unter den genannten Voraussetzungen auch Bürgschaften sowie sämtliche anderen Sicherungen gehören, die der Gesellschafter Dritten für eine Verbindlichkeit der Gesellschaft stellt. Für eine Kaution, die der Gesellschafter zugunsten eines Gesellschaftsgläubigers hinterlegt, kann insofern nichts anderes gelten, wenn die Gesellschaft die dazu erforderlichen Mittel nicht mehr selber aufbringen kann und auch nicht mehr über den Kredit verfügt, der nötig wäre, um sich den Gegenwert von dritter Seite zu verschaffen. Dies folgt nicht nur aus der Funktionsähnlichkeit der Hinterlegung einer Kaution mit der Stellung einer Bürgschaft oder anderen Sicherungen für eine Gesellschaftsschuld im besonderen, sondern schon ganz allgemein daraus, daß es für die Rückforderbarkeit keinen Unterschied machen kann, ob der Gesellschafter die Kaution unmittelbar aus eigenen Mitteln leistet oder ob die Gesellschaft die Kaution aus Mitteln aufbringt, die der Gesellschafter ihr zuvor zu diesem Zweck darlehensweise zur Verfügung gestellt hat oder die sie sich bei dritten Kreditgebern gegen Stellung einer Sicherheit seitens ihres Gesellschafters verschafft hat: Der wirtschaftliche Vorgang ist in allen Fällen derjenige einer Krediteinräumung durch den Gesellschafter an die Gesellschaft. Nach dem Vortrag der Beklagten, dessen Richtigkeit für die Revisionsinstanz zu unterstellen ist, war die GmbH schon im Zeitpunkt der Hinterlegung der Kaution überschuldet und zahlungsunfähig und deshalb nicht mehr in der Lage, den dafür benötigten Betrag aus eigenen Mitteln aufzubringen oder sich von dritter Seite zu verschaffen. Da der Kläger der GmbH daher, hätte er die Kaution nicht selber hinterlegt, die entsprechenden Mittel als zusätzliches Eigenkapital hätte zuführen müssen, um sie in die Lage zu versetzen, die Kaution zu stellen und ihre wirtschaftliche Betätigung fortzusetzen, ersetzte die Kaution fehlendes Eigenkapital der GmbH, mit der Folge, daß der Kläger gegenüber der GmbH nicht berechtigt gewesen wäre, die Kaution vor Beendigung der Laufzeit des Pachtvertrages zurückzuziehen. Im Falle der Inanspruchnahme der Kaution durch den Verpächter hätte er bei der GmbH bis zu einer nachhaltigen Wiederherstellung ihrer wirtschaftlichen Gesundheit keinen Rückgriff nehmen können. Die Rechtslage war damit im Grundsatz nicht anders, als wenn der Kläger – wie anfänglich auch tatsächlich geplant – eine Bürgschaft für die Erfüllung der Verpflichtungen der GmbH aus dem Pachtvertrag übernommen hätte.

b) Die Revision verkennt jedoch, daß die Feststellung, auch eine Kaution könne eigenkapitalersetzenden Charakter haben, noch keine zwangsläufige Entscheidung darüber enthält, wem ihr Gegenwert zusteht, wenn sich herausstellt, daß die Gesellschaftsverbindlichkeit, die durch sie gesichert werden sollte, nicht besteht. Schon die enge Zweckbestimmung der Kaution spricht dafür, daß sie in diesem Falle dem Gesellschafter und nicht der Gesellschaft zusteht. Ihr Zweck ist nicht allgemein die Sanierung der Gesellschaft, sondern die Sicherung einer genau bestimmten einzelnen Gesellschaftsverbindlichkeit. Steht es fest, daß diese oder eine andere, ersatzweise an ihre Stelle tretende Verbindlichkeit nicht entstehen kann, weil das ihr zugrundeliegende Geschäft nicht zustandegekommen oder unwirksam ist, und wird die Kaution deshalb frei, so muß der mit ihrer Hingabe verfolgte Zweck als erledigt gelten. In diesem Fall besteht, wie auch bei anderen Sicherungen, keine hinreichende Rechtfertigung, das Gesellschaftsvermögen zugunsten der übrigen Gesellschaftsgläubiger um den Gegenwert einer Sicherheit zu mehren, die ihnen zu keinem Zeitpunkt zur Befriedigung ihrer gegen die Gesellschaft gerichteten Ansprüche zur Verfügung gestanden hätte. Die Situation ist beim Freiwerden einer Sicherung infolge Nichtentstehens der gesicherten Forderung eine grundlegend andere als bei Inanspruchnahme der Sicherheit oder Geltendmachung der gesicherten Forderung durch den Gesellschaftsgläubiger. Bei Inanspruchnahme der Sicherung bleibt dem Gesellschafter ein ihm nach allgemeinen Regeln (vgl. §§ 774 Abs. 1, 1143 Abs. 1, 1225 BGB, nach Auftrags- oder ggf. auch nach Bereicherungsrecht) gegen die Gesellschaft zustehender Regreßanspruch versagt; bei Geltendmachung der Forderung ist der Gesellschafter verpflichtet, der Gesellschaft die von ihr an den Gläubiger erbrachte Leistung zu erstatten (vgl. BGHZ 81, 252, 259ff; Urt. v. 25. November 1985 – II ZR 93/85, WM 1986, 447, 449; Urt. v. 29. September 1987 – II ZR 28/87, WM 1987, 1488, 1489). Im einen wie im anderen Fall geht es darum, im Interesse der übrigen Gläubiger einen Abfluß von Gesellschaftsmitteln zu verhindern. Der Gesellschafter hat durch die Stellung der Sicherheit eine Fortsetzung des Gesellschaftsbetriebes der GmbH mit der Folge des Entstehens einer weiteren Verbindlichkeit ermöglicht. Die übrigen Gläubiger müssen deshalb im Umfang der kapitalersetzenden Leistung des Gesellschafters vor der Konkurrenz mit der gesicherten Forderung geschützt werden. Aus diesem Grunde ist das Risiko der Geltendmachung dieser Forderung, gleichgültig, ob der Gläubiger aus der Forderung oder der Sicherheit vorgeht, bis zur Höhe der Gesellschaftersicherheit von dem Gesellschafter und nicht der Gesellschaft und damit der Gesamtheit der übrigen Gläubiger zu tragen (vgl. etwa Scholz/K. Schmidt, GmbHG 7. Aufl. §§ 32a, 32b Rdnr. 98/130; Roth, GmbHG 2. Aufl. § 32a Anm. 4.2). Bei Nichtentstehung des gesicherten Anspruchs ist der Zweck der kapitalersetzenden Leistung dagegen definitiv verfehlt, sobald dieser Tatbestand endgültig feststeht, ohne daß das Gesellschaftsvermögen, das zur Befriedigung der Gläubiger zur Verfügung stehen muß, dadurch berührt wird. Da in diesem Fall ein Mittelabfluß, der die Befriedigungschancen der übrigen Gläubiger mindern könnte, nicht stattfinden kann, besteht kein Grund, den Gegenwert der von dem Gesellschafter gestellten Sicherung in das Gesellschaftsvermögen fallen zu lassen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 649126

NJW 1989, 1733

ZIP 1989, 161

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