Entscheidungsstichwort (Thema)
Berufsrecht
Leitsatz (amtlich)
Der Erwerb "entsprechender Kenntnisse" auf andere Weise im Sinne des § 6 Abs. 1 Nr. 1 StBerG, d. h. der Erwerb einer Allgemeinbildung, die insbesondere dem Zeugnis der mittleren Reife entspricht, ist durch Zeugnisse nachzuweisen.
Normenkette
StBerG § 6 Abs. 1 Nr. 1; DVStBerG § 4 Abs. 3 Nr. 2
Tatbestand
Der Kläger bestand nach Absolvierung der Volksschule, dreijähriger Lehre im Bankfach und Besuch der Berufsschule die kaufmännische Gehilfenprüfung. Seit Dezember 1945 ist er Buchhalter bei seinem Vater, einem Steuerbevollmächtigten. Im Jahre 1954 trat er von der mündlichen Prüfung für Helfer in Steuersachen zurück, 1955 und im Dezember 1961 bestand er die Prüfung nicht.
Im Juni 1963 beantragte der Kläger die Zulassung zur Prüfung als Steuerbevollmächtigter. Der Zulassungsausschuß bei der Oberfinanzdirektion lehnte die Zulassung zur Prüfung ab. Die Berufung des Klägers blieb erfolglos. Das Finanzgericht vermißte den Nachweis der "auf andere Weise" erworbenen "entsprechenden Kenntnisse" des Klägers im Sinne des § 6 Abs. 1 Nr. 1 des Gesetzes über die Rechtsverhältnisse der Steuerberater und Steuerbevollmächtigten (StBerG), § 4 Abs. 3 der Verordnung zur Durchführung des Steuerberatungsgesetzes (DVStBerG), mithin des entsprechenden Maßes an Allgemeinbildung. Es sei für den Kläger nicht unzumutbar, die in § 6 Abs. 1 Nr. 1 StBerG geforderte Allgemeinbildung nachträglich zu erwerben.
Der Kläger hat Rb. eingelegt, die nunmehr - nach Inkrafttreten der FGO - als Revision anzusehen ist. Er macht insbesondere geltend: Das Finanzgericht habe es an der erforderlichen Sachaufklärung fehlen lassen, da es nicht in ausreichendem Masse ermittelt habe, ob der Kläger sich im Sinne des § 6 Abs. 1 Nr. 1 StBerG "auf andere Weise entsprechende Kenntnisse erworben hat"; das tatsächliche Vorhandensein der entsprechenden Allgemeinbildung bei dem Kläger hätte festgestellt werden müssen. Die Meinung des Finanzgerichts, daß der Bewerber den Erwerb der Kenntnisse nachweisen müsse, sei rechtsirrig. Der Kläger bekleide als Steuersachbearbeiter im Betrieb seines Vaters (Steuerbevollmächtigter) eine gehobene Stellung im Berufsleben; schon daraus ergebe sich, daß er die erforderliche Allgemeinbildung besitze. In seinem Alter sei es ihm nicht mehr zuzumuten, noch Zeugnisse über das Vorhandensein der Voraussetzungen des § 6 Abs. 1 Nr. 1 StBerG, § 4 Abs. 3 Nr. 2 DVStBerG zu erwerben. Im übrigen lasse § 8 Abs. 2 StBerG für die dort gezeichneten Beamten sogar eine Befreiung von der Prüfung als Steuerbevollmächtigter auch dann zu, wenn sie nicht das Zeugnis der mittleren Reife oder ein ähnliches Zeugnis besäßen. Hilfsweise werde um Vorlage der Sache an das Bundesverfassungsgericht zur Prüfung darüber gebeten, ob die Vorschrift des § 6 Abs. 1 Nr. 1 StBerG im Vergleich mit § 8 Abs. 2 StBerG gegen Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG) verstößt.
Der Kläger beantragt, das Urteil des Finanzgerichts und den ablehnenden Bescheid der Oberfinanzdirektion aufzuheben, sowie zu erkennen, daß seinem Zulassungsantrag stattzugeben sei.
Die Oberfinanzdirektion beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision hat keinen Erfolg.
