Leitsatz (amtlich)
Zu den Einkünften im Sinne des § 34c Abs. 4 Satz 2 EStG 1965 gehören weder die Zinseinnahmen aus der Anlage von Bankguthaben oder Wertpapierdepots noch die negativen Zinseinnahmen, die durch die Aufnahme von Schulden für die Herstellung, den Erwerb oder den Umbau von Seeschiffen entstanden sind.
Normenkette
EStG 1965 § 34c Abs. 4
Tatbestand
Die Steuerpflichtige, eine Reederei in der Rechtsform der OHG, setzte Handelsschiffe im internationalen Verkehr ein und machte daneben in geringem Umfang Schiffsmaklergeschäfte. Das FA stellte den gewerblichen Gewinn für das Wirtschaftsjahr 1960 einheitlich fest. Es kürzte diesen Gewinn um die Zinseinnahmen von 178 437 DM sowie zwei kleinere unstreitige Beträge. Die Ausgaben, die mit den abgesetzten Beträgen zusammenhängen, rechnete es dem Gewinn wieder zu. Die Hälfte der auf diese Weise ermittelten Einkünfte aus dem Betrieb der Handelsschiffe behandelte es nach § 34c Abs. 4 Satz 2 EStG als steuerbegünstigte ausländische Einkünfte.
Die Klage, mit der sich die Steuerpflichtige gegen den Abzug der Zinseinnahmen wandte, wies das FG ab, weil die Zinsen nicht zu den ausländischen Einkünften gehörten. Es führte aus, ausländische Einkünfte seien Einkünfte, die aus einem ausländischen Staat stammten. Die Zinseinnahmen stammten jedoch aus deutschen Guthaben und Depots. Nach der Rechtsprechung des BFH seien nur Einkünfte begünstigt, die durch den internationalen Einsatz von Seeschiffen erzielt würden. Die Zinseinnahmen ließen sich auch nicht mit den Zinsausgaben saldieren, da die Steuerpflichtige mit den Zinzausgaben nicht Zinseinnahmen habe erzielen wollen. Die Schulden, aus denen die Zinsausgaben herrührten, seien hauptsächlich durch die Finanzierung der Herstellung, des Erwerbs oder des Umbaus von Seeschiffen entstanden. Soweit die Schulden entstanden seien, um Wertpapiere und Bankguthaben anzuschaffen, mit denen unerwartet anfallende Reparaturkosten bezahlt werden sollten, bestehe ebenfalls kein Zusammenhang zwischen den Zinseinnahmen und den Zinsausgaben. Das FA habe mit Recht die Zinseinnahmen als eine Nebenfolge der Liquiditätsvorsorge angesehen und ihre Verrechnung mit den Zinsausgaben abgelehnt. Auch die Gewerbekapitalsteuer lasse sich, anders als die Gewerbeertragsteuer, mit den Zinserträgen nicht saldieren.
Mit der Revision rügt die Steuerpflichtige die Verletzung von Bundesrecht. Sie führt aus, der Hinweis des FG auf § 34c Abs. 1 EStG gehe fehl, da zwischen den Abs. 1 und 4 des § 34c EStG kein systematischer Zusammenhang bestehe, wie der BFH festgestellt habe. Abs. 4 setze zur Anerkennung ausländischer Einkünfte nicht voraus, daß sie aus einem ausländischen Staat stammten. § 68b EStDV dürfe die Sonderbestimmung des § 34c EStG nicht dahin einschränken, daß nur Beförderungsentgelte begünstigt seien. Wenn der aus der Veräußerung eines Schiffes erzielte Gewinn nicht zu den tarifbegünstigten Einkünften im Sinne des § 34c Abs. 4 EStG gerechnet werde, ließen sich jedoch die Einnahmen aus der Unterhaltung von Bankguthaben und Wertpapieren, die den ununterbrochenen Einsatz der Schiffe ermöglichen sollten, nicht aus den Einkünften aus dem Betrieb von Handelsschiffen ausschließen, zumal das FA auch alle Zinsausgaben bei der Ermittlung des Gewinns aus dem Betrieb von Handelsschiffen abgesetzt habe. Würden die Zinseinnahmen nicht zum Betrieb von Handelsschiffen gerechnet, so müßten die Zinsausgaben insoweit gegen die Zinseinnahmen aufgerechnet werden, wie diese Einnahmen mit fremden Mitteln erzielt worden seien. Außerdem müßte auch die auf die entsprechenden Dauerschulden entfallende Gewerbekapitalsteuer berücksichtigt werden.
Die Steuerpflichtige beantragt, die Zinseinnahmen in die nach § 34c Abs. 4 EStG begünstigten Einkünfte einzubeziehen, hilfsweise die Zinsausgaben von den nicht steuerbegünstigten Zinserträgen der Einfachheit halber in gleicher Höhe und die Gewerbesteuer auf das Gewerbekapital, aus dem die Zinseinnahmen sich ergeben haben, mit 6 601 DM vom Gewinn abzusetzen.
