Rz. 29

Dass es bei einer ersatzlosen Verkürzung des Spektrums möglicher Ausgleichsansprüche nach gescheiterter nichtehelicher Lebensgemeinschaft nicht bleiben kann, leuchtet ein. Die Beteiligten begeben sich mit der Begründung einer nichtehelichen Lebensgemeinschaft nicht in einen rechtsfreien Raum. Der im Dienste der gemeinsamen Sache besonders engagierte Lebensgefährte ist schutzwürdig. Er ist auch schutzbedürftig, dies in noch höherem Maße als der Ehegatte, der wenigstens Aussicht auf einen Vermögensausgleich – abhängig vom Güterstand – im Scheidungsfalle oder (jedenfalls in Höhe seines Pflichtteils) bei Beendigung durch Tod hat.[82] Der BGH bejaht daher in den Urteilen vom 9.7.2008 grundsätzlich die Anwendung der Grundsätze über den Wegfall der Geschäftsgrundlage (§ 313 BGB) und von Rückforderungsansprüchen wegen Nichteintritt des mit der Leistung nach dem Inhalt des Rechtsgeschäfts bezweckten Erfolges (§ 812 Abs. 1 S. 2 Alt. 2 BGB).[83]

 

Rz. 30

Im Urteil XII ZR 39/06 erörtert der BGH eingehend einen Ausgleichsanspruch nach den Grundsätzen über den Wegfall der Geschäftsgrundlage (§ 313 BGB). Den zugrundeliegenden Vertrag erblickt er – entsprechend der ehebedingten Zuwendung unter Ehegatten – in einer "gemeinschaftsbezogenen Zuwendung". Geht es um Arbeitsleistungen, so spricht der BGH von einem Kooperationsvertrag.[84] Es handelt sich wie beim Vermögensausgleich in der Gütertrennungsehe[85] um ein Instrument der Billigkeitskorrektur. Voraussetzung hierfür ist, dass die Zuwendung in der Vorstellung oder Erwartung erfolgt ist, die Lebensgemeinschaft werde Bestand haben. Dass die Architektin ihre bedeutenden Eigenleistungen im Vertrauen auf den Fortbestand ihrer Partnerschaft erbracht hat, ist nahe liegend. Eine solche Zuwendung kann nach den Grundsätzen des Wegfalls der Geschäftsgrundlage nur korrigiert werden, wenn dem leistenden Partner die Beibehaltung der durch seine Leistungen und Beiträge geschaffenen Vermögensverhältnissen nach Treu und Glauben nicht zuzumuten ist.[86] Nach diesen Grundsätzen können Beiträge zur alltäglichen Lebensführung (z.B. Miete, Lebensmittel) nicht ausgeglichen werden, wohl dagegen Beiträge zur Anschaffung oder Bebauung eines gemeinsamen Familienwohnheims.

 

Rz. 31

Die Abgrenzung kann im Einzelfall schwierig sein. So hat der BGH in seinem Urt. v. 6.7.2011 in einem obiter dictum auch größere Einmalzahlungen vom Ausgleich ausgeschlossen, weil der Leistende nicht besser gestellt werden kann als der andere Partner, wenn letzterer nur den täglichen Bedarf deckt.[87] Das OLG Bremen hatte sich in einem Urt. v. 9.6.2011 und ihm nachfolgend der BGH in einem Urt. v. 8.5.2013 mit der Abgrenzung des ausgleichspflichtigen vom nicht ausgleichspflichtigen Bereich auseinander zu setzen.[88] Ein Tischler lebte von 1995 bis 2005 in nichtehelicher Lebensgemeinschaft mit einer Frau, aus der ein 1996 geborenes Kind hervorging. Ende 1996 erwarb die Frau eine Immobilie in Bremen zu einem Kaufpreis von 64.000 DM zu Alleineigentum. Hintergrund war, dass der Mann zu dieser Zeit nach eigenem Vortrag einen Schufa-Eintrag hatte, so dass er nicht kreditwürdig war. Die Immobilie sollte ungeachtet der dinglichen Lage beiden Partnern als Familienheim dienen und diente bis zum Auszug des Mannes 2005 auch hierzu. Zur Finanzierung nahm die Partnerin einen Kredit in Höhe von 80.000 DM auf. Nach seinem Vortrag erbrachte allein der vollschichtig erwerbstätige Mann die Kreditrate für die Immobilie in Höhe von monatlich 340 EUR. An der Immobilie wurden in der Folgezeit erhebliche Renovierungsarbeiten durchgeführt und sie wurde mit einem Anbau versehen. Daran wirkte auch der Partner mit. Bis zur Trennung soll sie eine erhebliche Wertsteigerung erfahren haben. Der Partner machte Ausgleichsansprüche geltend. Das OLG Bremen und der BGH verweigerten sie dem Partner.[89] Seine Zahlungen auf die Darlehensschuld seien Beiträge zum alltäglichen Lebensbedarf und unterlägen daher dem Ausgleichsverbot. Sie könnten nicht anders als Mietzahlungen behandelt werden und entsprächen der zwischen den Beteiligten gewählten Rollenverteilung.[90] Der vom Partner getragene Darlehensdienst von monatlich 340 EUR liege offenkundig zumindest nicht deutlich über dem Betrag, den die Beteiligten an Miete für entsprechenden Wohnraum hätte aufwenden müssen.[91] Die Arbeitsleistungen waren nicht belegt worden. Zwar hinkt der Vergleich der vom Kläger gezahlten Darlehensraten mit Mieten, weil die Leistungen des Klägers hier seine Partnerin – anders als Mieten – bereichert haben; dementsprechend hat der BGH jüngst[92] zwischen Tilgungsanteil und Zinsanteil differenziert und nur noch in Letzterem ein Mietäquivalent gesehen. Dennoch dürfte den Urteilen zuzustimmen sein, weil im vorliegenden Fall das Darlehen nur unerheblich getilgt worden war.[93]

 

Rz. 32

Der Ausgleichsanspruch ist nach der BGH-Rechtsprechung höhenmäßig einerseits durch die beim Empfänger noch vorhandene Vermögensmehrung,[94] andererseits durch die ersparten Kosten einer fremden Arbeitskraft[95...

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