Entscheidungsstichwort (Thema)
Körperschaftsteuer
Leitsatz (amtlich)
Zu den Berufsverbänden im Sinne des § 4 Abs. 1 Ziff. 8 KStG 1948 und KStG 1949 gehören auch Wirtschaftsverbände, deren Zweck und tatsächliche Betätigung auf die Wahrnehmung der allgemeinen ideellen und wirtschaftlichen Interessen des Berufs- (Wirtschafts-) zweiges gerichtet sind.
Ein Berufsverband (Wirtschaftsverband) verliert die Steuerfreiheit nach § 4 Abs. 1 Ziff. 8 KStG, wenn der Verband in nicht unbeachtlichem Masse Geschäfte im Interesse der einzelnen Mitglieder tätigt, die zur regelmäßigen Tätigkeit eines gewerblichen Unternehmens gehören. Die Beachtlichkeit derartiger Geschäfte ist nach deren Bedeutung im Rahmen der Tätigkeit des Verbandes innerhalb des Veranlagungszeitraums zu würdigen.
Normenkette
KStG § 1 Abs. 1 Ziff. 5, § 1/2, § 4 Abs. 1 Nr. 8; KStDV § 13
Tatbestand
Die Fachvereinigung für die .. industrie in der britischen Zone war ein Zusammenschluß der Betriebe dieser Industrie. Die Gründung erfolgte auf einer Versammlung im Frühjahr 1946. Zweck war nach einem Rundschreiben, die Mitglieder über behördliche Anordnungen und auftauchende Fragen auf dem laufenden zu halten, sowie sie zu beraten und ihre Belange bei den Behörden zu vertreten. Eine Satzung ist nicht errichtet. Seit Ende 1949 ist die Vereinigung wegen der Gründung einer Gesamtvereinigung für die Bundesrepublik aufgelöst. Im August 1948 bezog die Vereinigung von einer staatlichen Stelle (im folgenden: EGE genannt) einen großen Posten Rohware. Sie nahm hierzu einen Bankkredit von mehreren 100 000 DM auf. Die Rohware wurde veredelt, anschließend an die Mitglieder der Vereinigung sowie an gleichartige Firmen der amerikanischen Zone und von Berlin abgegeben. Der überschuß aus dem Geschäft wurde vom Finanzamt zur Körperschaftsteuer herangezogen. Außerdem wurde für II/1948 und 1949 die Abgabe "Notopfer Berlin" festgesetzt. Das Finanzamt hat seinen Standpunkt aus dem Zweck und dem tatsächlichen Verhalten der Vereinigung hergeleitet. In Ermangelung einer Satzung könne der Zweck nur aus den eigenen Darlegungen entnommen werden. Hiernach stelle die Vereinigung eine "Interessenwahrung der angeschlossenen Mitglieder (Beratung und Betreuung)" dar und betrachte als ihre Aufgabe "die Wahrnehmung der Interessen auf wirtschaftlichem und sozialpolitischem Gebiet". Ideelle und berufsständische Interessen würden nicht erwähnt. Die Vereinigung habe demnach überwiegend die geschäftlichen Mitgliederinteressen vertreten. Dadurch entfalle bereits nach dem Zweck die Steuerbefreiung nach § 4 Abs. 1 Ziff. 8 des Körperschaftsteuergesetzes (KStG). In ihrer tatsächlichen Geschäftsführung, die in der anhaltenden wirtschaftlichen Betreuung und Beratung der Mitglieder bestanden habe, seien Unkosten entstanden, die durch Mitgliederumlagen gedeckt wurden. Hierin liege ein Leistungsaustausch und damit ein steuerpflichtiger wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb. Vor allem sei das EGE-Geschäft Merkmal für die Versagung der Steuerfreiheit. Der Ankauf in getrennten Lieferungen, der Auftrag zur Veredelung der Rohwaren durch einen Dritten, die Veräußerung der veredelten Waren mit Aufschlag an Mitglieder und Nichtmitglieder stellten eine planmäßige wirtschaftliche Tätigkeit zur Erzielung von Einnahmen mit Gewinnabsicht dar.
