Entscheidungsstichwort (Thema)
Bewertung, Vermögen-, Erbschaft-, Schenkungsteuer, Einkommensteuer, Lohnsteuer, Kirchensteuer
Leitsatz (amtlich)
Zur Frage des wirtschaftlichen Zusammenhangs von Schuldzinsen beim Vorhandensein von zwei dem gleichen Eigentümer gehörigen Einfamilienhäusern.
Normenkette
EinfHausVO 2/2
Tatbestand
Der Steuerpflichtige (Stpfl.) ist Eigentümer eines Einfamilienhauses - im folgenden kurz altes Haus genannt -, das im Jahre 1946 von der Besatzungsmacht beschlagnahmt wurde. Der größte Teil des zu dem Haus gehörigen Gartens blieb weiterhin zu seiner Verfügung. In diesem durch den Drahtzaun abgetrennten Gartengelände errichtete der Stpfl. im Jahre 1949 ein kleines Wohnhaus, bestehend aus zwei Zimmern und Nebengelaß - im folgenden kurz neues Haus genannt -. Er beschaffte sich die für den Bau erforderlichen Geldmittel durch Aufnahme einer Hypothek in Höhe von 15.000 DM auf den gesamten Besitz.
Das Finanzamt hat im Jahre 1952 eine Wertfortschreibung vorgenommen, und zwar auf den 1. Januar 1951 für das alte Haus und auf den 1. Januar 1950 für das neue Haus, da dieses als selbständige wirtschaftliche Einheit zu bewerten sei.
Bei der Berechnung des Einkommens 1950 hat das Finanzamt die in der Einkommensteuererklärung mit 975 DM ausgewiesenen Hypothekenzinsen nur mit 567 DM anerkannt, und zwar in Höhe des Nutzungswerts des neuen Hauses. Der Stpfl. beansprucht den Abzug der gesamten Hypothekenzinsen mit der Begründung, daß es sich um eine Schuld handele, welche das alte Haus belaste.
Das Finanzgericht hat dem Begehren des Stpfl. stattgegeben. Es hat sich seiner Auffassung angeschlossen, daß ein wirtschaftlicher Zusammenhang zwischen der Schuldaufnahme und dem alten Haus bestehe. Nach der Rechtsprechung des Reichsfinanzhofs sei ein wirtschaftlicher Zusammenhang zwischen einer Schuld und einem Grundstück dann gegeben, wenn die Entstehung der Schuld ursächlich und unmittelbar auf Vorgänge zurückzuführen ist, die das belastete Grundstück betreffen. Diese Voraussetzungen lägen im Streitfall vor, da der Stpfl. infolge der Beschlagnahme des alten Hauses genötigt gewesen sei, sich eine andere Wohnung zu beschaffen. Er habe dies durch Errichtung des neuen Hauses erreicht. Damit sei der wirtschaftliche Zusammenhang hergestellt. Der Bau des neuen Hauses könne im Verhältnis zu dem Gesamtbesitz nicht anders angesehen werden, als ob der Stpfl. auf dem alten Haus ein Stockwerk aufgebaut hätte. Wenn infolge der Zwangslage (Inanspruchnahme des alten Hauses durch die Besatzungsmacht) auf dem Grundstück ein neues Haus errichtet worden sei, so müsse wirtschaftlich ein Einfamilienhaus angenommen werden, solange die Zwangslage anhalte.
Entscheidungsgründe
Die Rechtsbeschwerde des Vorstehers des Finanzamts ist begründet.
