Entscheidungsstichwort (Thema)
Befristeter Arbeitsvertrag zur Vertretung – schultypenübergreifender Gesamtvertretungsbedarf bei Lehrkräften
Leitsatz (amtlich)
Ein schultypenübergreifender Gesamtvertretungsbedarf an Lehrkräften kann die Befristung der Arbeitsverträge der Vertretungskräfte sachlich rechtfertigen (Bestätigung der Senatsrechtsprechung im Urteil vom 3. Dezember 1986 – 7 AZR 354/85 – BAGE 54,10 = AP Nr. 110 zu § 620 BGB Befristeter Arbeitsvertrag). Voraussetzung dafür ist, daß das beklagte Land die planmäßigen Lehrkräfte ungeachtet ihrer Lehrbefähigung und ihres jeweiligen Status zur Abdeckung vorübergehender Bedarfslagen an allen Schulen einsetzen kann.
Schließt das beklagte Land mit Vertretungskräften zur Abdeckung eines schuljahresbezogenen Gesamtvertretungsbedarfs Zeitverträge für die Dauer eines Schuljahres, muß der Vertretungsbedarf auf einer zeitlich entsprechenden Abwesenheit planmäßiger Lehrkräfte beruhen.
Normenkette
BGB § 620
Verfahrensgang
Tenor
Auf die Revision des beklagten Landes wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Berlin vom 4. September 1997 – 17 Sa 52/97 – aufgehoben.
Der Rechtsstreit wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Wirksamkeit der Befristung von Arbeitsverträgen.
Der Kläger ist seit Januar 1993 bei dem beklagten Land als Lehrer aufgrund mehrfach befristeter Arbeitsverhältnisse beschäftigt. Er unterrichtet die Fächer Mathematik und Physik.
Nach dem Arbeitsvertrag vom 11. August 1995 wurde er für die Dauer der Beurlaubung einer Lehrerin für die Zeit vom 29. Juni 1995 bis zum 19. Juni 1996 in Vollzeit beschäftigt. Im Anschluß daran schlossen die Parteien am 7. Juni 1996 einen Vertrag für die Zeit vom 20. Juni 1996 bis 3. August 1996 zur Sicherung der Ferienbezahlung. Dieser Vertrag enthielt erstmals eine Erklärung, mit der sich der Kläger die Nachprüfung der Befristung vorbehielt. Am 7. August 1996 vereinbarten die Parteien für die Zeit vom 4. August 1996 bis zum 2. August 1997 einen weiteren befristeten Arbeitsvertrag als Aushilfsangestellter zur Vertretung für die Dauer der Beurlaubung eines namentlich genannten Lehrers mit einer Teilzeitbeschäftigung mit 15 Pflichtwochenstunden. Dieser Vertrag enthält einen Vorbehalt des Klägers, der wie folgt lautet:
„Mit der Unterzeichnung des heute mir vorgelegten weiteren befristeten Arbeitsvertrages verzichte ich nicht auf meine Rechte, den Bestand eines unbefristeten Arbeitsverhältnisses, insbesondere aufgrund des ersten Vertrages aus dem Jahre 1993 nebst den sich daran anschließenden Zusatzverträgen bzw. Verlängerungsmitteilungen, gerichtlich überprüfen zu lassen. Keinesfalls will ich mit der Unterschrift unter dem heutigen Arbeitsvertrag ein meiner Meinung nach bereits bestehendes unbefristetes Arbeitsverhältnis auflösen.”
Der Kläger hat die ihm arbeitsvertraglich zugeordneten Lehrkräfte weder unmittelbar noch mittelbar vertreten. Seine befristete Einstellung erfolgte zur Deckung eines Gesamtvertretungsbedarfs an Lehrkräften, den das seit dem 1. Februar 1995 für den Einsatz und die Einstellung von Lehrkräften an allen Berliner Schulen zuständige Landesschulamt schultypenübergreifend ermittelt hatte.
Der Kläger hat gemeint, ein Vertretungsfall liege nicht vor. Seine Einstellung sei erfolgt, um einen Dauerbedarf an Lehrkräften zu decken. Die Prognose des Arbeitgebers zu einem vorübergehenden Arbeitskräftebedarf bei Lehrkräften sei nicht stichhaltig und auch nicht auf den Zeitpunkt des Vertragsschlusses bezogen. Es werde jeder vorübergehende Ausfall von planmäßigen Lehrkräften ungeachtet seiner Dauer bei der Berechnung des schuljahresbezogenen Gesamtvertretungsbedarfs berücksichtigt. Schließlich beschäftige das beklagte Land nach einer nicht nachvollziehbaren Konzeption auch Vertretungskräfte in unbefristeten Arbeitsverhältnissen.