Die Fachvereinigung bestreitet ihre persönliche und sachliche Steuerpflicht. Es liege keine Ausrichtung des Zweckes auf einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb vor. Die Gründung von Wirtschaftsverbänden zur Vertretung der berufsständischen Interessen, namentlich gegenüber den Behörden, sei infolge der Wirtschaftslage der Nachkriegszeit für die Industrie notwendig gewesen. Zweck und Tätigkeit dieser Wirtschaftsverbände beständen in der Stellungnahme zu gesetzgeberischen Plänen, Prüfung der Auswirkung von Gesetzen und Verordnungen auf den Geschäftszweig und Erläuterung den Mitgliedern gegenüber, ferner in der Pflege des Verkehrs mit den Behörden. Gegen diesen alleinigen maßgeblichen Zweck sei von der Vereinigung nicht verstoßen. Bei dem EGE-Geschäft handle es sich um eine einmalige außerordentliche Tätigkeit. Im Rahmen der Vertretung der allgemeinen Mitgliederinteressen habe es gelegen, daß die Vereinigung in einer Zeit schwierigster Rohstoffbeschaffung auf die ihr bekanntgewordene Einkaufsmöglichkeit hingewiesen habe. Sie habe damit die Verbindung ihrer sämtlichen Mitglieder zu einer staatlichen Organisation hergestellt. Damit sei normalerweise die Tätigkeit der Fachvereinigung beendet gewesen. Wegen der Größe des Warenpostens und des erheblichen Kapitalbedarfs sei der Ankauf durch einen oder mehrere Einzelbetriebe unmöglich gewesen. Die Verkäuferin habe nur den Gesamtposten abgeben wollen. Infolgedessen habe sich die Fachvereinigung bereitfinden müssen, den Bankkredit zu verschaffen, den ein Einzelbetrieb nicht erhalten hätte. Alle Mitglieder seien zur Teilnahme aufgefordert worden. Weil die Vereinigung die Interessen des gesamten Berufsstandes habe wahrnehmen wollen, seien von ihr auch die Betriebe der amerikanischen Zone und von Berlin in Kenntnis gesetzt worden. Die Veredelung habe ebenfalls von ihr besorgt werden müssen, da sie eine Kostenfrage gewesen sei. Die veredelte Ware sei dann an die Abnehmer gegen Zahlung von Kaufpreis, Veredelungslohn und Vorschuß auf die der Höhe nach nicht feststehenden Kosten abgegeben worden. Das Gesamtbild ergebe einen einheitlichen Auftrag, der eine Geschäftsbesorgung zum Gegenstand habe. Nachhaltigkeit wie Wiederholungsabsicht fehlten. Es mangle ihr auch an den notwendigen Büroeinrichtungen und dem Personal für derartige Tätigkeiten. Einnahmen seien nicht erzielt worden. Auf die zu erwartenden Unkosten seien Vorschüsse genommen worden. Nur durch die überschätzung der Vorschüsse sei zunächst ein überschuß verblieben, der an jeden Abnehmer später anteilig zurückerstattet sei.
Das Finanzamt hat die nachträgliche Rückzahlung als Gewinnverwendung bezeichnet. Auf die Berufung hat das Finanzgericht die Fachvereinigung von der Körperschaftsteuer und der Abgabe "Notopfer Berlin" freigestellt. Es hat die Vereinigung als steuerfreien Berufsverband im Sinne des § 4 Abs. 1 Ziff. 8 KStG anerkannt; ein wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb sei nicht gegeben, weil das EGE-Geschäft einmalig gewesen sei und mangels einer Wiederholungsabsicht die Nachhaltigkeit der Geschäftsausübung nicht vorliege.
Der Finanzamtsvorsteher macht mit der Rechtsbeschwerde (Rb.) geltend, daß bereits in der Interessenwahrung der Mitglieder durch Beratung und Betreuung, insbesondere aber in dem EGE-Geschäft ein wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb gegeben sei. Der Begriff der Nachhaltigkeit sei vom Finanzgericht verkannt.
Entscheidungsgründe
Die Rb. ist begründet.
Das Finanzgericht ist zutreffend davon ausgegangen, daß die Fachvereinigung als nichtrechtsfähiger Verein grundsätzlich der unbeschränkten Körperschaftsteuerpflicht nach § 1 Abs. 1 Ziff. 5 KStG unterliegt. Dem Finanzgericht wird auch zugestimmt, wenn es die Vorschrift des § 13 der Körperschaftsteuer-Durchführungsverordnung (KStDV) 1949 bereits auf II/1948 angewendet hat, wonach zu den von der Körperschaftsteuer befreiten Berufsverbänden im Sinne des § 4 Abs. 1 Ziff. 8 KStG auch "andere Berufsverbände (z. B. Wirtschaftsverbände ...)" gehören können, wenn ihr Zweck nicht auf einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb gerichtet ist.