Entscheidungsgründe
Aus den Gründen:
Die Revision führt zur Aufhebung der Vorentscheidung.
Nach § 34c Abs. 4 EStG ist bei ausländischen Einkünften, die unbeschränkt Steuerpflichtige aus dem Betrieb von Handelsschiffen im internationalen Verkehr erzielen, die darauf entfallende Einkommensteuer nach § 34 Abs. 1 Satz 1 EStG, d. h. mit der Hälfte des durchschnittlichen Steuersatzes, zu bemessen. Dabei gelten 50 v. H. der Einkünfte aus dem Betrieb von Handelsschiffen im internationalen Verkehr als ausländische Einkünfte. Diese Vorschrift ist auch auf Veranlagungen anzuwenden, die seit dem Veranlagungszeitraum 1959 noch nicht rechtskräftig geworden sind (§ 52 Abs. 22 EStG 1965). § 34c Abs. 4 EStG gewährt für einen begrenzten Teil des gewerblichen Gewinns der Schiffahrtsunternehmen eine Tarifvergünstigung, um ihre Wettbewerbsfähigkeit zu fördern. Aus dem Gesamtgewinn des Unternehmens sind zunächst alle Gewinnteile auszusondern, die nicht unmittelbar aus der Seeschiffahrt erzielt worden sind, wie z. B. Gewinne aus der Schiffsmakelei, dem Großhandel oder anderen Betriebszweigen. Aber auch innerhalb des aus der Seeschiffahrt gezogenen Gewinns ist die Begünstigung auf die Einkünfte beschränkt, die aus dem Betrieb von Handelsschiffen im internationalen Verkehr stammen. Eine derartige Begrenzung des Begriffs Einkünfte ist der Systematik des Einkommensteuerrechts an sich fremd. Nach § 2 Abs. 3 Nr. 2 EStG unterliegen der Einkommensteuer die Einkünfte aus Gewerbebetrieb. Der BFH hat ausgesprochen, daß die Zielsetzungen des § 34c Abs. 4 EStG es nicht erfordern, dem Begriff Einkünfte in dieser Vorschrift einen besonderen, vom Sprachgebrauch des Gesetzes abweichenden Inhalt zu geben (Urteil IV 99/64 S vom 30. September 1965, BFH 84, 179, BStBl III 1966, 66). Dadurch sollte klargestellt werden, daß auch für Einkünfte im Sinne des § 34c Abs. 4 EStG die im EStG enthaltenen allgemeinen Grundsätze über die Einkommensermittlung gelten. Der Senat teilt die Auffassung, daß innerhalb der Einkünfte aus der internationalen Handelsschiffahrt Gewinne und Verluste miteinander auszugleichen sind. Die Entscheidung des IV. Senats hat jedoch keine die anderen Senate bindende Feststellung darüber getroffen, in welcher Weise die Einkünfte aus dem Betrieb von Handelsschiffen im internationalen Verkehr festgestellt werden sollen.
Innerhalb eines Gewerbebetriebs werden die betrieblichen Einkünfte als Einheit behandelt. § 34c Abs. 4 EStG macht hiervon insofern eine Ausnahme, als er nicht für einen bestimmten Hundertsatz des gewerblichen Gewinns eine Tarifvergünstigung vorsieht. Begünstigt wird vielmehr nur ein Teil des Gewinns, nämlich die Einkünfte aus dem „Betrieb” von Handelsschiffen im internationalen Verkehr. Dieser Begrenzung liegt eine betriebswirtschaftliche Betrachtung zugrunde, die sich aus dem wirtschaftspolitischen Ziel der Vorschrift ergibt.
Welche Einkünfte aus dem Betrieb der internationalen Handelsschiffahrt stammen, bestimmt § 68b Nr. 2 letzter Satz EStDV mit der Einschränkung, daß sich die Bestimmung nur mit den ausländischen Einkünften befaßt. Eine unmittelbare Bedeutung hat diese Vorschrift demnach für § 34c Abs. 4 EStG nicht, weil kraft Gesetzes 50 v. H. der Einkünfte aus der internationalen Handelsschiffahrt als ausländische Einkünfte gelten. Sie enthält jedoch, wie in der Entscheidung IV 157/65 U vom 21. Dezember 1965 (BFH 84, 255, BStBl III 1966, 93) ausgeführt wird, eine zutreffende Klarstellung des Begriffs Einkünfte von Handelsschiffen im internationalen Verkehr. Der Senat tritt dem IV. Senat darin bei, daß zu den Einkünften aus der internationalen Handelsschiffahrt nur solche Einkünfte rechnen, die durch den Einsatz von Seeschiffen erzielt werden. Unter dem Einsatz von Seeschiffen sind die Beförderungsleistungen im internationalen Schiffsverkehr zu verstehen. Diese Auslegung schränkt die Vergünstigung des § 34c Abs. 4 EStG – anders als die Steuerpflichtige meint – nicht ein, sondern bezeichnet den eigentlichen Gegenstand der Vorschrift. Der Gewinn aus der Veräußerung eines Seeschiffes gehört deshalb nicht zu den tarifbegünstigten Einkünften. Welche Einkunftsteile im übrigen auszusondern sind, läßt sich nur im Einzelfall nach dem Zweck des Gesetzes entscheiden. Jedenfalls besteht kein Anlaß, gewisse Einnahmen von vornherein und ausnahmslos aus den steuerbegünstigten Einkünften auszuschalten, wie es nach den Erlassen der Freien und Hansestadt Hamburg und des Senators für Finanzen Bremen geschehen soll (Erlasse vom 7. Juli 1959, BStBl II 1959, 95, vom 17. Juli 1959, BStBl II 1959, 121).