Der Kläger hat beantragt
Das beklagte Land hat beantragt, die Klage abzuweisen.
Die befristete Einstellung des Klägers halte sich im Rahmen eines für die Schuljahre 1995/1996 bzw. 1996/1997 festgestellten Gesamtvertretungsbedarfs an Lehrkräften. Der Gesamtvertretungsbedarf werde ermittelt anhand der zu erwartenden Schülerzahlen, der aktuellen Unterrichtsvorgaben und des dazu erforderlichen Lehrerbedarfs nach Durchführung eines regionalen bzw. überregionalen Personalausgleichs bei Lehrkräften. Im Schuljahr 1995/1996 seien 1.260 befristet tätige Vertretungskräfte mit ca. 1.030 Stellenäquivalenten für insgesamt 2.917 freie Stellenäquivalente von planmäßigen Lehrkräften eingestellt worden, die aus unterschiedlichen Gründen für eine Lehrertätigkeit in diesem Schuljahr nicht oder nur zum Teil zur Verfügung gestanden hätten. Im übrigen betreffe der zwischen den Parteien vereinbarte Vorbehalt ausschließlich die Vertragsdauer und nicht den Vertragsinhalt. Infolgedessen könnte bei einer unwirksamen Befristung zwischen den Parteien aufgrund des Vertragsschlusses vom 7. August 1996 allenfalls ein Teilzeitarbeitsverhältnis bestehen.
Die Vorinstanzen haben der Klage stattgegeben. Mit der Revision erstrebt das beklagte Land die Abweisung der Klage. Der Kläger beantragt die Zurückweisung der Revision.
Entscheidungsgründe
Die Revision des beklagten Landes ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung des Rechtsstreits an das Landesarbeitsgericht. Der vom Berufungsgericht festgestellte Sachverhalt läßt keine abschließende Beurteilung zu, ob die Befristung des Arbeitsverhältnisses der Parteien aus Gründen der Gesamtvertretung sachlich gerechtfertigt und damit wirksam ist.
I. Das Landesarbeitsgericht hat für die Befristungskontrolle zu Recht auf den Arbeitsvertrag vom 11. August 1995 abgestellt und nicht nur den letzten Vertrag vom 7. August 1996 überprüft.
Nach der ständigen Senatsrechtsprechung (Urteil vom 15. Februar 1995 – 7 AZR 680/94 – AP Nr. 166 zu § 620 BGB Befristeter Arbeitsvertrag, m.w.N.) ist zwar bei mehreren aufeinanderfolgenden Fristverträgen im Rahmen der arbeitsgerichtlichen Befristungskontrolle grundsätzlich nur die Befristung des letzten Vertrags auf ihre Wirksamkeit zu prüfen. Denn durch den vorbehaltlosen Abschluß eines befristeten Arbeitsvertrags stellen die Parteien ihre arbeitsvertraglichen Beziehungen auf eine neue Rechtsgrundlage. Sie ist künftig für ihre Vertragsbeziehungen maßgebend. Das gilt nicht, wenn die Parteien in einem nachfolgenden befristeten Vertrag dem Arbeitnehmer das Recht vorbehalten, die Wirksamkeit der vorigen Befristung überprüfen zu können. Ein solcher Vorbehalt eröffnet dann die arbeitsgerichtliche Befristungskontrolle auch des vorangegangenen Vertrags (BAG Urteil vom 4. April 1990 – 7 AZR 259/89 – BAGE 65, 86 = AP Nr. 136 zu § 620 BGB Befristeter Arbeitsvertrag, m.w.N.). So verhält es sich im Streitfall. Nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts haben die Parteien in dem Vertrag vom 7. Juni 1996 und in dem nachfolgenden Zeitvertrag vom 7. August 1996 einen Vorbehalt zugunsten des Klägers aufgenommen. Damit unterliegt auch der diesen Verträgen vorangehende Zeitvertrag vom 11. August 1995 der Befristungskontrolle unabhängig davon, ob der die Ferienbezahlung sichernde Vertrag vom 7. Juni 1996 als selbständiger Vertrag oder als unselbständiger Annexvertrag zum Vertrag für das Schuljahr 1995/1996 anzusehen ist.
II. Das Landesarbeitsgericht hat die Befristung im Vertrag vom 11. August 1995 schon deswegen für unwirksam gehalten, weil das beklagte Land seinen gesamten Vertretungsbedarf bei Lehrkräften schultypenübergreifend ermittelt hat. Mit dieser Begründung kann der Klage nicht stattgegeben werden. Das Landesarbeitsgericht hat mit seinen Ausführungen die dem Sachgrund der Gesamtvertretung bei Lehrkräften im Schulbereich zugrunde liegenden Wertungsmaßstäbe verkannt.