Die Steuerfreiheit für Berufsverbände ist durch den Anhang zum Gesetz Nr. 64 zur vorläufigen Neuordnung von Steuern vom 22. Juni 1948 Art. II Ziff. 1 zu c als Ziff. 8 des § 4 Abs. 1 KStG wieder eingeführt. Die Vorschrift lautet: "Von der Körperschaftsteuer sind befreit ... 8. Berufsverbände ohne öffentlich-rechtlichen Charakter, deren Zweck nicht auf einen wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb gerichtet ist". Sie stimmt wörtlich mit § 9 Abs. 1 Nr. 8 KStG 1925 überein. Es liegt nahe, bei der Auslegung der neuen Vorschrift auf die Rechtsprechung des Reichsfinanzhofs zum Körperschaftsteuergesetz 1925 zurückzugreifen. Der Reichsfinanzhof hat auf Grund der Entstehungsgeschichte des § 9 Abs. 1 Nr. 8 KStG 1925 das Vorliegen eines Berufsverbandes nur anerkannt, wenn sich der Verband grundsätzlich auf die Wahrnehmung der allgemeinen, der sogenannten ideellen Berufsinteressen der Verbandsmitglieder beschränkt hat oder wenn die Wahrung dieser allgemeinen Interessen mindestens im Vordergrund der Verbandstätigkeit gestanden ist; er hat die Eigenschaft als Berufsverband stets versagt, wenn die Förderung des Erwerbs der Einzelmitglieder oder ihrer sonstigen wirtschaftlichen Belange eine nicht ganz untergeordnete Rolle spielte (Entscheidungen des Reichsfinanzhofs I A 116/32 vom 14. Februar 1933, Reichssteuerblatt - RStBl. - 1933 S. 680; I A 111/32, I A 234/32, I A 42/33 vom 13. Juni 1933, RStBl. 1933 S. 681 bis 683; I A 252/32 vom 10. Oktober 1933, RStBl. 1933 S. 1288; I A 130/33 vom 7. November 1933, RStBl. 1933 S. 1289; I A 122/33 vom 21. November 1933, RStBl. 1933 S. 1291; ebenso III A 683/31 vom 13. Oktober 1932, Slg. Bd. 32 S. 46, RStBl. 1932 S. 1061, sowie zahlreiche andere, vgl. auch Erlaß des Reichsministers der Finanzen vom 20. Dezember 1933 S. 2508 - 44/III, RStBl. 1933 S. 1329). Nach dieser Rechtsprechung wurden Wirtschaftsverbände regelmäßig der Steuervergünstigung nicht teilhaftig, da deren Tätigkeit vorwiegend der Wahrung wirtschaftlicher Interessen der Mitglieder diente. An dieser Rechtsprechung kann aber im vollen Umfang nicht mehr festgehalten werden. Die Entwicklung der Verhältnisse hat gezeigt, daß die allgemeinen wirtschaftlichen Interessen eines Berufsstandes (Berufszweiges) oder eines Industriezweiges nur Aussicht auf Verwirklichung haben, wenn sie gegenüber der Regierung, den gesetzgebenden Faktoren, den Behörden usw. durch eine gemeinsame einheitliche Vertretung geltend gemacht werden. Die Angehörigen des Berufs- oder Wirtschaftszweiges erwarten von ihrem Verband die Förderung ihrer wirtschaftlichen Belange, soweit diese die Gesamtheit ihrer Mitglieder als Angehörige des Erwerbszweiges grundlegend angehen. Gewerkschaftsmitglieder sehen es als Aufgabe ihres Verbandes an, für die Verbesserung der Entlohnung, der Arbeits- und Urlaubsbedingungen usw. der Gesamtheit ihrer Mitglieder einzutreten; Handwerks- oder Industrieunternehmer verlangen von ihrer Organisation einen wirksamen Einsatz für ihre wirtschaftlichen Interessen gegenüber gesetzgebenden Körperschaften, Behörden usw. Die Steuerbefreiung findet ihre allgemeine volkswirtschaftliche Berechtigung in der Erwägung, daß die Vereinigungen von Berufsangehörigen oder Angehörigen eines Wirtschaftszweiges wie öffentlich-rechtliche berufsständische Vertretungen, z. B. die Handelskammern, Innungen usw., die Interessen ihrer Berufsangehörigen wahrnehmen und daher in öffentlichem Interesse tätig