Die Bemessung der Nutzungswerte des alten Hauses und des neuen Hauses erfolgte nach der Verordnung über die Bemessung des Nutzungswerts der Wohnung im eigenen Einfamilienhaus vom 26. Januar 1937 (Reichsgesetzblatt - RGBl. - I S. 99). Nach § 2 Abs. 2 dieser Verordnung können vom Grundbetrag bis zu seiner Höhe die Schuldzinsen abgesetzt werden, die mit der Nutzung des Grundstücks zu Wohnzwecken in wirtschaftlichem Zusammenhang stehen.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Reichsfinanzhofs (vgl. insbesondere die Urteile I A 429/27 vom 6. Dezember 1927, Steuer und Wirtschaft 1928 Nr. 169, sowie I A b 755/28 vom 19. April 1929, Reichssteuerblatt - RStBl. - 1929 S. 362) ist ein wirtschaftlicher Zusammenhang zwischen einer Schuld und dem belasteten Vermögensgegenstand dann gegeben, wenn die Entstehung der Schuld ursächlich und unmittelbar auf Vorgänge zurückzuführen ist, die den belasteten Gegenstand betreffen. Das Urteil vom 19. April 1929 erläutert diese Begriffsbestimmung dahin, daß die Schuld als solche für die Zwecke des belasteten Grundstücks (z. B. dessen Anschaffung oder Verbesserung) aufgenommen sein muß. Aus diesem Urteil geht weiterhin hervor, daß es auf den rechtlichen Zusammenhang nicht ankommt, und daß die Eintragung einer Hypothek in das Grundbuch allein noch keinen wirtschaftlichen Zusammenhang begründet. Wird z. B. eine Hypothek aufgenommen, um eine Aussteuer zu finanzieren, so ist ein wirtschaftlicher Zusammenhang zwischen Hypothek und Grundstück nicht gegeben. Dieser Rechtsprechung des Reichsfinanzhofs hat sich der Bundesfinanzhof in dem Urteil IV 215/50 U vom 14. November 1951 (Slg. Bd. 55 S. 581, Bundessteuerblatt - BStBl. - 1951 III S. 235) angeschlossen. Dieses Urteil hat mit besonderer Betonung herausgestellt, daß ein besonderer wirtschaftlicher Zusammenhang bestehen muß, und daß dieser nur gegeben ist, wenn die durch Hypotheken gesicherte Schuld für die Zwecke des belasteten Grundstücks aufgenommen ist, insbesondere für den Erwerb, die Verbesserung oder Bebauung eines Grundstücks. Hätte also der Stpfl. das alte Haus mit einer Hypothek belastet, um ein Stockwerk aufzusetzen, so kann kein Zweifel bestehen, daß die durch die Hypothek gesicherte Schuld in wirtschaftlichem Zusammenhang mit dem Grundstück stehen würde. Im Streitfall hat dagegen der Stpfl. die durch die Hypothek auf dem alten Haus gesicherte Schuld nicht für Zwecke dieses Hauses, sondern für den Neubau eines anderen Hauses aufgenommen. Die Beschlagnahme des alten Hauses durch die Besatzungsmacht ist lediglich der Anlaß für den Bau des neuen Hauses, sie stellt aber keinen Zusammenhang zwischen der ausschließlich für den Neubau aufgenommenen Schuld und dem alten Haus dar. Daß die Hypothek rechtlich auf beiden Grundstücken ruht, ist nach der oben dargestellten Rechtsprechung kein Merkmal eines wirtschaftlichen Zusammenhangs.
Der Einwand des Stpfl., daß beide Grundstücke nur eine wirtschaftliche Einheit darstellen, geht fehl. Wäre diese Behauptung zutreffend, dann läge gar kein Einfamilienhaus vor; denn die Voraussetzung für den Begriff des Einfamilienhauses (Vorhandensein von nur einer Wohnung) wäre nicht erfüllt. Tatsächlich sind aber bei der Einheitsbewertung zwei wirtschaftliche Einheiten des Grundvermögens angenommen worden. Die Belastung von zwei Einfamilienhäusern mit einer Hypothek schließt nicht aus, daß die Schuld nur für die Zwecke des einen Einfamilienhauses aufgenommen worden ist. Nur mit diesem steht sie im Sinne von § 2 Abs. 2 der Verordnung vom 26. Januar 1937 in wirtschaftlichem Zusammenhang.
Hiernach waren die Vorentscheidung und die Einspruchsentscheidung des Finanzamts vom 13. November 1952 aufzuheben und der Einspruch des Stpfl. gegen seine Einkommensteuerveranlagung 1950 als unbegründet zurückzuweisen.
Fundstellen
Haufe-Index 423987 |
BStBl III 1955, 42 |
BFHE 1955, 107 |
BFHE 60, 107 |