Zutreffend haben die Vorinstanzen im Streitfall den Nachweis darüber vermißt, daß bei dem Kläger das nach § 6 Abs. 1 Nr. 1 StBerG erforderliche Maß an Allgemeinbildung gegeben sei. Zu Unrecht wirft der Kläger dem Finanzgericht mangelnde Sachaufklärung und unrichtige Anwendung des bestehenden Rechts vor. Das Finanzgericht hat im Einklang mit § 6 Abs. 1 Nr. 1 StBerG dargelegt, daß die "auf andere Weise" erworbenen "entsprechenden Kenntnisse" des Bewerbers im Sinne dieser Vorschrift den Anforderungen an die Allgemeinbildung insbesondere für das Zeugnis der mittleren Reife entsprechen müssen. Die Meinung des Finanzgerichts, daß der Bewerber um die Zulassung zur Prüfung als Steuerbevollmächtigter den Erwerb "entsprechender Kenntnisse" (entsprechender Allgemeinbildung) durch Zeugnisse nachweisen müsse, ist nicht rechtsirrig, sondern entspricht der Vorschrift des § 4 Abs. 3 Nr. 2 DVStBerG. Diese Vorschrift soll gerade u. a. sicherstellen, daß die über den Antrag auf Zulassung zur Prüfung entscheidende Behörde und die Steuergerichte nicht genötigt sind, eine (Vor-) Prüfung über den Erwerb entsprechender Kenntnisse (entsprechender Allgemeinbildung) des Bewerbers vorzunehmen. Die Vorentscheidung befindet sich in übereinstimmung mit der Rechtsprechung des erkennenden Senats. So hat auch im Fall des Urteils des Bundesfinanzhofs VII 281/63 vom 16. Juni 1964 (Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung 1965 S. 81/2 Nr. 70) der Bewerber um die Zulassung zur Prüfung als Steuerbevollmächtigter den Nachweis des Erwerbs der entsprechenden Allgemeinbildung erbracht. Die Angriffe des Klägers gegen das Urteil des Finanzgerichts gehen fehl. Der Vorinstanz ist darin zuzustimmen, daß der Volksschulbesuch als Nachweis der von § 6 Abs. 1 Nr. 1 StBerG ersatzweise geforderten "auf andere Weise" erworbenen "entsprechenden Kenntnisse" nicht ausreicht. Auch reicht der Besuch der Berufsschule allein nicht aus. Die Buchhaltertätigkeit, Tätigkeit bei einem Steuerbevollmächtigten "als Steuersachbearbeiter" liegt ebenso wie der Besuch des Steuer- und Buchführungs-Seminars an der Volkshochschule auf dem Gebiet fachlicher Tätigkeit. Sie können nicht im Sinne des § 6 Abs. 1 Nr. 1 StBerG gewertet werden, auch nicht unter dem Gesichtspunkt einer eigenverantwortlichen gehobenen Stellung im Berufsleben, die bei dem Kläger nicht gegeben ist. Die von ihm zum Vergleich herangezogenen anderen Fälle liegen nicht gleich; sie können daher im Streitfall unberücksichtigt bleiben. Insbesondere liegen die Fälle des § 8 Abs. 2 StBerG nicht mit demjenigen des Klägers gleich. Eine Vorlage der Sache an das Bundesverfassungsgericht gemäß Art. 100 Abs. 1 Satz 1 GG scheidet im Streitfall aus; denn auf die Frage der Verfassungsmäßigkeit des § 8 Abs. 2 StBerG kommt es für die Entscheidung im Streitfall nicht an. Wollte man selbst die Vorschrift des § 8 Abs. 2 StBerG mit dem Kläger für nicht verfassungsmäßig halten, so wäre das für die - zu bejahende - Frage der Verfassungsmäßigkeit des § 6 Abs. 1 Nr. 1 StBerG und für die Entscheidung im Streitfall ohne Bedeutung. Unrichtig ist es auch, daß es dem Kläger wegen seines Alters nicht zuzumuten sei, eines der vier wahlweise von § 6 Abs. 1 Nr. 1 StBerG aufgestellten Erfordernisse für die Zulassung zur Prüfung als Steuerbevollmächtigter zu erfüllen. Das Gesetz kommt mit seinem Erfordernis: "oder sich auf andere Weise entsprechende Kenntnisse erworben hat" den Bewerbern bereits sehr weit entgegen. Zeugnisse in dieser Hinsicht zu erbringen, ist auch dem Kläger zuzumuten.
Fundstellen
Haufe-Index 411977 |
BStBl III 1966, 180 |
BFHE 1966, 496 |
BFHE 84, 496 |