Leitsatz (amtlich)
Hat ein Steuerpflichtiger die von ihm auf den Grundstücksanteil des Ehegatten (Eigentümers) aufgewandten Herstellungskosten eines Gebäudes unter dem Gesichtspunkt eines Nutzungsrechts aktiviert, so tritt bei Beendigung des Nutzungsverhältnisses eine Gewinnrealisierung in Höhe der Differenz zwischen der Ausgleichsforderung gegenüber dem Eigentümer und dem Restbuchwert des aktivierten Nutzungsrechts ein.
Orientierungssatz
1. Errichtet der Ehemann auf einem Grundstück, das ihm und seiner Ehefrau je zur Hälfte gehört, ein Betriebsgebäude, ist wirtschaftliches Eigentum in der Form von Eigenbesitz (§ 11 Nr. 4 StAnpG, § 39 Abs. 2 Nr. 1 AO 1977) hinsichtlich des Gebäudeanteils der Ehefrau nicht schon deshalb zu bejahen, weil die nicht am Unternehmen beteiligte Ehefrau mit dem Bauvorhaben einverstanden war. Erforderlich ist vielmehr, daß die Ehefrau (Eigentümerin) durch vertragliche Vereinbarung oder aus anderen Gründen von der Einwirkung auf das Wirtschaftsgut für dauernd ausgeschlossen ist. Diese Voraussetzung ist dann erfüllt, wenn der Herausgabeanspruch der Ehefrau keine wirtschaftliche Bedeutung mehr hat oder ein Herausgabeanspruch überhaupt nicht besteht (vgl. BFH-Rechtsprechung).
2. Bei Errichtung eines Gebäudes auf fremdem Grund und Boden bemißt sich der Bereicherungsanspruch bzw. der daraus abzuleitende Ersatzanspruch (§§ 812, 951 BGB) zwar grundsätzlich nach dem Wert des Gebäudes im Zeitpunkt des Rechtsverlustes, also der Fertigstellung. Kommt allerdings der Eigentümer erst nach dem Zeitpunkt des Rechtsverlustes wieder in die Lage, das Grundstück nutzen zu können, so kann auch ein späterer Zeitpunkt für den Umfang des Bereicherungsanspruchs maßgebend sein (vgl. RG-Rechtsprechung und BGH-Rechtsprechung).
Normenkette
EStG § 4 Abs. 1, §§ 5, 7 Abs. 1; BGB § 951 i.V.m. § 812, § 812; StAnpG § 11 Nr. 4; AO 1977 § 39 Abs. 2 Nr. 1
Tatbestand
Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) betrieb bis Oktober 1972 ein ... Unternehmen und eine ...-Strickerei auf dem Grundstück A-Straße in W. Dieses Grundstück hatten er und seine mit ihm gemeinsam zur Einkommensteuer veranlagte Ehefrau im Jahre 1965 je zu Hälfte erworben. Anschließend wurden darauf die Betriebsgebäude errichtet. Zum 1.November 1972 veräußerte der Kläger die beiden Unternehmen. Grundstücke und Gebäude wurden in das Privatvermögen übernommen und an den Betriebserwerber verpachtet. Von Anfang an hatte der Kläger das Grundstück zur Hälfte und die Betriebsgebäude in vollem Umfang in seinen Bilanzen aktiviert, die auf die Ehefrau entfallende Gebäudehälfte unter dem Gesichtspunkt wirtschaftlichen Eigentums.
