Entscheidungsstichwort (Thema)

Rechtsbeschwerde gegen Verwerfungsbeschluß

 

Leitsatz (amtlich)

Hat das Landesarbeitsgericht die Beschwerde eines Beteiligten als unzulässig verworfen, so ist gegen diesen Verwerfungsbeschluß die Rechtsbeschwerde auch dann unstatthaft und damit unzulässig, wenn das Landesarbeitsgericht sie ausdrücklich zugelassen hat.

Darauf, ob der Verwerfungsbeschluß ohne mündliche Verhandlung oder aufgrund einer solchen ergangen ist, kommt es nicht an.

 

Normenkette

ArbGG § 89 Abs. 3, § 72 Abs. 3-4, §§ 77, 92 Abs. 1; ZPO § 519b Abs. 2

 

Verfahrensgang

Hessisches LAG (Beschluss vom 23.02.1988; Aktenzeichen 5 Ta BV 18/87)

ArbG Darmstadt (Beschluss vom 16.12.1986; Aktenzeichen 3 BV 18/86)

 

Tenor

Die Rechtsbeschwerde des Betriebsrats gegen den Beschluß des Landesarbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 23. Februar 1988 – 5 TaBV 18/87 – wird als unzulässig verworfen.

Von Rechts wegen!

 

Tatbestand

A. Der Arbeitgeber war ein Unternehmen zum Vertrieb von Geräten und Systemen der elektronischen Datenverarbeitung. Er beschäftigte in seinem Betrieb zum 1. Januar 1986 34 Arbeitnehmer.

Am 28. Februar 1986 wählten die Arbeitnehmer auf einer Betriebsversammlung einen Wahlvorstand zur erstmaligen Wahl eines Betriebsrates für den Betrieb des Arbeitgebers. Als Wahltermin wurde der 28. April 1986 festgesetzt.

Am 2. April 1986 erhielt der Arbeitgeber die Anweisung seiner alleinigen Gesellschafterin, den Betrieb zum 30. Juni 1986 zu schließen. Er unterrichtete am 3. April 1986 das Landesarbeitsamt über die beabsichtigten Kündigungen von zwischenzeitlich nur noch 21 Arbeitnehmern. Am 15. April 1986 kündigte er allen Arbeitnehmern fristgemäß. Die Betriebsratswahl fand gleichwohl am 28. April 1986 statt.

In der Folgezeit verlangte der Betriebsrat Verhandlungen über einen Interessenausgleich und einen Sozialplan, was der Arbeitgeber ablehnte. Die daraufhin angerufene Einigungsstelle verneinte durch Beschluß vom 14. August 1986 ihre Zuständigkeit mit der Begründung, die Betriebsstillegung sei nicht sozialplanpflichtig, da im Zeitpunkt der Entscheidung über die Stillegung ein Betriebsrat noch nicht gewählt gewesen sei.

Mit Schriftsatz vom 8. September 1986 hat der Betriebsrat das vorliegende Verfahren anhängig gemacht und den Spruch der Einigungsstelle “wegen Ermessensmißbrauchs” angefochten. Er hat behauptet, die Betriebsstillegung sei lediglich angeordnet worden, um die Wahl eines Betriebsrates zu verhindern. Er hat beantragt

festzustellen, daß der Spruch der Einigungsstelle vom 14. August 1986 unwirksam ist, sowie

festzustellen, daß die Einigungsstelle zuständig ist.

Der Arbeitgeber hat beantragt, den Antrag abzuweisen. Er verteidigt den Spruch der Einigungsstelle als zutreffend und bestreitet die Behauptungen des Betriebsrates über den Anlaß der Betriebsstillegung.

Das Arbeitsgericht hat den Antrag abgewiesen. Gegen diese Entscheidung hat der Betriebsrat Beschwerde eingelegt. In der rechtzeitig eingegangenen Beschwerdebegründung heißt es lediglich:

Der gesamte diesseitige Sachvortrag in diesem Verfahren vor dem Arbeitsgericht Darmstadt wird zum Gegenstand des Beschwerdevorbringens gemacht.

Der beschwerdeführende Betriebsrat ist nach wie vor der Überzeugung, daß die arbeitsrechtliche Würdigung des Sachverhaltes nur unter Berücksichtigung des gesamten Zusammenhanges der zeitlichen Abfolge der Geschehnisse im Betrieb der Firma P… erfolgen kann. Die Überprüfung der Entscheidung durch das Landesarbeitsgericht ist unter Beachtung der arbeitsrechtlichen Grundsätze von Treu und Glauben im besonderen Hinblick auf die Fürsorgepflicht des Arbeitgebers hin geboten.

Das Landesarbeitsgericht hat die Beschwerde des Betriebsrates nach Anhörung der Beteiligten als unzulässig mit der Begründung verworfen, die Beschwerde sei nicht ordnungsgemäß begründet worden. Es hat im Tenor seiner Entscheidung die Rechtsbeschwerde zugelassen.

