Entscheidungsstichwort (Thema)
(Keine grundsätzliche Bedeutung der Frage der Bindungswirkung für das FG bei Verweisung auf eine weitere BFH-Entscheidung in einem Kassationsurteil des BFH - Vorinstanz nicht an bloße Empfehlungen des Revisionsgerichts bei Zurückverweisung gebunden)
Leitsatz (amtlich)
Die Frage, ob bei Aufhebung des FG-Urteils und Zurückverweisung der Sache an das FG die rechtliche Beurteilung durch den BFH das FG auch bindet, wenn der BFH sich für seine Rechtsauffassung auf ein anderes BFH-Urteil beruft, ohne weitere Rechtsausführungen zu machen, hat keine grundsätzliche Bedeutung.
Orientierungssatz
Bei der Zurückverweisung einer Rechtssache an die Vorinstanz tritt keine Bindungswirkung ein, wenn das Revisionsgericht nur Empfehlungen für die weitere Behandlung der Sache durch das Tatsachengericht gibt, ohne dieses binden zu wollen (vgl. BVerwG-Entscheidung vom 29.11.1961 VI C 124.61).
Normenkette
FGO § 115 Abs. 2 Nr. 1; VwGO § 144 Abs. 6; FGO § 126 Abs. 5
Tatbestand
Die Sache befindet sich im dritten Rechtsgang.
Streitig ist in der Sache, ob Teilwertabschreibungen auf aktivierte entgeltlich erworbene Güterverkehrsgenehmigungen mit Rücksicht auf die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 14. Oktober 1975 1 BvL 35/70, 1 BvR 307/71, 61/73, 255/73 und 195/75 (BVerfGE 40, 196) oder wegen Unrentabilität des Betriebs vorgenommen werden können.
Das im ersten Rechtsgang ergangene Urteil des Finanzgerichts (FG) wurde vom Senat mit Urteil vom 16. Oktober 1986 IV R 23/86 aus verfahrensrechtlichen Gründen aufgehoben; die Sache wurde zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückverwiesen.
Im zweiten Rechtsgang hat das FG der Klage stattgegeben, da mit Rücksicht auf die Entscheidung des BVerfG keine Möglichkeit mehr bestanden habe, eine vorhandene Konzession auf einen Dritten zu übertragen. Deshalb hätten die Konzessionen den Charakter als Einzelwirtschaftsgüter verloren und seien in den nicht bilanzierungsfähigen Geschäftswert des Unternehmens eingegangen.
Mit Urteil vom 10. Mai 1990 IV R 41/89 hob der Senat das FG-Urteil auf und verwies die Sache an das FG Hamburg zurück. Nach Auffassung des Senats war eine Teilwertabschreibung wegen der Entscheidung des BVerfG nicht möglich. Zur Frage der Teilwertabschreibung wegen Unrentabilität des Unternehmens führte der Senat am Schluß des Urteils aus:
"Die Kläger haben im Klageverfahren zusätzlich geltend gemacht, daß eine Teilwertabschreibung auch wegen Unrentabilität des Fuhrbetriebs erforderlich sei. Hierüber wird das FG nunmehr zu befinden haben; insoweit wird jedoch auf die Ausführungen in BFHE 158, 53, BStBl II 1990, 15 zu dieser Frage hingewiesen und auch auf das BFH-Urteil vom 20. September 1989 II R 96/86 (BFHE 159, 95, BStBl II 1990, 206) Bezug genommen."
In dem im dritten Rechtsgang ergangenen Urteil vom 3. November 1992 führte das FG dazu aus:"Nach den den Senat bindenden Rechtsausführungen in BFH BStBl II 1990, 206 können die Teilwerte der Wirtschaftsgüter eines unrentablen Betriebs nur dann unter die Wiederbeschaffungskosten sinken, wenn das Unternehmen konkrete Maßnahme trifft, den Betrieb zu liquidieren oder stillzulegen. Daran fehlt es im Streitfall."
Das FG ließ die Revision gegen sein Urteil nicht zu.