1. Nach den Grundsätzen der arbeitsgerichtlichen Befristungskontrolle ist die Befristung eines Arbeitsvertrags u. a. nicht funktionswidrig und damit auch nicht geeignet, den gesetzlichen Kündigungsschutz objektiv zu umgehen, wenn der Arbeitgeber bereits bei Abschluß des Zeitvertrags aufgrund konkreter tatsächlicher Anhaltspunkte die Prognose stellen kann, die Beschäftigungsmöglichkeit für den Arbeitnehmer werde zu einem bestimmten Zeitpunkt mit dem Eintreten eines bestimmten Ereignisses entfallen (BAG Urteil vom 3. Dezember 1997 – 7 AZR 651/96 – AP Nr. 196 zu § 620 BGB Befristeter Arbeitsvertrag, m.w.N.).
a) Deshalb ist die Vertretung für einen zeitweilig ausfallenden Mitarbeiter als sachlicher Grund für eine Befristung anerkannt, wenn der Arbeitgeber mit der Rückkehr dieses Mitarbeiters rechnen muß. Infolge der absehbaren Rückkehr des Vertretenen kann der Arbeitgeber bei Vertragsschluß mit der Vertretungskraft die hinreichend sichere Prognose stellen, daß an deren Arbeitskraft nur ein vorübergehender Bedarf besteht. Deshalb ist die Befristung eines Arbeitsverhältnisses mit dem Vertreter nicht funktionswidrig. Sie erfolgt nicht zur objektiven Umgehung des Kündigungsschutzes (BAG Urteil vom 22. November 1995 – 7 AZR 252/95 – AP Nr. 178 zu § 620 BGB Befristeter Arbeitsvertrag).
b) Der von der Rechtsprechung mit dem Begriff der Vertretung bezeichnete Sachgrund meint jedoch weder eine unmittelbare noch eine mittelbare Vertretung im Rechtssinne. Der Sachgrund liegt in diesen Fällen darin, daß der Arbeitgeber den von ihm vorgegebenen Arbeitskräftebedarf für die Erledigung bestimmter Arbeitsaufgaben bereits durch einen Arbeitsvertrag bzw. ein Beamtenverhältnis mit dem zu Vertretenden abgedeckt hat. Aus diesem Grund besteht an der Arbeitskraft des Vertreters schon bei Vertragsschluß nur ein vorübergehender, zeitlich durch die Rückkehr des Vertretenen begrenzter Bedarf (BAG Urteil vom 24. September 1997 – 7 AZR 669/96 – AP Nr. 192 zu § 620 BGB Befristeter Arbeitsvertrag, m.w.N.).
c) Eine befristete Beschäftigung zur Vertretung läßt die Versetzungs- und Umsetzungsbefugnisse des Arbeitgebers unberührt (BAG Urteil vom 13. April 1983 – 7 AZR 51/81 – BAGE 42, 203 = AP Nr. 76 zu § 620 BGB Befristeter Arbeitsvertrag, zu II 4 der Gründe, m.w.N.) Die der Befristungskontrolle zugrunde liegenden Wertungsmaßstäbe verlangen daher nicht, daß die befristet eingestellte Vertretungskraft mit den Arbeitsaufgaben betraut wird, deren Erbringung von dem Vertretenen geschuldet wird. Bei einem vorübergehenden Ausfall eines Stammarbeitnehmers kann der Arbeitgeber darüber bestimmen, ob er den Arbeitsausfall überhaupt überbrücken will (BAG Urteil vom 11. November 1998 – 7 AZR 328/97 – zur Veröffentlichung in der Fachpresse vorgesehen) oder ob er im Wege der Umverteilung die von dem zeitweilig verhinderten Arbeitnehmer zu erledigenden Arbeitsaufgaben anderen Mitarbeitern zuweist oder dessen Aufgaben ganz oder teilweise von einer Vertretungskraft erledigen läßt. Der zeitweilige Ausfall eines Mitarbeiters und die dadurch bedingte Einstellung einer Ersatzkraft können auch eine Umorganisation erfordern, die einen neuen Arbeitsplatz entstehen läßt (BAG Urteil vom 21. März 1990 – 7 AZR 286/89 – AP Nr. 135 zu § 620 BGB Befristeter Arbeitsvertrag). Die Kongruenz von Einsatzort und Aufgabengebiet einer Vertretungskraft und einem vorübergehend nicht zur Verfügung stehenden Mitarbeiter erleichtert zwar den Nachweis, daß der Zeitvertrag mit der Vertretungskraft auf dem Sachgrund der Vertretung beruht. Unabdingbare Voraussetzung ist sie aber nicht. Das ist allein die auf einer konkreten Prognose des Arbeitgebers beruhende Erwartung eines vorübergehenden Arbeitskräftebedarfs infolge einer zeitweiligen Verhinderung eines Stammarbeitnehmers (st. Rspr., Urteil vom 8. Mai 1985 – 7 AZR 191/84 – BAGE 49, 73 = AP Nr. 97 zu § 620 BGB Befristeter Arbeitsvertrag).
