RVG VV Nrn. 3100, 3104; ZPO § 281

Leitsatz

Werden mehrere durch einen Rechtsanwalt vertretene Streitgenossen als Gesamtschuldner in Anspruch genommen und der Rechtsstreit bezüglich eines Streitgenossen abgetrennt und an ein anderes Gericht verwiesen, kann der verbleibende Streitgenosse die Erstattung der vollen Verfahrens- und Terminsgebühr beanspruchen.

KG, Beschl. v. 4.3.2019 – 19 W 149/18

1 Sachverhalt

Der Kläger hatte vor dem LG Hannover gegen die Beklagten zu 1) und 2) Klage erhoben und beantragt festzustellen, dass diese gesamtschuldnerisch verpflichtet seien, ihm jedweden materiellen Schaden zu ersetzen, welcher ihm aus der (angeblichen) Falschberatung durch die stellvertretende Bezirksvorstandsvorsitzende der Beklagten zu 2) entstanden sei. Ferner hat er die Beklagten gesamtschuldnerisch auf Ersatz seiner ihm vorprozessual entstandenen Kosten i.H.v. 2.611,93 EUR in Anspruch genommen. Die Beklagte zu 1) und zu 2) sind von den im Rubrum genannten Rechtsanwälten vertreten worden. Das LG Hannover hat die Klage gegen die Beklagte zu 2) als unzulässig abgewiesen. Zugleich hat es unter Nr. 2 der Urteilsformel ausgesprochen, dass es sich, soweit sich der Rechtsstreit gegen die Beklagte zu 1) richtet, für örtlich unzuständig erklärt und diesen an das LG Berlin verweist. Das LG Berlin hat die Klage gegen die Beklagte zu 1) abgewiesen und die Kosten des Rechtsstreits dem Kläger auferlegt.

Die Beklagte zu 1) hat die Festsetzung einer 1,3-fachen Verfahrensgebühr sowie die einer 1,2-fachen Terminsgebühr nach einem Wert von 67.925,11 EUR nebst Pauschale für Post- und Telekommunikation und Umsatzsteuer beantragt. Die Rechtspflegerin hat die vom Kläger an die Beklagte zu 1) zu erstattenden Kosten antragsgemäß auf 3.989,47 EUR festgesetzt.

Der Kläger hat gegen diese Entscheidung sofortige Beschwerde eingelegt. Er ist der Ansicht, dass der Beklagten nur ein Anspruch auf Kostenerstattung in Höhe des seiner Beteiligung am Rechtsstreit entsprechenden Bruchteils, das heißt in Höhe der Hälfte zusteht. Nach Ansicht des Klägers ist eine Verfahrensabtrennung nicht erfolgt, wobei er sich für seine Ansicht auf den Beschluss des OLG Celle v. 3.3.2017 (2 W 50/17) bezieht, der im Kostenfestsetzungsverfahren betreffend die Beklagte zu 2) ergangen ist.

2 Aus den Gründen

II. Die gem. §§ 104 Abs. 3 S. 1, 567 ff. ZPO zulässige sofortige Beschwerde des Klägers gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss bleibt in der Sache ohne Erfolg.

Die Rechtspflegerin hat die im Kostenfestsetzungsantrag der Beklagten zu 1) berechneten Kosten zu Recht antragsgemäß i.H.v. 3.989,47 EUR zu Gunsten der Beklagten festgesetzt. Der Kläger vermag sich dagegen nicht mit seiner in der Beschwerde weiterhin vertretenen Ansicht durchzusetzen, dass er der Beklagten zu 1) nur die hälftigen Rechtsanwaltskosten zu erstatten habe, weil diese nur einen Erstattungsanspruch in Höhe ihrer Beteiligung am Rechtsstreit verlangen könne. Zwar trifft es zu, dass der obsiegende Streitgenosse bei der Beauftragung eines gemeinsamen Rechtsanwalts durch Streitgenossen von dem unterlegenen Gegner die Erstattung seiner außergerichtlichen Kosten nur in Höhe des seiner Beteiligung am Rechtsstreit entsprechenden Bruchteils verlangen kann (s. BGH, Beschl. v. 20.2.2006 – II ZB 3/05, NJW-RR 2006, 1508, 1509 [= AGS 2006, 620]: ergangen zu § 6 BRAGO; s. ferner Gerold/Schmidt/Müller-Rabe, RVG, 23. Aufl., 1008 VV Rn 312 f.). Anders verhält es sich jedoch für den Fall der Verfahrenstrennung. Die bereits entstandenen Gebühren gehen durch eine erfolgte Abtrennung nicht unter. Nach der Abtrennung entstehen die Gebühren sodann noch einmal aus dem Wert des abgetrennten Verfahrens, wobei identische Gebühren gem. § 15 Abs. 2 RVG nur einmal beansprucht werden können und insgesamt ein Wahlrecht besteht, ob die vor der Trennung entstandenen oder die danach entstandenen Gebühren abgerechnet werden (BGH, Urt. v. 24.9.2014 – IV ZR 422/13; BVerwG, Beschl. v. 4.9.2009 – 9 KSt 10/09; Gerold/Schmidt/Müller-Rabe, RVG, 23. Aufl., 3100 VV Rn 61).

Gleiches gilt für den Fall, dass bei einem von mehreren Beklagten die örtliche Zuständigkeit des angegangenen Gerichts nicht gegeben ist und das Verfahren gegen ihn zwecks Verweisung abgetrennt wird. Es entstehen dann mehrere für die Zukunft in jeder Beziehung selbständige Verfahren, für die auch die Gerichtskosten neu anfallen. Der Fall der Abtrennung und Teilverweisung ist in § 281 Abs. 3 S. 1 ZPO, § 4 Abs. 1 GKG und § 20 RVG, nach denen bei einer Komplettverweisung wegen örtlicher Unzuständigkeit die Anwalts- und Gerichtskosten innerhalb derselben Instanz im Regelfall nur einmal anfallen, nicht geregelt. Der Senat teilt die vom OLG Hamburg im Beschl. v. 4.11.2013 (8 W 101/13) vertretene Ansicht, dass diese Regelungslücke durch die Anwendung der allgemeinen Grundsätze zu schließen ist, die gelten, wenn eine gegen mehrere Streitgenossen als Gesamtschuldner gerichtete Klage in zwei Verfahren aufgetrennt wird. Es ist kein Grund ersichtlich, der in dieser Sachverhaltskonstellation gegen die Anwendung der vorstehend erläuterten al...

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