Leitsatz (amtlich)

Die Entlassung eines Betreuers wegen mangelnder Eignung ist dann nicht gerechtfertigt, wenn der Betreuer zwar zwei Jahresberichte erst nach mehrfacher Monierung erheblich verspätet abgegeben hat, er aber andererseits über zehn Jahre lang die Betreuung seiner Tochter einwandfrei geführt hat und die verspätete Erstellung der Berichte für die Tochter nicht nachteilig war.

 

Normenkette

BGB § 1908b Abs. 1 S. 1

 

Verfahrensgang

LG Traunstein (Aktenzeichen 4 T 1785/01)

AG Laufen (Aktenzeichen XVII 19/93)

 

Tenor

Auf die sofortig weitere Beschwerde werden der Beschluss des LG Traunstein vom 11.4.2002 und der Beschluss des AG Laufen vom 6.2.2001 aufgehoben.

 

Gründe

I. Für die Betroffene war seit vielen Jahren für die Aufgabenkreise Aufenthaltsbestimmung, Zuführung zur ärztlichen Behandlung und Regelung der Vermögensangelegenheiten der Beteiligte (ihr Vater) zum Betreuer bestellt. Das AG entließ ihn ohne sein Einverständnis am 6.2.2001 und bestellte einen Berufsbetreuer.

Das LG hat die hiergegen eingelegte sofortige Beschwerde des Vaters am 11.4.2002 zurückgewiesen.

Mit seiner sofortigen weiteren Beschwerde wendet er sich gegen diesen Beschluss.

II. Die sofortige weitere Beschwerde (§§ 69g Abs. 4 Nr. 3, 29 Abs. 2, 22 Abs. 1 FGG) ist zulässig und hat auch in der Sache Erfolg.

1. Das LG hat seine Entscheidung folgendermaßen begründet:

Der Beteiligte sei zu Recht als Betreuer entlassen worden, weil seine Eignung als Betreuer nicht mehr gewährleistet sei. Er sei seiner Verpflichtung zur Erstellung des Jahresberichtes 1999 trotz Erinnerungsschreibens und Zwangsgeldandrohung nicht nachgekommen. Zwar sei ihm die Zwangsgeldandrohung unter seiner früheren Adresse nicht wirksam zugestellt worden, doch wirke sich dies nur auf die Rechtmäßigkeit der Zwangsgeldfestsetzung aus. Es obliege ihm als Betreuer, für seine postalische Erreichbarkeit Sorge zu tragen. Auch im Vorjahr sei der Bericht erst auf wiederholte Anforderungen hin übersandt worden. Die hartnäckige Missachtung der Berichtspflicht, die eine unaufgefordert abgegebende Mindestinformation ggü. dem Gericht beinhaltet, lasse einen Betreuer grundsätzlich als ungeeignet erscheinen. Die Entlassung sei auch verhältnismäßig, weil geringere Maßnahmen keinen anhaltenden Erfolg erzielt hätten. Als milderes Mittel komme auch eine Teilentlassung nicht in Betracht, weil sich erhebliche Zweifel an seinem Einsatzwillen als Betreuer aufdrängten.

2. Die Entscheidung des LG hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand (§ 27 Abs. 1 FGG, § 546 ZPO).

a) Gemäß § 1908b Abs. 1 BGB hat das VormG den Betreuer dann zu entlassen, wenn seine Eignung, die Angelegenheiten des Betreuten zu besorgen, nicht mehr gewährleistet ist oder ein anderer wichtiger Grund für seine Entlassung vorliegt. Die mangelnde Eignung ist ein vom Gesetz besonders hervorgehobener Grund für die Entlassung. Es genügt zur Entlassung jeder Grund, der den Betreuer als nicht mehr geeignet i.S.d. § 1897 Abs. 1 BGB erscheinen lässt (BayObLG FamRZ 1996, 509; FamRZ 1998, 1257 [1258]). In der Regel liegt die Ursache für die Nichteignung in der Person oder den Verhältnissen des Betreuers, etwa wenn er den ihm zugewiesenen Aufgabenkreis nur unzulänglich (vgl. LG Essen NJWE-FER 2000, 258) und unter Gefährdung der Interessen des Betreuten bewältigen kann (BT-Drucks. 11/4528, 152 f.) oder wenn er den nötigen Einsatz vermissen lässt (Damrau/Zimmermann, Betreuungsrecht, 3. Aufl., § 1908b BGB Rz. 6; BayObLGZ 1984, 178 [180]). Die Eignung ist ein unbestimmter Rechtsbegriff (BayObLG FamRZ 1998, 1257 [1258]); die Beurteilung des Tatrichters, dass die Eignung nicht mehr gegeben ist, darf vom Rechtsbeschwerdegericht nur auf Rechtsfehler, also darauf hin überprüft werden, ob der Tatrichter den Begriff der Eignung verkennt, relevante Umstände unvertretbar über- oder unterbewertet oder bei der Subsumtion wesentliche Umstände unberücksichtigt lässt (BayObLG FamRZ 2001, 1249 [1250]). Nach dem Verhaltnismäßigkeitsgrundsatz ist die Entlassung des Betreuers als letzte Maßnahme anzusetzen, wenn nicht minder schwere Maßnahmen nach § 1837 BGB ausreichen, um eine etwaige Gefährdung des Wohls des Betreuten zu beseitigen (BayObLG FamRZ 1998, 1257 [1258]); das VormG hat zuerst die Mittel der Aufsicht und des Weisungsrichts einzusetzen (BayObLG FamRZ 1998, 1257 [1258]).

b) Nach § 27 Abs. 1 S. 2 FGG i.V.m. § 559 ZPO hat das Rechtsbeschwerdegericht bei der Überpüfung der Entscheidung von denjenigen Tatsachen auszugehen, die in der Beschwerdeentscheidung einschl. der in Bezug genommenen Aktenbestandteile zum Zeitpunkt des Erlasses der Beschwerdeentscheidung verfahrensfehlerfrei festgestellt worden sind. Die Bindung entfällt bei verfahrensfehlerhafter Feststellung (§ 559 Abs. 2 ZPO). So können nicht festgestellte, sich aber aus dem Akteninhalt unzweideutig ergebende Tatsachen durch das Rechtsbeschwerdegericht herangezogen werden (BayObLGZ 1984, 178 [180]; BayObLG v. 7.4.1989 – BReg. 1a Z 9/88, FamRZ 1989, 1124 [1125]; Jansen, FGG, 2. Aufl., § 27 Rz. 38; Keidel/Kahl,...

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