2. Diese anhand einer Einzelvertretung entwickelten Grundsätze gelten regelmäßig auch bei einer sog. Gesamtvertretung von Lehrkräften.
a) Von den Fällen einer unmittelbaren/mittelbaren Einzelvertretung unterscheidet sich eine Gesamtvertretung bei Lehrkräften im Schulbereich dadurch, daß innerhalb einer durch Organisationsentscheidung festgelegten Verwaltungseinheit der Vertretungsbedarf für das Lehrpersonal eines Schulbereichs bezogen auf ein Schuljahr rechnerisch ermittelt und durch befristet eingestellte Vertretungskräfte abgedeckt wird, die – von Ausnahmen abgesehen – nicht an den Schulen der zu vertretenden Lehrkräfte eingesetzt werden oder deren Fächerkombinationen unterrichten. Eine darauf gestützte Befristung ist nach der Senatsrechtsprechung wirksam, wenn sich für ein Schuljahr aufgrund der zu erwartenden Schülerzahlen und der unterrichtsorganisatorischen Vorgaben ein Unterrichtsbedarf ergibt, der mit den planmäßigen Lehrkräften nur deshalb nicht abgedeckt werden kann, weil ein Teil dieser Lehrkräfte in diesem Zeitraum aufgrund einer feststehenden Beurlaubung für die Unterrichtsversorgung vorübergehend nicht zur Verfügung steht (BAG Urteile vom 13. April 1983 – 7 AZR 51/81 – BAGE 42, 203 und vom 3. Dezember 1986 – 7 AZR 354/85 – BAGE 54, 10 = AP Nr. 76 und Nr. 110 zu § 620 BGB Befristeter Arbeitsvertrag). In diesem Fall besteht für die befristet eingestellten Vertretungskräfte bereits bei Vertragsschluß nur ein vorübergehender, durch die zu erwartende Rückkehr der planmäßigen Lehrkräfte begrenzter Beschäftigungsbedarf. Das schließt eine objektive Umgehung des gesetzlichen Kündigungsschutzes der Vertretungskräfte aus, wenn sich ihre Zahl im Rahmen des tatsächlichen Vertretungsbedarfs hält.
b) Danach liegt dem Sachgrund der Gesamtvertretung von Lehrkräften ein konkreter Aushilfsbedarf für die Erledigung bestimmter Arbeitsaufgaben zugrunde. Diesen Aushilfsbedarf könnte der Arbeitgeber auch im Wege einer Einzelvertretung abdecken. Dazu würde es genügen, im einzelnen Fall eine vorübergehend nicht zur Verfügung stehende planmäßige Lehrkraft für die Dauer ihrer Abwesenheit förmlich an diejenige Schule zu versetzen, an der die Vertretungskraft eingesetzt und mit Aufgaben beschäftigt wird, die auch die planmäßige Lehrkraft erbringen könnte. Will der Arbeitgeber diese umständliche und letztlich sinnentleerte Maßnahme nicht durchführen, bleibt er doch an die dem Sachgrund der Vertretung immanente Vorgabe gebunden, daß diese Umsetzungs- oder Versetzungsmaßnahme tatsächlich möglich ist. Der Sachgrund der Gesamtvertretung im Schulbereich setzt demnach umfassende Versetzungs- und Umsetzungsbefugnisse des Arbeitgebers hinsichtlich der beamteten und angestellten planmäßigen Lehrkräfte sowie der befristet angestellten Vertretungskräfte voraus. Verzichtet wird lediglich auf die förmliche Durchführung von Versetzungs- und Umsetzungsmaßnahmen allein zum Nachweis des Aushilfsbedarfs.
