Personalmanagementkongress 2016: Laues Lüftchen

Mit frischem Wind will der Bundesverband der Personalmanager (BPM) die Personalszene versorgen. Beim Personalmanagementkongress 2016, der unter dem Motto Passion stand, setzten die Verantwortlichen vor allem auf Altbekanntes. Eine Analyse von Reiner Straub.

Am Anfang des Kongresses erinnerte Dr. Elke Eller mit bewegenden Worten an Joachim Sauer, den Gründungspräsidenten, der vor wenigen Wochen viel zu früh verstorben ist. Nach einer Gedenkminute ging es dann mit dem Kongress los, ganz im Sinne von Sauer: nicht lamentieren, sondern machen. Im Unterschied zum Vorgänger eröffnete BPM-Präsidentin Eller den Kongress mit einer kurzen programmatischen Rede.

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Angesichts des Brexits seien vorschnelle Schlüsse unangebracht, vielmehr müsse man die Situation genau analysieren, mahnte Eller: "Je größer die Unsicherheiten sind, desto wichtiger ist es, ein inneres Navigationssystem zu haben." Und sie erläuterte, was sie damit meinte: "HRler brauchen eine Leidenschaft für die Profession und für die Menschen im Unternehmen."

Nachholbedarf bei Digitalisierung

Unter dem Dreiklang Mensch-Technik-Organisation zeigte sie die Herausforderungen für HR auf und diagnostizierte – auf Grundlage einer Mitgliederbefragung – einen erheblichen Nachholbedarf bezüglich der Digitalisierung: Eine gute digitale Reife gebe es nur bei 40 Prozent der befragten Unternehmen, während 90 Prozent damit rechnen, dass sie sich in den nächsten Jahren damit auseinandersetzen müssen. Diese Kluft müsse schnell geschlossen werden, so Eller. Der BPM wolle seinen Beitrag leisten. Eine der Initiativen dazu sei die neue Mitglieder-App, die eine digitale Verbandskommunikation unterstützen solle und eigene Erfahrungen in einer digitalisierten Kommunikation möglich mache.

Jünger der Disruption

Mit der digitalen Disruption beschäftigte sich Christoph Keese in der ersten Keynote des Kongresses, die unter dem Titel "Silicon Valley – was aus dem mächtigsten Tal der Welt auf uns zukommt" stand. Aus Sicht des Axel-Springer-Managers stellen die amerikanischen Internetfirmen eine große Bedrohung für die deutsche Wirtschaft dar. "Die zehn wertvollsten Firmen kommen heute alle aus den USA. Fünf davon sind rein digitale Unternehmen", so Keese, der von deren Geschäftsmodellen fasziniert ist. Kennzeichen dieser Firmen sei, dass sie selbst keine Assets haben, sondern nur Plattformen betreiben. "Facebook ist die größte Medienfirma der Welt, hat aber selbst keine Medien. Airbnb ist die größte Hotelkette der Welt, ohne selbst Betten zu haben", sagte Keese. Der Plattform-Kapitalismus, wie er die Digitalwirtschaft nannte, erfordere ein neues Führungsmodell, Netzwerke seien Hierarchien überlegen. "Der Geschäftsführer kann nicht mehr wissen, wo der richtige Weg lang führt. Er kann nur noch den Prozess organisieren, damit die Organisation eine Antwort findet", meinte Keese.

Zu viele Wiederholungen

Manager Keese präsentierte auf lebendige Art einen Vortrag, der recycelt war. Das mag für die meisten Zuhörer unproblematisch sein, wirft aber kein gutes Licht auf den Veranstalter, wenn Keese denselben Vortrag (inklusive Folien und Anekdoten) wenige Wochen zuvor bei der Konkurrenz (DGFP) am selben Ort (Berlin) für dasselbe Publikum (HR-Fachleute) gehalten hat.