In die Anfangsbilanz zum 1.Januar 1972 nahm der Kläger die auf seine Ehefrau entfallende Gebäudehälfte nicht mehr auf. Er vertrat die Auffassung, daß er insoweit zu keinem Zeitpunkt wirtschaftlicher Eigentümer gewesen sei und daß die bisherige Bilanzierung falsch sei. Dementsprechend ergab sich ein niedrigerer Veräußerungsgewinn. Dieser Bilanzierung folgte der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) im Anschluß an eine Außenprüfung nicht. Das FA verwies auf die Vorprüfung, bei der der Kläger das wirtschaftliche Eigentum an der Gebäudehälfte seiner Ehefrau für sich beansprucht und das FA schließlich dieser Sachbehandlung zugestimmt hatte. Das FA vertrat die Auffassung, der Kläger sei an die in der Vergangenheit für ihn günstige Sachbehandlung gebunden, auch wenn sich diese bei der Betriebsveräußerung ungünstig für ihn auswirke. Nach einem Aktenvermerk vom 25.September 1970 hatte der Berater des Klägers telefonisch mitgeteilt, wirtschaftliches Eigentum des Ehemannes sei deshalb angenommen worden, weil er allein Bauherr gewesen sei, allein die Baukosten getragen habe und allein den Mietvertrag mit den Mietern geschlossen habe. Im übrigen sei diese Frage schon in der Vorprüfung so behandelt und entschieden worden.
Das FA errechnete für das Streitjahr vom 1.Januar bis 31.Oktober 1972 neben einem laufenden gewerblichen Gewinn einen Veräußerungsgewinn von 391 215 DM. Darin ist der Gebäudeanteil der Ehefrau mit einem Wert von 76 915 DM enthalten.
Gegen den Zusammenveranlagungsbescheid vom 27.April 1976 legte der Kläger Einspruch ein. Der Einspruch führte aus anderen Gründen zur Herabsetzung des laufenden Gewinns auf 290 523 DM und des Veräußerungsgewinns auf 360 407 DM. Im übrigen hatte der Einspruch keinen Erfolg. Das FA vertrat weiterhin die Auffassung, der Kläger sei nach Treu und Glauben an seine frühere Bilanzierung gebunden. Ergänzend begründete das FA seine Entscheidung damit, daß der Kläger das ihm von seiner Ehefrau unentgeltlich eingeräumte Nutzungsrecht in Höhe der von ihm geleisteten Aufwendungen wie ein materielles Wirtschaftsgut zu aktivieren habe.
Die dagegen gerichtete Klage hatte Erfolg. Das Finanzgericht (FG) ging davon aus, daß weder wirtschaftliches Eigentum an der Gebäudehälfte der Ehefrau noch ein zu bilanzierendes Nutzungsrecht anzunehmen sei.
Gegen das Urteil wendet sich das FA mit der Revision. Es rügt die Verletzung materiellen Rechts.
Entscheidungsgründe
Die Revision führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG. Die tatsächlichen Feststellungen des FG reichen nicht aus für eine Entscheidung darüber, ob der angefochtene Bescheid rechtmäßig ist.
1. Mit dem FG ist davon auszugehen, daß die Entnahme des Grundstücks einschließlich der aufstehenden Gebäude nicht schon deshalb zu einem Entnahmegewinn auch hinsichtlich des der Ehefrau zuzurechnenden Gebäudeanteils geführt hat, weil der Kläger wirtschaftlicher Eigentümer des Gebäudes gewesen wäre. Wie der Bundesfinanzhof (BFH) in seinen Urteilen vom 19.Mai 1971 I R 18/70 (BFHE 102, 396, BStBl II 1971, 643) und vom 31.Oktober 1978 VIII R 182/75 (BFHE 127, 163, BStBl II 1979, 399) ausgeführt hat, ist wirtschaftliches Eigentum in der Form von Eigenbesitz i.S. des § 11 Nr.4 des Steueranpassungsgesetzes --StAnpG-- (jetzt § 39 Abs.2 Nr.1 der Abgabenordnung --AO 1977--) bei Bauten auf fremdem Grund und Boden nicht schon deshalb zu bejahen, weil die nicht am Unternehmen beteiligte Ehefrau mit dem Bauvorhaben des Unternehmerehegatten einverstanden ist. Erforderlich ist vielmehr, daß der Eigentümer durch vertragliche Vereinbarung oder aus anderen Gründen von der Einwirkung auf das Wirtschaftsgut für dauernd ausgeschlossen ist (vgl. BFH-Urteil vom 26.Januar 1970 IV R 144/66, BFHE 97, 466, BStBl II 1970, 264; jetzt ausdrücklich § 39 Abs.2 Nr.1 Satz 1 AO 1977). Diese Voraussetzung ist dann erfüllt, wenn der Herausgabeanspruch des bürgerlich-rechtlichen Eigentümers keine wirtschaftliche Bedeutung mehr hat (BFH-Urteil vom 18.November 1970 I 133/64, BFHE 100, 516, BStBl II 1971, 133) oder ein Herausgabeanspruch überhaupt nicht besteht (BFH-Urteil vom 22.August 1984 I R 198/80, BFHE 142, 370, BStBl II 1985, 126). Aus einem bloßen Einverständnis mit dem Bauvorhaben läßt sich nicht ableiten, daß der Besitzer den Eigentümer für die gewöhnliche Nutzungsdauer von der Einwirkung auf das Gebäude ausschließen kann (vgl. Urteil in BFHE 127, 163, BStBl II 1979, 399).