3. Nach diesen Grundsätzen kann der Sachgrund der Gesamtvertretung im Schulbereich nicht schon deswegen verneint werden, weil das Landesschulamt für das beklagte Land einen Bedarf an Vertretungskräften für alle Berliner Schulen gemeinsam und ohne Rücksicht auf den jeweiligen Schultyp ermittelt hat. Nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts war das Landesschulamt seit dem 1. Februar 1995 aufgrund einer gerichtlich nicht nachprüfbaren Organisationsentscheidung für die Organisation des Lehrereinsatzes für die Berliner Schulen zuständig. Das läßt grundsätzlich eine schultypenunabhängige Ermittlung und einem Ausgleich des Vertretungsbedarfs bei Lehrkräften zu, soweit das Landesschulamt über uneingeschränkte Versetzungs- und Umsetzungsbefugnisse verfügt und imstande ist, Personalüberhänge und Personalbedarfslagen im Schulbereich unabhängig vom jeweiligen Schultyp auszugleichen und dazu die angestellten oder verbeamteten planmäßigen Lehrer ohne Rücksicht auf deren Lehrbefähigung und Status zur Abdeckung eines vorübergehenden Personalbedarfs an allen Berliner Schulen einzusetzen. Dazu hat das Landesarbeitsgericht keine Feststellungen getroffen, weil es von der grundsätzlichen Unwirksamkeit schultypenübergreifender befristeter Vertretungen ausgegangen ist. Es hat folgerichtig nicht geprüft, ob das beklagte Land zum schultypenübergreifenden Einsatz und der fachfremden Verwendung seiner Lehrkräfte zur Abdeckung vorübergehender Bedarfslagen berechtigt ist. Diese Prüfung ist jedoch Voraussetzung für das Eingreifen des Sachgrunds der Gesamtvertretung bei Lehrkräften überhaupt und von dem Landesarbeitsgericht auf der Grundlage entsprechenden Vorbringens des beklagten Landes noch nachzuholen. Kommt es in dem anschließenden Berufungsverfahren, in dem neuer Sachvortrag wieder uneingeschränkt zulässig ist, zu dem Ergebnis, daß ein schultypenübergreifender Ausgleich von Personalüberhängen und Personalbedarfslagen nicht statthaft war, sind die Voraussetzungen für den Sachgrund einer schultypenübergreifenden Gesamtvertretung bei Lehrkräften nicht erfüllt. Darauf gestützte Befristungen sind sachlich nicht gerechtfertigt und damit unwirksam.
III. Andernfalls hat das Landesarbeitsgericht den Sachverhalt weiter aufzuklären und folgendes zu beachten:
1. Eine auf den Sachgrund der Gesamtvertretung im Schulbereich gestützte Befristung ist auch nicht deswegen unwirksam, weil das beklagte Land die Vertretungskräfte nicht nur zu Abdeckung eines Spitzenbedarfs eingesetzt und sie ungeachtet ihrer Examensnote eingestellt hat.
a) Der Sachgrund der Gesamtvertretung bei Lehrkräften setzt nicht voraus, daß das beklagte Land den in zulässiger Weise ermittelten Vertretungsbedarf durch die befristete Einstellung von Vertretungskräften völlig abdeckt. Nach den Wertungsmaßstäben dieses Sachgrunds ist es ausreichend, daß zwischen dem zeitweiligen Ausfall einer planmäßigen Lehrkraft und der befristeten Einstellung der Vertretungskraft ein Kausalzusammenhang besteht. Dieser Ursachenzusammenhang bleibt gewahrt, wenn die Zahl der befristet eingestellten Vertretungskräfte einen zutreffend ermittelten Gesamtvertretungsbedarf für planmäßige Lehrkräfte nicht übersteigt (Urteil vom 3. Dezember 1986, aaO). Eine Verpflichtung des Arbeitgebers, Arbeitskräfte entsprechend dem jeweiligen Bedarf zu beschäftigen, besteht nicht und ist auch nicht zum Nachweis des Ursachenzusammenhangs zu verlangen. Diesen hat das Landesarbeitsgericht anhand der vom beklagten Land genannten Daten zur Ermittlung des tatsächlichen Gesamtvertretungsbedarfs zu überprüfen.
b) Unerheblich ist auch, ob der Arbeitgeber bei der Auswahl von Vertretungskräften fachspezifische Bedarfslagen berücksichtigt, die nicht auf dem Ausfall von Lehrern, sondern auf einer unzureichenden Ausstattung mit planmäßigen Lehrkräften beruhen. Das gilt jedenfalls dann, wenn das beklagte Land nicht daran gehindert ist, für den Unterricht in diesen Fächern vorhandene planmäßige Lehrkräfte fachfremd zu verwenden. Insoweit verbleibt dem beklagten Land als Arbeitgeber die Entscheidung, ob und welche Arbeitsaufgaben von den Vertretungskräften erledigt werden sollen.
c) Nach den Wertungsmaßstäben der Gesamtvertretung im Schulbereich kommt es auch nicht darauf an, daß das beklagte Land bei der Einstellung von Vertretungskräften nicht nur solche mit schlechteren Prüfungsnoten berücksichtigt hat. Diese Einstellungspraxis wäre nur für den Sachgrund der Erprobung von Bedeutung, der hier nicht vorliegt. In diesem Zusammenhang kann sich das Landesarbeitsgericht auch nicht auf die Senatsentscheidung vom 3. Dezember 1986 (aaO) berufen. Mit seinen darauf bezogenen Ausführungen hat der Senat lediglich begründet, daß in dem damaligen Verfahren die Befristungen nicht vorgenommen worden waren, um den Zeitraum bis zur Arbeitsaufnahme besser geeigneter Lehramtsbewerber zu überbrücken.