Dagegen richtet sich die Nichtzulassungsbeschwerde der Kläger und Beschwerdeführer (Kläger), mit der geltend gemacht wird, die Rechtssache habe grundsätzliche Bedeutung i.S. des § 115 Abs.2 Nr.1 der Finanzgerichtsordnung (FGO). Das FG hat der Beschwerde nicht abgeholfen.
Zur Begründung wird im wesentlichen vorgetragen:
Prozeßrechtlich sei zu entscheiden, ob die Bindung nach § 126 Abs.5 FGO sich nur auf die im konkreten Entscheidungsfall gebildete Rechtsauffassung des Bundesfinanzhofs (BFH) beziehe oder auch auf Rechtsmeinungen, die sich aus einem in einem anderen Rechtsstreit ergangenen BFH-Urteil ergeben, dessen Beachtung dem FG in der konkreten Entscheidung aufgegeben sei. Da jeder Rechtsspruch auf einem eigenen, das Revisionsgericht bindenden Sachverhalt beruhe, spreche alles dafür, daß die Bindung auf den konkreten Einzelfall beschränkt sei. Durch die von ihm angenommene Bindung an einen dem Bezugsurteil entnommenen Rechtssatz habe sich das FG jedes Eingehen auf die Argumente der Klagebegründung versagt. Es sei von allgemeiner grundsätzlicher Bedeutung, ob die Einbeziehung von in Bezugsurteilen gewonnenen Rechtsauffassungen des BFH durch die Erstreckung der Bindung im Effekt dazu führen dürfe, daß solche Rechtssätze praktisch die Wirkung abstrakter Gesetzesnormen erlangen.
Sachlich-rechtlich sei von grundsätzlicher Bedeutung, ob die nach § 6 Abs.1 Nr.1 Satz 3 und Nr.2 Satz 2 des Einkommensteuergesetzes (EStG) steuerrechtlich vorgesehene notwendige Teilwertabschreibung überhaupt nur dann zulässig sei, wenn sie im Zusammenhang mit der Liquidierung oder Stillegung des Betriebs erfolge. Dies würde zu einer Abkehr von dem bisher allgemein für rechtens gehaltenen Grundsatz führen, daß sich die Teilwertabschreibung auf das einzelne Wirtschaftsgut bezieht und sich nach dem Preise bemißt, den ein gedachter Erwerber des Betriebs unter Annahme der Betriebsfortführung für dieses einzelne Wirtschaftsgut ansetzen würde. Es sei von allgemeiner grundsätzlicher Bedeutung, ob der Begriff der Teilwertabschreibung in dieser Weise verändert werden solle. Er verlöre damit weitgehend seine bisherige Bedeutung.
Die Beschwerde wird als unbegründet zurückgewiesen.
Entscheidungsgründe
Die Rechtssache hat entgegen der Auffassung der Kläger keine grundsätzliche Bedeutung i.S. des § 115 Abs.2 Nr.1 FGO.
1. Eine Rechtssache hat nach der ständigen Rechtsprechung des BFH grundsätzliche Bedeutung i.S. des § 115 Abs.2 Nr.1 FGO, wenn die für die Beurteilung des Streitfalls maßgebliche Rechtsfrage das Interesse der Allgemeinheit an der einheitlichen Entwicklung und Handhabung des Rechts berührt (vgl. z.B. BFH-Beschluß vom 13. Mai 1992 II B 131/91, BFH/NV 1992, 762; Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 3.Aufl., § 115 Rz.7, m.w.N.). Eine grundsätzliche Bedeutung in diesem Sinne ist indes dann nicht gegeben, wenn sich die streitige Rechtsfrage ohne weiteres aus dem Gesetz beantworten läßt oder wenn sie bereits durch eine Entscheidung des BFH geklärt worden ist und keine neuen Gesichtspunkte erkennbar sind, die eine erneute Prüfung und Entscheidung der Frage durch den BFH erforderlich machen (Gräber/Ruban, a.a.O., Rz.9, m.w.N.).
