Rz. 206
Trotz Getrenntlebens erlischt die durch die Eheschließung entstandene und dem § 1353 BGB zu entnehmende gegenseitige Verantwortung der Ehegatten füreinander nicht. Denn die Ehegatten wirtschafteten bis zur Trennung gemeinsam mit dem erzielten Gesamteinkommen. Ein möglicher Ehegattenunterhalt wird auf Grundlage dieses Lebensstandards ermittelt. Insofern widerspräche es dem Gesamtgefüge, die Wirkung der (ehelichen) Solidarität mit der Trennung enden zu lassen. Sie wirkt darüber hinaus, und überwindet sogar noch die zeitliche Grenze der Scheidung. Aufgrund dessen wird aus dem durch die Eheschließung entstandenen und auch durch die Trennung nicht beendeten familienrechtlichen Verhältnis die Pflicht der Ehegatten hergeleitet, finanzielle Lasten für den jeweils anderen zu verhindern, zumindest aber zu minimieren, soweit dies unter Berücksichtigung der eigenen (finanziellen) Interessen zumutbar ist.
aa) Anspruchsinhalt
Rz. 207
Finanzielle Lasten können im Rahmen der Trennung entstehen, wenn die steuerliche Veranlagung des Einkommens von der Zusammenveranlagung in die Einzelveranlagung geändert wird. Denn in der Regel lassen sich Ehegatten hinsichtlich ihrer Einkommen steuerrechtlich gemeinsam veranlagen. Das ist gemäß § 26 Abs. 1 EStG möglich, wenn beide Ehegatten unbeschränkt einkommensteuerpflichtig sind, nicht dauernd getrennt leben und wenn diese Voraussetzungen zu Beginn des Veranlagungszeitraumes vorgelegen haben bzw. im Laufe des Veranlagungszeitraums eingetreten sind.
Rz. 208
Eine Zusammenveranlagung bewirkt, dass die Ehegatten unter Addition ihrer Einkünfte wie nur eine steuerpflichtige Person behandelt werden. Hierdurch entsteht in der Regel eine geringere Gesamtsteuerlast. Denn die Ehegatten genießen durch die Zusammenveranlagung den Vorteil des Ehegattensplittings, bei dem sich die tarifliche Einkommensteuer auf das Zweifache des Steuerbetrages beläuft, der sich für die Hälfte ihres gemeinsam zu versteuernden Einkommens ergibt, § 32a Abs. 5 EStG. Vereinfacht gesagt werden bei diesem Verfahren die Einkünfte der Ehegatten zusammengerechnet, der Gesamtbetrag halbiert, für den sich dann ergebenden halbierten Betrag wird eine fiktive Steuerschuld errechnet. Diese Rechenposition, also die fiktive Steuerschuld, wird verdoppelt. Und dieser Betrag wiederum ist dann die reale Steuerschuld der Ehegatten als Gesamtschuldner. Insofern wird der Gesamtbetrag nicht der Steuerprogression ausgesetzt, also der relativ immer höher werdenden Steuerschuld, je mehr Einkommen zu versteuern ist.
Rz. 209
Durch die Zusammenveranlagung entsteht auf Seiten der Ehegatten eine Gesamtschuld, wenn Steuern nachzuzahlen sind, § 44 Abs. 1 AO, aber keine Gesamtgläubigerschaft, wenn Steuern zurückgefordert werden können. Eventuelle Steuererstattungsansprüche werden nicht hälftig geteilt, sondern errechnen sich anhand der Höhe des jeweils zu leistenden Steuerbeitrags. Voraussetzung für die Zusammenveranlagung ist, dass die Ehegatten diese Veranlagungsart gewählt haben. Das geschieht durch Abgabe der Steuererklärung, § 26 Abs. 2 EStG. Denn wenn die Ehegatten die Zusammenveranlagung wählen, haben sie eine gemeinsame Steuererklärung abzugeben, die von beiden eigenhändig zu unterschreiben ist, § 25 Abs. 3 S. 2 EStG. Zwar sollte dann im Rahmen der Erklärung die Wahl der Zusammenveranlagung deutlich gemacht werden (durch Ankreuzen des entsprechenden Feldes). Unterbleibt Letzteres aber, wird ohnehin automatisch die Zusammenveranlagung durchgeführt, § 26 Abs. 3 EStG.
Rz. 210
Ist eine Zusammenveranlagung nicht möglich, sei es, weil einer der Ehegatten die Unterschrift unter die gemeinsame Steuererklärung verweigert oder aber dieser sich entscheidet, sich einzeln veranlagen zu lassen, wird typischerweise dem Besserverdienenden der beiden Ehegatten ein finanzieller Nachteil hierdurch entstehen. Die Steuerprogression wirkt sich dann zu Lasten des Besserverdienenden aus. § 32 Abs. 5 EStG findet nicht mehr zu seinen Gunsten Anwendung. Um diese Folge zu verhindern, hat derjenige, der den finanziellen Nachteil erleiden würde, gegen den anderen Ehegatten einen Anspruch auf Zustimmung zur Zusammenveranlagung. Dieser kann die Zustimmung nur dann verweigern, soweit er selbst finanzielle Nachteile erleiden würde, die im Innenverhältnis nicht ausgeglichen werden könnten. Soweit hingegen ein Ausgleich im Innenverhältnis erfolgen kann, kann er von dem Antragsteller im Gegenzug verlangen, so gestellt zu werden, wie er bei Durchführung der getrennten Veranlagung tatsächlich stehen würde.
Rz. 211
Die Zustimmung kann nicht mit dem Argument verweigert werden, eine Zusammenveranlagung dürfe gar nicht durchgeführt werden. Dies zu prüfen liegt allein im Aufgabenbereich der Finanzbehörde. Diese wiederum kann sich aber erst mit der Frage der Durchführbarkeit auseinandersetzen, ...