Mit der zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgt der Betriebsrat seinen Antrag weiter, während der Arbeitgeber um Zurückweisung der Rechtsbeschwerde bittet.

 

Entscheidungsgründe

B. Die Rechtsbeschwerde des Betriebsrates ist unzulässig.

1. Nach § 92 Abs. 1 ArbGG findet im Beschlußverfahren die Rechtsbeschwerde an das Bundesarbeitsgericht gegen die das Verfahren beendenden Beschlüsse des Landesarbeitsgerichts statt, wenn sie in dem Beschluß des Landesarbeitsgerichts zugelassen worden ist. Der angefochtene Beschluß des Landesarbeitsgerichts, mit dem die Beschwerde des Betriebsrates als unzulässig verworfen worden ist, ist ein das Verfahren beendender Beschluß in diesem Sinne.

2. Der Beschluß des Landesarbeitsgerichts, der eine Beschwerde gegen eine Entscheidung des Arbeitsgerichts als unzulässig verwirft, ist jedoch nach § 89 Abs. 3 Satz 2 ArbGG endgültig. Gegen ihn ist die Rechtsbeschwerde nicht statthaft.

a) Nach § 89 Abs. 3 Satz 1 ArbGG ist die Beschwerde gegen einen Beschluß des Arbeitsgerichts durch die Kammer des Landesarbeitsgerichts als unzulässig zu verwerfen, wenn die Beschwerde nicht in der gesetzlichen Form oder Frist eingelegt worden ist.

Das Landesarbeitsgericht hat die Beschwerde mit der Begründung als unzulässig verworfen, daß sie nicht ordnungsgemäß begründet worden sei. Die Begründung eines Rechtsmittels und damit auch der Beschwerde im arbeitsgerichtlichen Beschlußverfahren gehört zur “gesetzlichen Form” des Rechtsmittels bzw. der Beschwerde. Fehlt es an einer den gesetzlichen Formvorschriften entsprechenden Begründung des Rechtsmittels, so ist das Rechtsmittel als unzulässig zu verwerfen (so für eine nicht ordnungsgemäß begründete Rechtsbeschwerde Beschluß des Senats vom 10. April 1984 – 1 ABR 62/82 – AP Nr. 1 zu § 94 ArbGG 1979). § 89 Abs. 3 ArbGG regelt damit nicht nur den Fall, daß die eigentliche Beschwerdeschrift nicht in der gesetzlichen Form oder Frist eingelegt worden ist, sondern bezieht sich auch darauf, daß die gesonderte Beschwerdebegründung nicht form- oder fristgerecht erfolgt ist.

b) Der Ausschluß der Rechtsbeschwerde gegen einen Verwerfungsbeschluß gilt nicht nur für den Beschluß, der ohne vorherige mündliche Verhandlung ergeht, sondern für jeden Verwerfungsbeschluß.

aa) Das folgt zunächst aus dem Wortlaut der Vorschrift. § 89 Abs. 3 Satz 1 ArbGG bestimmt zunächst, daß der Verwerfungsbeschluß durch die Kammer ergeht. Satz 2 regelt dann, daß der Beschluß, also der Verwerfungsbeschluß, obwohl er durch die Kammer zu treffen ist, ohne mündliche Verhandlung ergehen kann. Wenn es dann weiter heißt, daß “er” endgültig ist, so ist mit diesem “er” wie in den beiden vorhergehenden Sätzen der Verwerfungsbeschluß überhaupt gemeint. Wäre nur der ohne mündliche Verhandlung ergehende Verwerfungsbeschluß endgültig, müßte es im 2. Halbsatz mindestens heißen “dieser” ist endgültig oder “in diesem Falle” ist er endgültig. Auch der Folgesatz, “er” ist dem Beschwerdeführer zuzustellen, bezieht sich auf den in jeder Form ergangenen Verwerfungsbeschluß.

bb) Wollte man annehmen, § 89 Abs. 3 Satz 2 ArbGG schließe die Anfechtbarkeit eines Verwerfungsbeschlusses nur dann aus, wenn der Beschluß ohne vorherige mündliche Verhandlung ergangen ist, so hinge die Statthaftigkeit eines Rechtsmittels allein von der mehr oder weniger zufälligen Verfahrensart ab, die das Landesarbeitsgericht gewählt hat.