2. Im Streitfall ergibt sich aus dem Gesetz und der Rechtsprechung des BFH eindeutig, daß das FG an die Rechtsauffassung des BFH zur Frage der Teilwertabschreibung wegen mangelnder Rentabilität in dem im zweiten Rechtsgang ergangenen Urteil IV R 41/89 gebunden war.
a) Nach § 126 Abs.5 FGO hat das Gericht, an das die Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen ist, seiner Entscheidung die rechtliche Beurteilung des BFH zugrundezulegen. Nach der ständigen Rechtsprechung des BFH, die auch von den Klägern nicht in Zweifel gezogen wird, tritt die Bindung des FG nicht nur hinsichtlich der Gründe ein, die zur Aufhebung des FG-Urteils führen, sondern auch hinsichtlich der Gründe, die zur Zurückverweisung der Sache an das FG führen (vgl. z.B. BFH-Urteile vom 17. April 1969 V R 112/67, BFHE 95, 372, BStBl II 1969, 447; vom 5. Mai 1970 II 104/62, BFHE 99, 109, BStBl II 1970, 574; vom 19. November 1970 IV 150/65, BFHE 101, 36, BStBl II 1971, 209, jeweils m.w.N.; Tipke/Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, § 126 FGO Tz.30). Dies entspricht dem Wortlaut und dem Sinn und Zweck des § 126 Abs.5 FGO. Nach dem Wortlaut des Gesetzes muß das FG seiner Entscheidung die rechtliche Beurteilung des BFH zugrundelegen. Wird die Sache, weil sie nicht spruchreif ist, an das FG zurückverwiesen, erstreckt die Bindung sich hiernach auch auf die der Zurückverweisung zugrundeliegende Beurteilung durch den BFH. Damit wird auch dem Zweck des § 126 Abs.5 FGO Rechnung getragen, nämlich sicherzustellen, daß eine abschließende rechtliche Beurteilung durch den BFH im zweiten Rechtsgang bindend ist, und zwar grundsätzlich auch für das Revisionsgericht selbst, und so (im Regelfall) eine abschließende Entscheidung in der Sache ermöglicht (vgl. BFH in BFHE 95, 372, BStBl II 1969, 447; BFHE 101, 36, BStBl II 1971, 209; vgl. auch Urteil des Bundesverwaltungsgerichts --BVerwG-- vom 16. Dezember 1971 I C 5.70, BVerwGE 39, 212, und Beschluß des BVerwG vom 3. April 1974 II B 72.73; Buchholz 310, § 144 Verwaltungsgerichtsordnung Nr.29 zur gleichlautenden Regelung in § 144 Abs.6 der Verwaltungsgerichtsordnung --VwGO--).
b) Im Streitfall hat der Senat nach Aufhebung des FG-Urteils die Sache an das FG zurückverwiesen, damit dieses die Prüfung nachhole, ob die streitige Teilwertabschreibung aus einem anderen Grunde gerechtfertigt war, den das FG bisher weder in tatsächlicher noch in rechtlicher Hinsicht geprüft hatte. Dazu hat der Senat jedoch ausgeführt, insoweit werde auf die Ausführungen in den Urteilen in BFHE 158, 53, BStBl II 1990, 15, und BFHE 159, 95, BStBl II 1990, 206 Bezug genommen. Die vorbehaltlose und uneingeschränkte Bezugnahme bedeutet, wie sich auch aus dem Gesamtzusammenhang der Urteilsgründe ergibt, daß der Senat sich die rechtliche Beurteilung zu den Fragen der Aktivierung der Güterverkehrsgenehmigungen als selbständige und entgeltlich erworbene Wirtschaftsgüter des Anlagevermögens und der Abschreibung auf den niedrigeren Teilwert wegen Unrentabilität in den Bezugsurteilen zu eigen machte. Damit hat der Senat sich im aufhebenden und zurückverweisenden Urteil auch den Satz des Urteils in BFHE 159, 95, BStBl II 1990, 206 zu eigen gemacht, bei Unrentabilität eines Betriebs könnten die Teilwerte der Wirtschaftsgüter des Betriebs nur dann unter die Wiederbeschaffungskosten absinken, wenn das Unternehmen konkrete Maßnahmen treffe, den Betrieb so bald wie möglich zu liquidieren oder stillzulegen. Das FG hat dies zutreffend erkannt und nach Feststellung, daß diese Voraussetzung für die begehrte Teilwertabschreibung nicht erfüllt sei, die Klage abgewiesen.