sind. Dieser gesetzespolitische Gedanke zeigt auch die Grenzen auf, die dem Wesen und der Tätigkeit einer Vereinigung gesetzt sind, wenn die Eigenschaft eines Berufsverbandes (Wirtschaftsverbandes) anerkannt werden soll. Mit diesen Erwägungen verträgt sich die Wahrnehmung nur der allgemeinen wirtschaftlichen, allen Angehörigen des Berufs- oder Wirtschaftszweiges eigentümlichen Interessen, dagegen nicht die Wahrnehmung der besonderen geschäftlichen Belange der einzelnen Mitglieder, auch wenn die Betriebe sämtlicher Mitglieder an derartigen Geschäften interessiert sind. So kann die Vereinigung sich ohne Gefährdung der Steuerbefreiung für die Beschaffung betriebsnotwendiger Rohstoffe allgemein einsetzen und Gelegenheiten dazu nachgehen, aber die Durchführung des Bezugs ist ihr verwehrt. Durch die Einschaltung einer Berufsvereinigung in Geschäfte, die zur regelmäßigen Tätigkeit eines gewerblichen Unternehmens als solchen gehören, verliert die Vereinigung den Charakter eines Berufsverbandes (Wirtschaftsverbandes). über einzelne Geschäfte ganz untergeordneter Natur für Mitglieder oder mit Mitgliedern soll hinweggesehen werden. Es ist aber möglich, daß unter Umständen bereits durch ein einzelnes Geschäft des Verbandes mit einem oder mehreren Mitgliedern, das im Rahmen der Verbandstätigkeit von nicht untergeordneter Bedeutung ist, die Grenzen überschritten werden. Der Vereinigung ist daher z. B. nicht verwehrt, ein einzelnes Mitglied über eine den Berufsstand als solchen berührende allgemeine wirtschaftliche Frage zu unterrichten und Auskunft zu erteilen. Die Einzelberatung und Einzelvertretung von Mitgliedern gegenüber Behörden ist nicht zulässig.
Die Grenzziehung zwischen der Wahrnehmung der allgemeinen wirtschaftlichen Belange und den besonderen geschäftlichen Interessen der einzelnen Mitglieder eines Verbandes ist nicht immer leicht. Sie wird sich nach den Verhältnissen des einzelnen Falles richten. Mit der Leitung der Verbände sind in der Regel Personen betraut, die Erfahrungen in wirtschaftlichen Dingen besitzen und denen zugemutet werden kann, die allgemeinen wirtschaftlichen Interessen von den einzelgeschäftlichen Interessen der Berufsangehörigen zu trennen.
Der Senat ist demnach mit Abschn. 25 der Körperschaftsteuer-Richtlinien (KStR) II/1948 und 1949 der Auffassung, daß die Wahrnehmung allgemeinwirtschaftlicher Interessen des Berufsstandes zu den Aufgaben eines Berufsverbandes (Wirtschaftsverbandes) gehören kann, daß aber diese Tätigkeit auch darin ihre Begrenzung finden muß. Er hält weiter die Auslegung der Richtlinien für zutreffend, daß durch die Verfolgung von Interessen einzelner Mitglieder dem Verband nicht die Eigenschaft eines steuerbefreiten Berufsverbandes verloren geht, wenn diese Tätigkeit des Verbandes eine ganz untergeordnete Rolle spielt. Insoweit wird die Rechtsprechung des Reichsfinanzhofs übernommen. Diese Grundsätze können bereits für II/1948 angewendet werden. Die Gleichstellung der Wirtschaftsverbände mit den Berufsverbänden ist zwar erst in § 13 KStDV 1949 ausgesprochen. Die Vorschrift enthält aber nach Ansicht des Senats eine durch die Entwicklung der Verhältnisse gebotene Auslegung des Gesetzes, nicht eine Ausweitung (ß 1 Abs. 2 des Steueranpassungsgesetzes - StAnpG -). Dies kommt dadurch zum Ausdruck, daß in der KStDV § 13 unter den "anderen Berufsverbänden" im Klammerzusatz, also erklärend, die Wirtschaftsverbände als Beispiele aufgeführt sind.
