Verfahrensgang
LG Bochum (Urteil vom 06.06.2019; Aktenzeichen 35 Js 99/16 II 10 KLs 5/18) |
Tenor
Die Revision der Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Bochum vom 6. Juni 2019 wird als unbegründet verworfen.
Die Beschwerdeführerin hat die Kosten des Rechtsmittels zu tragen.
Gründe
Rz. 1
Das Landgericht hat die Angeklagte wegen Betruges in 60 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von drei Jahren und zwei Monaten verurteilt. Ihre hiergegen eingelegte Revision bleibt ohne Erfolg.
Rz. 2
Eine Überprüfung des Urteils aufgrund der Revisionsrechtfertigung hat keinen die Angeklagte beschwerenden Rechtsfehler ergeben. Der Erörterung bedarf lediglich das Folgende:
Rz. 3
1. Die Strafkammer hat auch in den den Patienten S. betreffenden Fällen den Betrugsschaden zutreffend bestimmt.
Rz. 4
a) Die Angeklagte betrieb einen Pflegedienst. Dieser betreute unter anderem auch den gegenüber dem Land Nordrhein-Westfalen beihilfeberechtigten und bei der Krankenkasse D. privat versicherten Patienten S.. Dieser litt an einer fortgeschrittenen multiplen Sklerose mit Atemschwäche und wurde zu Hause mit einem Tracheostoma und einer PEG-Sonde versorgt. Mit der Krankenkasse D. war ausweislich einer entsprechenden Kostenzusage vom 25. Februar 2015 vereinbart, dass die Erstattung der Behandlungskosten nur erfolgen sollte, wenn fachlich qualifiziertes Personal entsprechend den Vorgaben der gesetzlichen Krankenversicherung eingesetzt wird. Im Widerspruch hierzu setzte die Angeklagte bei der häuslichen Versorgung des Patienten S. nicht nur dessen Ehefrau, eine Betriebswirtin, die allein zu diesem Zweck bei ihr angestellt worden war, sondern auch Mitarbeiter ihres Pflegedienstes ohne ausreichende Qualifikation (unter anderem einen gelernten Bäcker) ein. Dazu hatte sie die Anweisung ausgegeben, dass in Notfällen die ortsabwesende Mitangeklagte anzurufen sei. Dies hatte zur Folge, dass in jederzeit möglichen Notfallsituationen, in denen eine Beatmung des Patienten notwendig geworden wäre, eine hinreichende Versorgung nicht sichergestellt war. Bei den Abrechnungen gegenüber der D.-Versicherung und der Beihilfestelle spiegelte die Ehefrau des Patienten S. – als dessen Vertreterin – im Einvernehmen mit der Angeklagten jeweils unter Vorlage manipulierter Leistungsnachweise den Einsatz ausreichend qualifizierten Personals vor. Die entsprechend irrenden Mitarbeiter der Krankenkasse und der Beihilfestelle brachten die Erstattungsbeträge zur Auszahlung. Das Landgericht hat angenommen, dass der D. und dem beihilfepflichtigen Land Nordrhein-Westfalen jeweils ein Schaden in Höhe der erstatteten Beträge entstanden ist, die über die Grundpflege hinausgingen.
Rz. 5
b) Diese Schadensberechnung ist nicht zu beanstanden.
Rz. 6
aa) Die D. war ausweislich der erteilten Kostenzusage ihrem Versicherungsnehmer S. gegenüber nur zur Übernahme derjenigen Kosten für die häusliche Pflege vertraglich verpflichtet, die durch besonders qualifizierte Pflegekräfte erbracht worden waren. Diese Voraussetzungen waren nicht erfüllt. Sie ist daher durch ihre Zahlungen nicht von einem bestehenden Anspruch frei geworden. Darüber hinaus stellten die von dem Pflegedienst der Angeklagten erbrachten Leistungen aufgrund der eklatanten Minderqualifikation des eingesetzten Personals auch bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise eine vollständig wertlose Leistung dar. Denn eine hinreichende Versorgung konnte bei dem tracheostomierten Patienten S. nur erfolgen, wenn die eingesetzten Mitarbeiter über eine entsprechende Zusatzausbildung verfügten (vgl. dazu BGH, Beschluss vom 16. Juni 2014 – 4 StR 21/14, NJW 2014, 3170 Rn. 31 mwN [zur gesetzlichen Kranken- und Pflegeversicherung]).
Rz. 7
bb) Das Landesamt für Besoldung und Versorgung Nordrhein-Westfalen zahlte die Beihilfe an den Patienten S. aus, obwohl diesem nach der Verordnung über Beihilfen in Geburts-, Krankheits-, Pflege- und Todesfällen des Landes Nordrhein-Westfalen vom 5. November 2009 in der jeweils gültigen Fassung (Beihilfeverordnung NRW – BVO NRW) kein Beihilfeanspruch zustand. Denn nach § 5a Abs. 1 Satz 2 BVO NRW i.V.m. § 36 Abs. 4 Satz 2 Alt. 2 SGB XI ist auch insoweit der Einsatz geeigneter Pflegekräfte erforderlich, wobei dem mit der privaten Krankenversicherung abgeschlossenen Versorgungsvertrag eine maßgebende Bedeutung zukommt.
Rz. 8
2. Die Annahme von zwei tatmehrheitlich begangenen Betrugstaten bezogen auf eine Rechnung des Pflegedienstes mit Blick auf die Schädigung der Krankenversicherung D. einerseits und des Landes Nordrhein-Westfalen andererseits in den den Patienten S. betreffenden Fällen ist rechtlich bedenklich. Denn die Angeklagte erstellte selbst jeweils nur eine falsche Abrechnung, die dann von ihrer Mittäterin an die beiden Geschädigten weitergeleitet wurde. Für die Beurteilung der Konkurrenzen kommt es jedoch allein auf den von der Angeklagten erbrachten individuellen Tatbeitrag an (vgl. BGH, Beschluss vom 4. Juli 2017 – 4 StR 566/16, NStZ-RR 2017, 306 mwN). Der Senat kann aber mit Sicherheit ausschließen, dass die Angeklagte hierdurch beschwert ist. Eine Änderung des Konkurrenzverhältnisses lässt in aller Regel – so auch hier – den Unrechts- und Schuldgehalt unberührt (vgl. BVerfG, Beschluss vom 1. März 2004 – 2 BvR 2251/03; BGH, Urteil vom 5. April 2017 – 2 StR 40/16, wistra 2017, 405; Urteil vom 13. Januar 2006 – 2 StR 461/05; jeweils mwN).
Unterschriften
Sost-Scheible, Bender, Quentin, Lutz, Maatsch
Fundstellen
Dokument-Index HI14223225 |