Eine solche Unterscheidung entbehrt eines sachlichen Grundes. Sie findet sich jedoch in § 77 ArbGG hinsichtlich der Revisionsbeschwerde nach § 519b Abs. 2 ZPO. Gegen den Beschluß des Landesarbeitsgerichts, mit dem eine Berufung ohne mündliche Verhandlung als unzulässig verworfen wird, findet ein Rechtsmittel, nämlich die sogenannte Revisionsbeschwerde, nur statt, wenn sie vom Landesarbeitsgericht in dem Beschluß zugelassen wird. Gegen die Nichtzulassung ist eine Nichtzulassungsbeschwerde nicht gegeben (BAG Beschluß vom 25. Oktober 1979 – 5 AZB 43/79 – AP Nr. 1 zu § 77 ArbGG 1979; Beschluß vom 8. November 1979 – 3 AZB 40/79 – AP Nr. 2 zu § 77 ArbGG 1979). Wird die Berufung jedoch durch Urteil als unzulässig verworfen und die Revision nicht zugelassen, so ist gegen die Nichtzulassung jedenfalls die Nichtzulassungsbeschwerde nach § 72a ArbGG gegeben.

Gleichwohl kann für § 89 Abs. 3 ArbGG eine solche Unterscheidung nicht angenommen werden. Für die Unterscheidung hinsichtlich der Revisionsbeschwerde bzw. der Revision in den §§ 72 und 77 ArbGG gegen eine Verwerfungsentscheidung spricht jedenfalls der ausdrückliche Wortlaut in § 77 ArbGG, wonach die Revisionsbeschwerde “nur zulässig ist”, wenn sie… zugelassen worden ist. Ein solcher eindeutiger Wortlaut fehlt in § 89 Abs. 3 ArbGG).

c) § 89 Abs. 3 ArbGG 1979 war mit gleichem Wortlaut schon in § 89 Abs. 3 ArbGG 1953 enthalten. Für das damalige Recht hat der Senat ausgesprochen, daß nach dieser Vorschrift die Rechtsbeschwerdeinstanz in Sachen, in denen das Beschwerdegericht die Beschwerde aus formellen Gründen als unzulässig angesehen und deshalb verworfen hat, in keinem Fall befaßt werden soll. Diese Entscheidung erging in einem Verfahren, in dem der maßgebende Beschluß aufgrund mündlicher Verhandlung ergangen war (Beschluß vom 28. August 1969 – 1 ABR 12/69 – AP Nr. 11 zu § 92 ArbGG 1953). Das entsprach auch der Meinung im damaligen Schrifttum (Dietz/Nikisch, ArbGG, § 89 Rz 19; Dersch/Volkmar, ArbGG, 6. Aufl., § 89 Rz 5c). Davon für die unveränderte Fassung des § 89 Abs. 3 ArbGG 1979 abzuweichen, besteht kein Anlaß. Gegen diese Regelung bestehen auch keine verfassungsrechtlichen Bedenken, wie das Bundesverfassungsgericht zur gleichen Problematik in § 77 ArbGG ausgesprochen hat (Beschluß vom 10. August 1978 – 2 BvR 415/78 – AP Nr. 19 zu § 77 ArbGG 1953).

3. Ist damit die Verwerfungsentscheidung des Landesarbeitsgerichts nach § 89 Abs. 3 ArbGG endgültig, so ist gegen diese Entscheidung ein irgendwie geartetes Rechtsmittel nicht gegeben.

Daran ändert auch die Zulassung der Rechtsbeschwerde durch das Landesarbeitsgericht nichts. Zwar heißt es in § 92 Abs. 1 in Verbindung mit § 72 Abs. 3 ArbGG, daß das Bundesarbeitsgericht an die Zulassung der Rechtsbeschwerde durch das Landesarbeitsgericht gebunden ist. Diese Bindung bezieht sich jedoch nur auf eine Zulassung der Revision oder Rechtsbeschwerde in solchen Entscheidungen, gegen die nach der gesetzlichen Regelung ein Rechtsmittel an das Bundesarbeitsgericht überhaupt möglich sein soll. Soweit dieses Rechtsmittel ausdrücklich ausgeschlossen wird, wie in § 72 Abs. 4 oder in § 89 Abs. 3 ArbGG, ist die Zulassung eines Rechtsmittels durch das Landesarbeitsgericht gesetzwidrig. An eine solche gesetzwidrige Zulassung ist das Bundesarbeitsgericht nicht gebunden (Beschluß vom 23. Juni 1954 – 1 ABR 15/54 – AP Nr. 5 zu § 92 ArbGG 1953; Beschluß vom 14. Oktober 1982 – 2 AZR 570/80 – BAGE 41, 67 = AP Nr. 2 zu § 72 ArbGG 1979). Das Landesarbeitsgericht kann einer Partei durch die Zulassungsentscheidung nicht ein Rechtsmittel zusprechen, das nach der gesetzlichen Regelung nicht gegeben ist.

Die Rechtsbeschwerde des Betriebsrats ist daher unzulässig.

 

Unterschriften

Dr. Kissel, Matthes, Dr. Weller, Muhr, Breier

 

Fundstellen

Haufe-Index 873894

RdA 1989, 383

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