Der Senat stimmt ferner der Auffassung des Finanzgerichts zu, daß der Mangel einer Satzung für sich allein nicht dazu führt, die Steuerfreiheit zu versagen, wie Abschn. 25 Abs. 1 Satz 6 KStR II/1948 und 1949 bzw. 1950 besagen. In § 4 Abs. 1 Ziff. 8 KStG 1948 ist nicht ausdrücklich eine Satzung vorgeschrieben. Es ist daher an sich nicht unzulässig, Zweck und Aufgaben eines Verbandes auf andere Weise als durch eine Satzung nachzuweisen. Man könnte einwenden, daß der Gesetzgeber das Vorhandensein einer Satzung, mindestens einer ihr gleichstehenden Verfassung, bei unbeschränkt steuerpflichtigen Personenvereinigungen voraussetzt, da nur auf Grund einer Satzung erhobene Beiträge der Mitglieder bei der Ermittlung des Einkommens außer Ansatz bleiben (ß 8 KStG, § 18 KStDV 1949). Diese Frage braucht im vorliegenden Fall nicht näher geprüft zu werden. über den Mangel einer Satzung würde jedenfalls für 1948/49, worum es sich hier handelt, hinwegzusehen sein. Denn die Berufs- und Wirtschaftsverbände konnten sich 1948 und 1949 auf die neugeschaffenen Bestimmungen, insbesondere die erst im Oktober 1950 erlassenen Richtlinien, angesichts des Wortlautes des Gesetzes noch nicht einrichten. Der Satzungsmangel kann also für diesen Zeitraum nicht als steuerschädlich angesehen werden, wenn Zweck und Aufgaben des Verbandes erschöpfend und einwandfrei nachgewiesen sind und die tatsächliche Geschäftsgebarung damit übereinstimmt. Das Finanzgericht hat ohne Tatsachenirrtum aus den Unterlagen, insbesondere aus dem Rundschreiben über die Gründungsversammlung entnommen, daß - abgesehen vom Abschluß und der Abwicklung des EGE-Geschäfts - der hier behandelte Verband im Rahmen der Wahrnehmung der allgemeinen ideellen und wirtschaftlichen Interessen der Verbandsmitglieder geblieben ist. Entgegen der Auffassung des Finanzamts wird die Tätigkeit auch nicht durch die Interessenwahrung der angeschlossenen Mitglieder (Beratung und Betreuung) zu einer steuerschädlichen, solange sich diese Betreuung auf die allgemeinen, die Mitglieder in ihrer Gesamtheit, den ganzen Berufsstand (Wirtschaftszweig), gleichmäßig berührenden Fragen beschränkt. Dieser Voraussetzung entspricht die Feststellung des Finanzgerichts, daß - abgesehen vom EGE-Geschäft - eine Interessenvertretung einzelner Mitglieder nicht ersichtlich ist.
Der Senat vermag aber nicht zu billigen, daß das Finanzgericht den Abschluß des EGE-Geschäftes, seine Durchführung und Abwicklung als steuerunschädlich angesehen hat. Es verkennt den Begriff der Beachtlichkeit im Interesse der Einzelwirtschaften der Mitglieder vorgenommener Geschäfte, wenn es deren Bedeutung im Rahmen mehrjähriger Tätigkeit des Verbandes würdigt. Die Körperschaftsteuer erfaßt den Gewinn einer Wirtschaftsperiode, des Veranlagungszeitraums. Der Beurteilung ist daher die Tätigkeit in diesem Zeitraum zugrunde zu legen, und die Beachtlichkeit von Geschäften ist nach dem Gewicht zu bemessen, das der steuerschädlichen Tätigkeit in diesem Zeitraum zukommt. Es ist ferner nicht erforderlich, wie Finanzgericht und Finanzamt zu glauben scheinen, daß ein wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb vorliegen muß, um dem Berufsverband die Steuerbefreiung zu entziehen. Die Steuerbefreiung entfällt bereits durch den Verlust des Charakters als Berufsverband infolge verbandsfremder Betätigung in nicht ganz untergeordnetem Ausmaß. Daß im vorliegenden Falle das EGE-Geschäft nicht zu der üblichen Tätigkeit eines steuerbefreiten Wirtschaftsverbandes gehört, hat das Finanzgericht