Einführung
Nach § 60 Abs. 1 S. 1 RVG richtet sich das maßgebliche Vergütungsrecht nach dem Tag der Auftragserteilung zur jeweiligen Angelegenheit. In Scheidungsverbundverfahren sind dabei einige Besonderheiten zu beachten.
I. Ehesache und Folgesache
Einreichung des Scheidungsantrags ist maßgebend
Zu beachten ist, dass das gesamte Verbundverfahren, also das Verfahren über die Ehesache einschließlich aller Folgensachen nach § 16 Nr. 4 RVG eine einzige Angelegenheit ist. Daraus folgt, dass die Einreichung des Scheidungsantrags für die Bestimmung des maßgeblichen Gebührenrechts ausschlaggebend ist und zwar nicht nur für die Ehesache selbst, sondern auch für alle gleichzeitig eingereichten Folgesachen und auch solche Folgesachen, die später noch anhängig gemacht werden.
Altes Recht gilt auch für neue Folgesachen
Daher gilt für das gesamte Verbundverfahren altes Recht, wenn der Auftrag vor dem 1.8.2013 erteilt worden ist. Auch für Folgesachen, zu denen der Anwalt den Auftrag erst nach dem 31.7.2013 erhalten hat bzw. noch erhält, gilt das bisherige Gebührenrecht (OLG Düsseldorf JurBüro 1996, 253; OLG Nürnberg RVGreport 2005, 220). Dabei ist es unerheblich, welcher Beteiligte die Folgesache anhängig macht.
Beispiel
Der Scheidungsantrag ist im Mai 2013 eingereicht worden. Im Juni hat der Antragsteller noch einen Antrag auf Zugewinnausgleich gestellt.
Für die Ehesache und die Folgesache Versorgungsausgleich (§ 137 Abs. 2 S. 2 FamFG) gilt nach § 60 Abs. 1 S. 1 RVG altes Recht. Da der Antrag auf Zugewinnausgleich noch vor dem 1.8.2014 gestellt worden ist, gilt für ihn ohnehin altes Recht.
Beispiel
Der Scheidungsantrag ist im Mai 2013 eingereicht worden. Der Antragsteller hat im September die Folgesache Zugewinn eingeleitet.
Auch hier richtet sich das Scheidungsverbundverfahren wiederum nach altem Recht. Da die Einleitung der Folgesache Güterrecht gem. § 16 Nr. 4 RVG keine neue Angelegenheit i.S.d. § 15 RVG auslöst, sondern lediglich eine Antragserweiterung im bereits bestehenden Scheidungsverbundverfahren darstellt, gilt insoweit auch altes Recht. Die Gebühren werden einheitlich aus dem Gesamtwert (§ 23 Abs. 1 S. 1 RVG i.V.m. § 44 Abs. 2 FamGKG) nach altem Recht berechnet. Eines Rückgriffs auf § 60 Abs. 2 RVG – wie er vielfach angenommen wird – bedarf es hier nicht, da ohnehin nur eine einzige Angelegenheit vorliegt.
Beispiel
Der Scheidungsantrag ist im Mai 2013 eingereicht worden. Die Antragsgegnerin hat im September 2013 einen Antrag auf nachehelichen Unterhalt als Folgesache gestellt.
Auch jetzt gilt aus den gleichen Gründen für die Folgesache Unterhalt altes Recht. Es bleibt auch hier bei einer einzigen Angelegenheit nach § 16 Nr. 4 RVG. Insoweit ist es gleichgültig, wer die Folgesache einleitet.
II. Verfahren außerhalb des Verbunds
Keine Anwendung auf Verfahren außerhalb des Verbunds
Soweit außerhalb des Verbundverfahrens gesonderte Anträge gestellt werden, sind diese nach dem Recht ihrer jeweiligen Antragstellung zu beurteilen.
Beispiel
Das Scheidungsverfahren ist im März 2013 eingeleitet worden. Im August 2013 ist
a) ein Antrag auf Trennungsunterhalt gestellt
b) ein Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung zum Umgangsrecht eingereicht worden.
Für das Scheidungsverfahren gilt altes Recht (§ 60 Abs. 1 S. 1 RVG).
Im Fall a) handelt es sich nicht um eine Folgesache, sondern um eine isolierte Familiensache, sodass § 16 Nr. 4 RVG nicht greift.
Im Fall b) ist das einstweilige Anordnungsverfahren nach § 17 Nr. 4 Buchst. b) RVG eine eigene Angelegenheit.
Insoweit gilt also für diese Verfahren bereits neues Recht.
III. Aufnahme in den Verbund
Mit Aufnahme kann altes Recht gelten
Wird ein isoliertes Verfahren in den Verbund aufgenommen, kann dies zu Änderungen des Gebührenrechts führen. Es liegt dann ein Fall des § 60 Abs. 2 RVG vor.
Beispiel
Im Mai 2013 ist ein Antrag zur elterlichen Sorge eingereicht worden. Im August 2013 ist sodann der Scheidungsantrag gestellt worden (Werte: Ehesache 6.000,00 EUR; Versorgungsausgleich 1.200,00 EUR). Das Gericht hat im Einverständnis mit den Beteiligten das bisherige isolierte Verfahren der elterlichen Sorge als Folgesache in den Verbund gem. § 137 Abs. 3 FamFG einbezogen.
Für das Verfahren über die elterliche Sorge gilt altes Recht, da der Auftrag vor dem 1.8.2013 erteilt worden ist. Für das Scheidungsverfahren galt zunächst neues Recht, da der Auftrag hierzu nach dem 31.7.2013 erteilt worden ist. Mit Aufnahme der Folgesache elterliche Sorge in den Verbund lag jedoch nur noch eine einzige Angelegenheit vor (§ 16 Nr. 4 RVG); die Folgesache ist jetzt nur noch mit 20 % der Ehesache (1.200,00 EUR) zu bewerten. Insoweit greift jetzt § 60 Abs. 2 RVG. Ab der Aufnahme gilt insgesamt – für das gesamte Scheidungsverbundverfahren – altes Recht. Insoweit hat der Anwalt allerdings das Wahlrecht für die Gebühren, die bereits vor der Aufnahme in das Verbundverfahren angefallen sind.
Wählt der Anwalt die günstigere getrennte Abrechnung, erhält er:
I. Elterliche Sorge (Wert: 3.000,00 EUR)
1. |
1,3-Verfahrensgebühr, Nr. 3100 VV, § 13 RVG a.F. |
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245,70 EUR |
2. |
Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV |
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20,00 EUR |
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Zwischensumme |
265,70 ... |