Rz. 2

Der von vielen Anwälten und Notaren in der Folge der BGH-Entscheidung befürchtete sprunghaft steigende Wettbewerbsdruck seitens der Banken und Sparkassen auf den allseits als lukrativ und wachsend eingeschätzten Markt der professionellen Testamentsvollstreckung ist bislang weitgehend ausgeblieben. Zwar unterhalten einige der großen Geschäftsbanken eigene Testamentsvollstreckungsabteilungen zur Abwicklung der Nachlässe verstorbener Kunden. Dies war jedoch auch schon vor der zitierten BGH-Entscheidung der Fall. Im Privatbanksegment gehört die Testamentsvollstreckung ebenfalls traditionell zum Leistungsspektrum der Institute. Häufig wird sie dort über die Justiziare angeboten und abgewickelt. Sparkassen und Volksbanken verfolgen regional unterschiedliche Strategien. Vor allem größere Institute spielen hier eine Vorreiterrolle.

1. Vermögensverwaltungsmandat als Alternative zur Testamentsvollstreckung?

 

Rz. 3

Insbesondere für Kunden mit erheblichem Wertpapiervermögen kann sich die Auswahl einer Bank als Testamentsvollstreckerin anbieten. Größere Depotvolumina bergen im Erbfall das Risiko erheblicher Wertverluste, wenn Allokationsentscheidungen und damit die notwendigen Anpassungen an veränderte Marktbedingungen über längere Zeit unterbleiben. Je offensiver das Portfolio investiert ist, desto höher das Verlustrisiko. Sofern der Erblasser nicht zu Lebzeiten entsprechende Vollmachten erteilt hat, bleibt das Depot im Zeitraum zwischen Erbfall und Vorlage der Erbenlegitimation bei der depotführenden Bank ungepflegt – also in der Regel zumindest über mehrere Wochen. Häufig dauert die "Depotstarre" aber noch länger an, etwa wenn die Erben nicht über die notwendige Expertise verfügen oder in der Erbengemeinschaft zerstritten sind.[2]

 

Rz. 4

Dieses Problem vermag eine Testamentsvollstreckung durch das depotführende Kreditinstitut allerdings nicht vollständig zu lösen. Denn auch die Bank kann auf die im eigenen Haus verwahrten Wertpapiere erst nach Zugang des Testamentsvollstreckerzeugnisses zugreifen – es sei denn, sie verfügt über eine postmortale Vollmacht des Erblassers. Dieses Vorgehen wird in einigen Häusern zwar im Hinblick auf Compliance-Gesichtspunkte abgelehnt. Wird die Vollmacht aber inhaltlich auf diejenigen Befugnisse beschränkt, die auch ein Testamentsvollstrecker wahrnehmen kann, so bietet sie zumindest de jure einen gangbaren Weg, um eine "Depotstarre" zu vermeiden. Jedenfalls werden aber Wettbewerber der testamentsvollstreckenden Bank für die gegebenenfalls bei ihnen geführten Depots auf der Vorlage des Testamentsvollstreckerzeugnisses bestehen. Eine Alternative – eventuell sogar zur gesamten Testamentsvollstreckung – stellt ein vom Erblasser der Bank erteiltes Vermögensverwaltungsmandat dar. In einem zwischen beiden Parteien abgeschlossenen Vermögensverwaltungsvertrag legt der Kunde die Anlagerichtlinien fest. Innerhalb dieser Richtlinien trifft die Bank die einzelnen Anlageentscheidungen selbst. Der Vermögensverwaltungsvertrag überdauert i.d.R. den Tod des Kunden und setzt sich im Wege der Universalsukzession gem. § 1922 BGB mit dem oder den Erben bis zu seiner Kündigung fort.[3] Auf diese Weise ist gewährleistet, dass das Depot bereits in der kritischen Phase unmittelbar nach dem Erbfall des Inhabers von Personen mit der erforderlichen Qualifikation überwacht und gepflegt wird.

[2] Vgl. Fritz/Prottengeier/Roller/Klümpen-Neusel/v. Soden, Gesteuerte Vermögensübertragung, Rn 173.
[3] Vgl. Langenbucher/Bliesener/Spindler, Bankrechts-Kommentar, Kap. 34, Rn 29.

2. Zurückhaltung der Banken und Sparkassen

 

Rz. 5

Obwohl Banken grundsätzlich einen leichteren Zugang zu potenziellen Abnehmern der Dienstleistung haben als Rechts- und Steuerberater, kann von der befürchteten Dominanz der Kreditinstitute auf dem Testamentsvollstreckungsmarkt auch Jahre nach der BGH-Entscheidung keine Rede sein.[4] Dies dürfte mehrere Gründe haben.

 

Rz. 6

An erster Stelle steht eine strategische Überlegung. Anders als etwa bei Anwälten oder Steuerberatern ist das mit der Durchführung der Testamentsvollstreckung zu vereinnahmende Honorar nicht die primäre oder zumindest nicht die alleinige Zielsetzung. Als Haupttriebfeder für Kreditinstitute, sich mit der Vermögensnachfolge ihrer Kunden im Allgemeinen[5] und der Testamentsvollstreckung als einem Leistungsbestandteil daraus[6] zu befassen, wird meist die langfristige Sicherung der Kundenverbindung insbesondere im Segment der vermögenden Privatkunden angegeben.[7] Ziel ist demnach die Fortsetzung der Kundenbeziehung mit den Vermögensnachfolgern der verstorbenen Kunden. Dies können hinterbliebene natürliche Personen ebenso wie bereits existierende oder – im Fall der Stiftung – noch zu gründende juristische Personen sein. Zumindest im Fall der erbenden natürlichen Personen ist die Stellung als Testamentsvollstrecker aber nicht zwingend die beste Voraussetzung für die reibungslose Fortsetzung der Kundenbeziehung mit den Erben. Nimmt der Testamentsvollstrecker seine Aufgabe ernst und orientiert sich weitestmöglich am Erblasserwillen, so wird sein Verhalten in vielen Fällen nicht in vollem Umfang mit den Interesse...

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