2. Bei der Überprüfung des Gesamtvertretungsbedarfs ist auch zu würdigen, ob das beklagte Land alle von ihm angegebenen Ausfälle der planmäßigen Lehrer in die Berechnung einstellen durfte.
a) Der Sachgrund der Vertretung verlangt eine Prognose des Arbeitgebers zum Wegfall des Vertretungsbedarfs (BAG Urteil vom 11. Dezember 1991 – 7 AZR 431/90 – AP Nr. 141 zu § 620 BGB Befristeter Arbeitsvertrag). Diese Prognose hat sich darauf zu beziehen, ob im Zeitpunkt des Vertragsschlusses mit den Vertretungskräften zu erwarten ist, daß die zu vertretenden Mitarbeiter ihre Arbeit wieder aufnehmen bzw. ihren Dienst wieder antreten (BAG Urteil vom 22. November 1995 – 7 AZR 252/95 – AP Nr. 178 zu § 620 BGB Befristeter Arbeitsvertrag). Die Prognose gibt auch die Vorstellungen des Arbeitgebers zur zeitlichen Dauer des Vertretungsbedarfs wieder. Diese Vorstellung bestimmt zugleich die äußere Grenze der Laufzeit der Zeitverträge mit den Vertretungskräften. Das besagt die ständige Senatsrechtsprechung, wonach die Dauer der Vertretung nicht mit der Dauer des Sachgrundes identisch sein muß, sich jedoch am Sachgrund der Befristung zu orientieren und mit ihr derart in Einklang zu stehen hat, daß sie nicht gegen das Vorliegen des Sachgrundes spricht (BAG st. Rspr., zuletzt Urteil vom 31. August 1994 – 7 AZR 983/93 – AP Nr. 163 zu § 620 BGB Befristeter Arbeitsvertrag, zu V 1 der Gründe, m.w.N.).
Schließt das beklagte Land mit Vertretungskräften im Rahmen eines Gesamtvertretungsbedarfs schuljahresbezogene Zeitverträge, muß dieser Vertretungsbedarf auf zeitlich entsprechenden Abwesenheitszeiten planmäßiger Lehrkräfte beruhen. Daraus folgt, daß der Arbeitgeber bei der Ermittlung des Gesamtvertretungsbedarfs im Schulbereich nicht jede Abwesenheit einer planmäßigen Lehrkraft ungeachtet ihrer voraussichtlichen Dauer zum Anlaß für eine schuljahresbezogene Einstellung von Vertretungskräften nehmen darf. Denn ansonsten wäre der Sachgrund der Gesamtvertretung nur noch der äußere Anlaß für den Abschluß von Zeitverträgen und damit vorgeschoben, weil ein auf das Schuljahr bezogener tatsächlicher Vertretungsbedarf in diesem Umfang nicht besteht.
b) Das bedeutet im einzelnen:
aa) Der Arbeitgeber muß für jeden Einzelfall die Gründe kennen, auf denen die Abwesenheit seiner planmäßigen Mitarbeiter beruht. Nur anhand dieses Wissens kann zuverlässig beurteilt werden, ob mit der Rückkehr der zu vertretenden Mitarbeiter zu rechnen ist und deshalb der Bedarf an der Arbeitsleistung der Vertretungskräfte zeitlich begrenzt und auch weitgehend für die Dauer des Schuljahres besteht (BAG Urteil vom 24. September 1997 – 7 AZR 669/96 – AP Nr. 192 zu § 620 BGB Befristeter Arbeitsvertrag).