Die Wiederholung von Altbekanntem war in diesem Jahr kein Einzelfall, sondern mehrfach zu beobachten: Christian Illek, Personalchef der Telekom, hatte seine provokativen Thesen bereits auf dem DGFP-Kongress vertreten, Inhalte und Folien unterschieden sich aber. Richard David Precht und Prof. Dr. Manfred Spitzer hatten bereits auf der Branchenmesse Zukunft Personal gesprochen und auch das Startup-Thema hatte die DGFP wesentlich früher aufgegriffen. Um nicht missverstanden zu werden: Das waren alles gute Vorträge und für den Großteil der Teilnehmer vermutlich neu. Doch für den Anspruch, frischen Wind in die Szene zu bringen, hat zumindest ein neuer Kopf gefehlt.

Schwesig drückt sich vor Kontroverse

Ein Highlight des Kongresses war der Auftritt von Bundesfamilienministerin Manuela Schwesig, die im Vorjahr kurzfristig verhindert war und jetzt dem BPM die Ehre gab. Die Mitgliederversammlung des BPM hatte am Vortag ein Positionspapier verabschiedet, das sich klar gegen ihren Gesetzentwurf zur Lohngleichheit aussprach. Schwesig ging im Vortrag leider nicht darauf ein, sprach eher grundsätzlich über die Vereinbarkeit von Beruf und Familie. Sie lobte die zahlreichen Initiativen, die in den Betrieben laufen, warb für den weiteren Ausbau und mehr Qualität bei der Kinderbetreuung und kündigte ihr Familienarbeitszeitmodell an, das sie in den nächsten Wochen präsentieren wolle.

Grandiose Performance

Mit einer grandiosen Performance inszenierte sich SAP-Personalvorstand Stefan Ries: In Turnschuhen, T-Shirt und Jeans schwebte er zu Klängen von Udo Lindenberg auf die Bühne, brachte einen Zeichner mit, der seinen Vortrag zu "Die Zukunft ist da" in Echtzeit illustrierte. Mit Coolness versuchte er den Personalern Mut zu machen. "Wir sollten nicht darüber diskutieren, ob wir am Vorstandstisch sitzen, sondern handeln", sagte Ries und warb dafür, Udo Lindenberg nachzueifern: 70 Jahre alt, drei Stunden Performance und 36 Lieder – das sei eine tolle Performance, an der sich die Personalarbeit orientieren könne. Er postulierte drei Erfolgskriterien für eine gute Personalarbeit: Standardisierung, Simplifizierung und Kundenzufriedenheit.

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Und eine weitere Botschaft hatte er im Gepäck: Zahlen, Daten, Fakten seien für Personaler extrem wichtig. "Wir brauchen dabei kein Big Data, wir müssen smart denken", sagte das BPM-Präsidiumsmitglied Ries und ging auf Grundlage dieses "konzeptionellen Rahmens" bruchlos in die werbliche Vorstellung eines neuen SAP-HR-Tools über, das Echtzeitdaten vorführte. Die Begeisterung, die er mit seiner Anfangsinszenierung entfacht hatte, war weg. Der Werbeslot, der ohne Augenzwinkern vorgetragen wurde, sorgte am Abend für reichlich Diskussionen.

Grenzen der Kommerzialisierung

Die Zahlen des BMP sind nach wie vor beeindruckend: 1.500 Personalfachleute kamen nach Berlin, die Nacht der Personaler war mit Awards und Künstlern wieder ein gelungener Abend. Drei Unkonferenzen wurden erstmals ins Programm integriert, das aus über 70 Vorträgen bestand. Darunter befanden sich zahlreiche gute Einzelsessions, die im Social Web teilweise dokumentiert sind (Twitter: #pmk). Dennoch gibt es in diesem Jahr ein "aber" bei der Bewertung. Der Verbandspartner hat fast die Hälfte der Vorträge über Werbepakete (Stand, Vortrag etc.) verkauft, dies im Programm aber nur mit dem Hinweis "Expert Session" kenntlich gemacht.

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Diese starke Kommerzialisierung des inhaltlichen Kongressprogramms mag für einen privaten Veranstalter zielführend sein, für einen Verband, der sich der Förderung der Profession auf die Fahnen geschrieben hat und sich am Prinzip der Gemeinnützigkeit messen lassen muss, ist das ein schmaler Grat. Das Präsidium ist gefordert, klarere Grenzen zu ziehen. Nach einer rasanten Aufwärtsentwicklung in den vergangenen Jahren hat der Personalmanagementkongress in diesem Jahr erstmals an Strahlkraft eingebüßt.

 

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