c) Entgegen der Rechtsauffassung der Kläger hat die Frage, ob sich eine Bindung gemäß § 126 Abs.5 FGO auch aus einer Verweisung auf ein anderes BFH-Urteil ergeben könne, keine rechtsgrundsätzliche Bedeutung. Die rechtliche "Beurteilung" eines Sachverhalts kann sich nicht nur daraus ergeben, daß das Revisionsgericht selbst die rechtliche Beurteilung im einzelnen darlegt. Nach allgemeinem Sprachgebrauch liegt eine rechtliche "Beurteilung" auch dann vor, wenn das Revisionsgericht auf andere Entscheidungen des Revisionsgerichts verweist, in denen die Rechtsfrage beurteilt und entschieden worden ist, und aus dem Zusammenhang erkennbar ist, daß das Gericht sich die Rechtsauffassung des in Bezug genommenen Urteils zu eigen macht. Diese Frage bedarf somit keiner Entscheidung durch den BFH in einem Revisionsverfahren. Dies gilt um so mehr, als der BFH bereits zu der Vorschrift des § 296 Abs.4 der Reichsabgabenordnung (AO), der die jetzt maßgebende Regelung des § 126 Abs.5 FGO entspricht (vgl. Urteil in BFHE 95, 372, BStBl II 1969, 447), entschieden hat, eine das FG bindende rechtliche Beurteilung ergebe sich auch aus der Bezugnahme auf die rechtliche Beurteilung in einem anderen Urteil (BFH-Urteil vom 11. Dezember 1951 IV 182/51 U, BFHE 56, 53, BStBl III 1952, 22).
d) Eine Bindungswirkung tritt allerdings nicht ein, wenn das Revisionsgericht nur Empfehlungen für die weitere Behandlung der Sache durch das Tatsachengericht gibt, ohne dieses binden zu wollen (vgl. z.B. Entscheidungen des BVerwG vom 29. November 1961 VI C 124.61, BVerwGE 13, 195; in Buchholz 310, § 144 VwGO Nr.29). Die Frage der Abgrenzung von unverbindlicher Empfehlung und bindender rechtlicher Beurteilung stellt sich im Streitfall nicht, da, wie ausgeführt, das Urteil IV R 41/89 eine das FG bindende rechtliche Beurteilung enthält, die zur Zurückverweisung führte. Die rechtliche Beurteilung, die zur Zurückverweisung führt, bindet das Tatsachengericht in jedem Falle (BVerwG in Buchholz, a.a.O.).
3. Die Kläger haben weiter geltend gemacht, es sei von rechtsgrundsätzlicher Bedeutung, ob die Teilwertabschreibung überhaupt von den im Urteil IV R 41/89 und dem Bezugsurteil in BFHE 159, 95, BStBl II 1990, 206 bezeichneten Voraussetzungen abhängig gemacht werden könne. Auch hieraus ergibt sich keine rechtsgrundsätzliche Bedeutung der Sache, die zur Zulassung der Revision führen könnte. Im Revisionsverfahren wäre der Senat nämlich entsprechend ständiger Rechtsprechung der obersten Bundesgerichte (vgl. Nachweise bei Gräber/Ruban, a.a.O., § 126 Rz.24, und Tipke/Kruse, a.a.O., § 126 FGO Tz.38 ff.) an seine Rechtsauffassung zur Teilwertabschreibung im Urteil IV R 41/89 gebunden. Die Rechtsfrage könnte somit im Revisionsverfahren nicht geklärt werden.
Danach war die Beschwerde als unbegründet zurückzuweisen.
Fundstellen
Haufe-Index 65194 |
BFH/NV 1994, 56 |
BStBl II 1994, 569 |
BFHE 174, 103 |
BFHE 1995, 103 |
BB 1994, 1208 (L) |
DB 1994, 1404 (L) |
HFR 1994, 536-537 (LT) |
StE 1994, 356 (K) |