Im Streitfall sind die Zinseinnahmen nicht durch den Einsatz von Seeschiffen erzielt worden. Zwischen dem steuerbegünstigten Betrieb der Seeschiffe und den Zinseinnahmen, die aus der Anlage von Bankdepots oder Guthaben stammen, besteht kein rechtlicher oder wirtschaftlicher Zusammenhang, selbst wenn diese Depots und Guthaben für etwaige Reparaturkosten bereitgehalten werden. Auch negative Zinseinnahmen, die weniger durch die Anlage von Bankguthaben und Depots, als durch die Finanzierung der Herstellung, des Erwerbs oder des Umbaus von Schiffen entstanden sind, gehören nicht zu den eng begrenzten Einkünften aus dem Betrieb der internationalen Handelschiffahrt. Diese von der sonstigen steuerrechtlichen Betrachtung abweichende Auslegung des Gesetzes ist durch den Subventionscharakter der Vorschrift bedingt. Vor allem auch, um die Steuerpflichtigen gleichmäßig zu begünstigen, müssen die Mehrausgaben, die ein vorwiegend mit Fremdkapital arbeitendes Unternehmen aufzubringen hat, bei der Bemessung der Steuerbegünstigung neutralisiert werden. Das schließt nicht aus, daß sich auch unmittelbar aus dem Betrieb der Seeschiffe Zinseinnahmen und Zinsausgaben ergeben können, die bei den steuerbegünstigten Einkünften zu berücksichtigen sind. Zinsausgaben für Schulden, die ein Reedereiunternehmen belasten, ohne daß es sich mit seinen Schiffen an der internationalen Handelsschiffahrt zu beteiligen beabsichtigt, können auch bei den begünstigten Einkünften nach § 34c Abs. 4 EStG nicht abgesetzt werden. Zinsbelastungen aber, die aus der Aufnahme von Schulden für die Herstellung, den Erwerb oder den Umbau von Schiffen entstanden sind, sind nicht durch den „Betrieb der Handelsschiffe” im Sinne des § 34c Abs. 4 EStG verursacht. Diese Aufwendungen sind ebenso wie die Zinseinnahmen, bei denen das FG mit Recht den Zusammenhang mit den begünstigten Einkünften aus dem Einsatz von Seeschiffen abgelehnt hat, bei den normal zu versteuernden Einkünften zu berücksichtigen.
Das FG hat zutreffend die Gewerbesteuer nach dem Gewerbekapital den tarifbegünstigten Einkünften zugerechnet. Betreibt ein Schiffahrtunternehmen neben der Schiffahrt noch andere Betriebszweige, so ist es rechtlich vertretbar, die Gewerbekapitalsteuer dem Verhältnis der Betriebszweige entsprechend aufzuteilen und, soweit die Gewerbekapitalsteuer auf die dem Einheitswert zugerechneten Dauerschulden entfällt, sie vorweg bei den Einkünften des Betriebszweiges zu berücksichtigen, dem die Dauerschulden dienen. Für eine derartige Aufteilung ist jedoch ohne eine gesetzliche Grundlage kein Raum, wenn das Gewerbekapital in vollem Umfang einem Unternehmen dient, dessen Tätigkeit, von unwesentlicher Schiffsmaklertätigkeit abgesehen, in dem Betrieb von Handelsschiffen besteht.
Die Vorentscheidung wird aufgehoben, da das FG bei der Behandlung der Zinsausgaben von einer anderen Rechtsauffassung ausgegangen ist. Das FG muß noch feststellen, in welcher Höhe die Steuerpflichtige im Streitjahr Zinseinnahmen und Zinsausgaben gehabt hat, die bei den begünstigten Einkünften des § 34c Abs. 4 EStG nicht berücksichtigt werden können.
Fundstellen
Haufe-Index 557494 |
BStBl II 1968, 432 |
BFHE 1968, 569 |