In den Fällen einer auf tariflichen oder beamtenrechtlichen Vorschriften beruhenden Beurlaubung bzw. Arbeitszeitreduzierung läßt sich ein vorübergehender und auch schuljahresbezogener Bedarf an der Arbeitsleistung der Vertretungskraft zuverlässig prognostizieren, weil der Arbeitgeber davon ausgehen muß, daß der beurlaubte Angestellte oder Beamte nach Ablauf eines schuljahresbezogenen Beurlaubungszeitraumes seinen Arbeitsaufgaben wieder in vollem Umfang nachgeht und für das kommende Schuljahr erneut zur Verfügung steht (Urteil vom 3. Dezember 1986, aaO).
bb) Für eine vorübergehende Abwesenheit, die auf der Gewährung von Erziehungsurlaub, Mutterschutz oder Erkrankung oder sonstigen Gründen beruht, gilt das nicht in gleicher Weise. Beim Erziehungsurlaub kann der Arbeitgeber eine konkrete Prognose zur Rückkehr des Arbeitnehmers nach Ablauf des jeweiligen Schuljahres nur bei einem beantragten oder bewilligten Erziehungsurlaub stellen, der zumindest die Dauer eines Schuljahres auch annähernd erreicht. Die Prognose zum vorübergehenden Arbeitsausfall aufgrund mutterschutzrechtlicher Vorschriften bezieht sich zwangsläufig auf Zeiträume, die mit dem Schuljahr regelmäßig nicht deckungsgleich sein werden. Diese Arbeitsausfälle dürfen in die Berechnung eines an der Dauer des Schuljahres orientierten Gesamtvertretungsbedarfs ebenso wenig einfließen wie krankheitsbedingte Abwesenheitszeiten planmäßiger Lehrkräfte, bei denen – etwa in Fällen von Kurzzeiterkrankungen – ein schuljahresbezogener Vertretungsbedarf nicht zuverlässig prognostiziert werden kann. Für sonstige Abwesenheitsgründe gilt nichts anderes. Sie können in die rechnerische Ermittlung des Gesamtvertretungsbedarfs einfließen, wenn sie im Zeitpunkt des Vertragsschlusses vorliegen und mit einer Rückkehr der zu vertretenden Mitarbeiter nicht vor Ablauf des Schuljahres zu rechnen ist.
cc) Der künftige Vertretungsbedarf wird jedoch nicht nur durch die Ungewißheit bestimmt, in welchem Umfang und für welche Zeitdauer bestehende Beschäftigungsverhältnisse suspendiert sein werden, sondern auch von der Entwicklung des tatsächlichen Arbeitsanfalls (Urteil vom 3. Dezember 1986, aaO). Das erfordert eine zusätzliche Prognose zum tatsächlichen Arbeitskräftebedarf aufgrund der für das jeweilige Schuljahr zu erwartenden Schülerzahlen, der Klassenstärken und der Auswirkungen organisationsspezifischer Unterrichtsvorgaben. Denn ein Gesamtvertretungsbedarf setzt die Deckung eines tatsächlichen Lehrkräftebedarfs voraus, der ohne die Beurlaubung oder sonstige schuljahresbezogene Abwesenheit von planmäßigen Lehrkräften ansonsten nicht entstanden wäre und für den an sich planmäßig angestellte Lehrkräfte auf Dauerarbeitsplätzen vorhanden sind (Urteil vom 3. Dezember 1986, aaO).
3. Das beklagte Land beschäftigt wegen eines ständigen und bisher nicht näher dargelegten Vertretungsbedarfs auch eine größere Anzahl von Lehrkräften in Dauerarbeitsverhältnissen. Beschäftigt ein Arbeitgeber zur Deckung des Vertretungsbedarfs sowohl befristet als auch unbefristet eingestellte Arbeitnehmer, bedarf es zur Rechtfertigung der Befristung einer am Sachgrund der Befristung orientierten Konzeption, um ausschließen zu können, daß der Befristungsgrund nicht nur vorgeschoben und die Befristung damit sachwidrig ist (BAG Urteil vom 12. September 1996 – 7 AZR 64/96 – AP Nr. 183 zu § 620 BGB Befristeter Arbeitsvertrag). Zwar kann das beklagte Land zur Abdeckung eines Vertretungsbedarfs eine sog. Personalreserve bilden und dafür Lehrkräfte auf Dauer beschäftigen (vgl. BAG Urteil vom 8. September 1983 – 2 AZR 438/82 – BAGE 44, 107 = AP Nr. 77 zu § 620 BGB Befristeter Arbeitsvertrag, zu III c der Gründe, m.w.N.). In diesem Fall dürfen jedoch die Anlässe, die der Dauervertretung zugrunde liegen, bei der Ermittlung des weiteren Gesamtvertretungsbedarfs nicht berücksichtigt werden, weil es insoweit an einem Vertretungsbedarf fehlt. Diese Zuordnung ist vom beklagten Land in einem erneuten Berufungsverfahren noch vorzutragen und vom Landesarbeitsgericht zu würdigen. In diesem Zusammenhang wird das Landesarbeitsgericht auch nähere Feststellungen darüber treffen müssen, inwieweit sich die vom Haushaltsgesetzgeber im Umfang von 5,76 % bzw. 4 % ab dem 1. Januar 1997 zur Verfügung gestellten nicht planmäßigen Mittel auf die Bedarfssituation im Lehrerbereich ausgewirkt haben.
