Dr. iur. Klaus-Peter Horndasch
I. Der Begriff der Leistungsfähigkeit nach § 1581 BGB
Rz. 1807
§ 1581 BGB regelt für den Geschiedenenunterhalt die Folgen einer vollständigen oder teilweisen Leistungsunfähigkeit.
Die Frage der Leistungsfähigkeit ist ebenso wie der Bedarf des Unterhaltsgläubigers und seine Bedürftigkeit als dritte Voraussetzung für die Verpflichtung zur Zahlung von Unterhalt zu prüfen. Gleichwohl ist sie – aus Zweckmäßigkeitsgründen – als Einwendung ausgestaltet.
Dies hat zur Folge, dass den Verpflichteten die Darlegungs- und Beweislast für das Vorliegen einer – ggf. teilweisen – Leistungsunfähigkeit trägt. Erhebt der Verpflichtete keine Einwendungen, wird deshalb davon ausgegangen, dass seine Leistungsfähigkeit nicht beeinträchtigt ist.
II. Eigener eheangemessener Bedarf
1. Eheangemessener Selbstbehalt
Rz. 1808
Beim nachehelichem Ehegatten- und beim Kindesunterhalt (§§ 1581, 1603 BGB), besteht keine Leistungsfähigkeit, wenn der eigene angemessene Unterhalt gefährdet ist, d.h. der so genannte Selbstbehalt unterschritten wird. Für die Prüfung der Leistungsfähigkeit ist aber das gesamte Einkommen des Pflichtigen, also prägendes und nicht prägendes, heranzuziehen.
Rz. 1809
Die Höhe des Selbstbehalts beläuft sich auf den eheangemessenen Selbstbehalt, derzeit 1.650 EUR und ist nach unten durch den notwendigen Selbstbehalt als unterste Grenze der Inanspruchnahme (= Existenzminimum) begrenzt. Grundsätzlich hat dem Unterhaltspflichtigen ein eheangemessener Selbstbehalt zu verbleiben. Es verblieb jedoch nach früherer Rechtsprechung dann lediglich ein notwendiger Selbstbehalt, wenn der Unterhaltsberechtigte ebenso schutzwürdig ist wie minderjährige Kinder, z.B. wenn der Berechtigte minderjährige Kinder betreut.
Nach der Düsseldorfer Tabelle beträgt dieser Selbstbehalt seit dem 1.1.2023 1.370 EUR (incl. 582 EUR Warmmiete), bei Nichtarbeit 1.120 EUR.
Rz. 1810
Der BGH hat in der Entscheidung vom 15.3.2006 jedoch erklärt, dass der Ehegattenselbstbehalt auch in diesen Fällen in der Regel mit einem Betrag zu bemessen ist, der zwischen dem angemessenen Selbstbehalt (§ 1603 Abs. 1 BGB) und dem notwendigen Selbstbehalt (§ 1603 Abs. 2 BGB) liegt.
Die Höhe des Selbstbehalts eines Umschülers ist streitig. Das OLG Dresden nimmt den Selbstbehalt eines nicht Erwerbstätigen an, das OLG Hamm denjenigen eines Erwerbstätigen. Das OLG Köln bestimmt einen Zwischenbetrag.
Die Höhe des einem Umschüler zu belassenen Selbstbehalts sollte sich nach den Umständen des Einzelfalls richten: Gibt es ausreichende Anhaltspunkte, die eine Gleichstellung mit einem Erwerbstätigen rechtfertigen, kann vom notwendigen Selbstbehalt ausgegangen werden. Anderenfalls muss es bei dem Selbstbehalt für nicht Erwerbstätige verbleiben.
Rz. 1811
In dem vom OLG Hamm am 6.4.2005 entschiedenen Fall war eine Gleichstellung mit Erwerbstätigen gerechtfertigt, weil die Umschulung in Vollzeitform erfolgte und die Umschulung der Wiederaufnahme der Arbeitstätigkeit diente.
Rz. 1812
Das Zusammenleben in einer Lebens- und Wirtschaftsgemeinschaft mit einem Erwerbstätigen rechtfertigt – jedenfalls im Mangelfall – die Herabsetzung des dem Unterhaltspflichtigen zu belassenden Selbstbehalts wegen ersparter Lebenshaltungskosten.
Nach einem Urteil des BGH vom 9.1.2008 kann in solchen Fällen der Selbstbehalt bis an die Grenze des sozialhilferechtlichen Bedarfs herabgesetzt werden.
Rz. 1813
Hinweis
Nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens beschränkt sich die Leistungsfähigkeit des Schuldners auf den Differenzbetrag zwischen pfändungsfreiem Betrag und dem Selbstbehalt (Pfändungsfreibetrag). So liegt die Pfändungsfreigrenze bei einem unterhaltsberechtigten Kind bei 1.622,16 EUR, bei zwei Kindern bei 1.869,28 EUR und bei drei Kindern bei 2.116,40 EUR.
2. Einkommen des Verpflichteten
Rz. 1814
Grundlage zur Beurteilung der Leistungsfähigkeit ist das bereinigte Nettoeinkommen.
Ggf. sind sonstige, auch f...