zutreffend ausgeführt. Auch die Vereinigung ist sich bewußt, die Grenzen überschritten zu haben, die ihrer Tätigkeit als Verband gesteckt sind. Denn sie führt aus, daß mit dem Hinweis der Mitglieder auf die ihr bekanntgewordene Einkaufsmöglichkeit, also mit der Herstellung der Verbindung sämtlicher Mitglieder zu der staatlichen Organisation, normalerweise die Tätigkeit der Fachvereinigung beendet gewesen sei. Sie hat also mit den nachfolgenden Geschäften dem Erwerb, der Veredelung, der Veräußerung des bearbeiteten Materials an Mitglieder und Nichtmitglieder in über hundert Einzelfällen und in einer Zeitspanne von 3/4 Jahren in einer Gesamthöhe von fast 400 000 DM bewußt den ihrer Verbandstätigkeit gesteckten Rahmen gesprengt. Das Finanzgericht hat auch festgestellt, daß dieses Geschäft, für sich allein betrachtet, wesentliche Bedeutung habe. Ein Geschäft von "wesentlicher" Bedeutung kann aber nicht als ganz untergeordnet oder unbeachtlich angesehen werden. Das EGE-Geschäft ist auch im Rahmen der Tätigkeit des Verbandes nach Umfang, Größe, Art, Wert der Umsätze usw. nicht von ganz untergeordneter Bedeutung. Der Hinweis des Finanzgerichts auf die Einmaligkeit des Vorganges und auf das Fehlen der Wiederholungsabsicht kann demgegenüber nicht helfen. Diese Umstände können die Frage, ob ein wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb vorliegt, beeinflussen, nicht die Anerkennung als Berufsverband (Wirtschaftsverband). Es mag sein, daß der Abschluß des Geschäftes durch eine Stelle aus den vorgebrachten Gründen zweckmäßig, vielleicht sogar erforderlich war, um den Verbandsmitgliedern und den Nichtmitgliedern die damals sehr schwer zu beschaffenden Rohstoffe zu sichern. Die Rohstoffbeschaffung selbst ist aber nicht Sache eines Verbandes. Die wirtschaftlichen überlegungen, die zu der gewählten Art der Durchführung des Geschäftes geführt haben, sind Beweggründe, die für die steuerliche Beurteilung ausscheiden. Wenn eine Fachvereinigung eine wirtschaftliche Notwendigkeit in der Tätigung derartiger Geschäfte im Interesse ihrer Einzelmitglieder sieht, so hat sie die steuerlichen Folgen zu tragen.
Dieser Standpunkt rechtfertigt sich aus der Erwägung, daß der Erfolg aus gewerblicher Betätigung zur Besteuerung (nach dem Einkommen- oder Körperschaftsteuergesetz) herangezogen werden soll und einer subjektiv steuerbefreiten Person die Vergünstigung des Gesetzes nicht belassen werden darf, wenn sie sich in nicht unbeachtlicher Weise über die gesetzten Grenzen der allgemeinen wirtschaftlichen Betätigung hinwegsetzt.
Der Senat ist somit der Auffassung, daß der Vereinigung die Steuerfreiheit nach § 4 Abs. 1 Ziff. 8 KStG 1948/1949 nicht zusteht, weil ihr infolge der in nicht unbeachtlichem Umfang erfolgten Förderung der Geschäftstätigkeit ihrer einzelnen Mitglieder die Eigenschaft eines Berufsverbandes (Wirtschaftsverbandes) im Sinne der genannten Vorschrift fehlt. Infolge dieser Auffassung braucht für die Beurteilung der Körperschaftsteuerpflicht nicht geprüft zu werden, ob ein wirtschaftlicher Geschäftsbetrieb anzunehmen ist. Die Körperschaftsteuerpflicht der Vereinigung erstreckt sich auf sämtliche Einkünfte (ß 1 Abs. 2 KStG).
Die Vorentscheidungen waren aufzuheben. Die Sache wird an das Finanzamt zurückverwiesen. Dieses wird die steuerpflichtigen Einkünfte unter Berücksichtigung der vorstehenden Ausführungen ermitteln und die Steuer erneut festsetzen.
Fundstellen
Haufe-Index 407466 |
BStBl III 1952, 221 |
BFHE 1953, 572 |
BFHE 56, 572 |
DB 1952, 731 |