IV. Kommt das Landesarbeitsgericht zu dem Ergebnis, daß die Befristung im Arbeitsvertrag vom 11. August 1995 unwirksam war, so besteht zwischen den Parteien ein Dauerarbeitsverhältnis in Vollzeit.
1. Der zum Vertrag vom 7. August 1996 erklärte Vorbehalt im Falle der Unwirksamkeit der vorangegangenen Befristungen führt nicht zu einer Herabsetzung der Arbeitszeit auf 15 von 23 Pflichtstunden. Die Annahme des Landesarbeitsgerichts, nach der dieser Vorbehalt lediglich die arbeitsgerichtliche Befristungskontrolle des vorangegangenen Zeitvertrags eröffnet, jedoch keine Änderung des Vertragsinhalts zur Folge hat, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Das Landesarbeitsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, daß nach den Grundsätzen der arbeitsgerichtlichen Befristungskontrolle die Unwirksamkeit einer Befristung zum dauerhaften Fortbestehen der durch den Zeitvertrag begründeten arbeitsvertraglichen Beziehungen zu den in diesem Vertrag vereinbarten Arbeitsbedingungen führt. Das gilt auch, wenn die Parteien einen neuen Arbeitsvertrag mit Vorbehalt schließen und der Vorbehalt sich nicht ausdrücklich auf den veränderten Inhalt der Arbeitsbedingungen bezieht. Denn ein Vorbehalt bewirkt lediglich, daß die nachfolgenden Vertragserklärungen nicht die Folgerung rechtfertigen, der vorhergehende Vertrag sei aufgehoben. Er ermöglicht die gerichtliche Befristungskontrolle trotz nachfolgenden Vertrages. Eine weitergehende Bedeutung für den Inhalt des nachfolgenden Vertrages kommt ihm nicht zu.
2. Ist nach den genannten Grundsätzen die Befristung des Arbeitsvertrags vom 11. August 1995 sachlich gerechtfertigt, wird das Berufungsgericht nach den Grundsätzen der Senatsrechtsprechung zur arbeitsgerichtlichen Befristungskontrolle von Annexverträgen prüfen müssen (vgl. Urteil vom 15. Februar 1995 – 7 AZR 680/94 – AP Nr. 166 zu § 620 BGB Befristeter Arbeitsvertrag zu I 2 der Gründe, m.w.N.), ob es sich bei dem nachfolgenden Vertrag vom 7. Juni 1996 für die Zeit vom 20. Juni 1996 bis zum 30. August 1996 um einen Annex zum Vertrag vom 11. August 1995 oder einen eigenständigen Vertrag handelt. Bei einem eigenständigen Vertrag käme es für die Wirksamkeit der Befristung auf ein vom beklagten Land noch näher vorzutragenden Sachgrund an.
3. Erweisen sich die genannten Befristungen als wirksam, wird das Landesarbeitsgericht nach dem gestellten Klageantrag auch zu prüfen haben, ob die Befristung des Arbeitsvertrags vom 7. August 1996 sachlich gerechtfertigt ist. In diesem Zusammenhang hat sich das beklagte Land wiederum auf den Sachgrund der Gesamtvertretung berufen, der nach den o. g. Regeln zu prüfen ist. Dabei wird das Landesarbeitsgericht bei der Feststellung des Gesamtvertretungsbedarfs berücksichtigen müssen, daß sich der Bedarf an Arbeitskräften im Lehrerbereich aufgrund der vom beklagten Land vorgetragenen haushaltsrechtlichen Vorgaben für das Schuljahr 1996/1997 verringert hatte, was die Feststellung des Gesamtvertretungsbedarfs nach den obigen Grundsätzen entsprechend beeinflußt.
Unterschriften
Dörner, Schmidt, Fischermeier, Nottelmann, G. Metzinger
Veröffentlichung
Veröffentlicht am 20.01.1999 durch Siegel, Amtsinspektorin als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle
Fundstellen
BAGE, 335 |
BB 1999, 1388 |
BB 2000, 100 |
NJW 1999, 3143 |
ARST 2000, 17 |
FA 1999, 235 |
JR 1999, 483 |
NZA 1999, 928 |
ZTR 1999, 425 |
AP, 0 |
AuA 2000, 88 |
MDR 1999, 1002 |
PersR 1999, 409 |
ZfPR 2000, 115 |