2. Der erkennende Senat kann dem FG jedoch insoweit nicht folgen, als es ausgeführt hat, die Ehefrau habe dem Kläger ein Nutzungsrecht eingeräumt, dieses habe der Kläger jedoch nicht bilanziert, so daß ein Nutzungsrecht auch nicht gewinnrealisierend habe entnommen werden können; die Frage, ob tatsächlich ein Nutzungsrecht bestanden habe, das im Wege der Einlage in das Betriebsvermögen des Klägers gelangt sei, könne daher dahinstehen.
a) Entgegen der Auffassung des FG kann ein Nutzungsrecht nicht nur im Wege der Einlage in das Betriebsvermögen des Klägers gelangt sein. Ein Nutzungsrecht könnte vielmehr auch in Betracht kommen, wenn der Kläger die auf den Anteil seiner Ehefrau entfallenden Herstellungskosten des Gebäudes getragen hat und diese mit der betrieblichen Nutzung des Gebäudes einverstanden war (vgl. BFH-Urteile vom 13.Juli 1977 I R 217/75, BFHE 123, 32, BStBl II 1978, 6; in BFHE 127, 163, BStBl II 1979, 399; vom 31.Oktober 1978 VIII R 196/77, BFHE 127, 168, BStBl II 1979, 401, und vom 31.Oktober 1978 VIII R 146/75, BFHE 127, 501, BStBl II 1979, 507). Das den Anteil der Ehefrau umfassende (in diesem Falle entgeltlich erworbene) Nutzungsrecht wäre dann wie in materielles Wirtschaftsgut mit den anteiligen Anschaffungs- oder Herstellungskosten anzusetzen (BFH-Urteil vom 22.Januar 1980 VIII R 74/77, BFHE 129, 485, 488, BStBl II 1980, 244), auch wenn es sich der Sache nach nicht um die Gebäude oder Gebäudeteile, sondern um die aus deren Errichtung entstandenen schuldrechtlichen Ansprüche gegenüber der Ehefrau nach § 951 des Bürgerlichen Gesetzbuches --BGB-- (Urteil in BFHE 127, 163, BStBl II 1979, 399) und damit seinem Rechtscharakter nach um ein immaterielles Wirtschaftsgut handelt (BFH-Urteil vom 10.August 1984 III R 98/83, BFHE 142, 90, BStBl II 1984, 805). Eine Aktivierung der Anschaffungs- oder Herstellungskosten unter dem Gesichtspunkt eines Nutzungsrechts kommt nur dann nicht in Betracht, wenn in der Übernahme der Baukosten für den Miteigentumsanteil der Ehefrau eine Schenkung liegt (Urteil in BFHE 127, 163, BStBl II 1979, 399, und in BFHE 127, 168, BStBl II 1979, 401). Eine derartige Schenkung ist im Streitfall jedoch nicht anzunehmen, da der Kläger selbst geltend gemacht hat, er habe die Herstellungskosten getragen und sei aus diesem Grunde wirtschaftlicher Eigentümer der auf seine Ehefrau entfallenden Gebäudehälfte.
b) Stellt das FG danach bei erneuter Verhandlung fest, daß der Kläger die Anschaffungs- und Herstellungskosten des Gebäudes auch insoweit zu Recht aktiviert hatte, als sie für den Gebäudeanteil der Ehefrau angefallen sind, so war dieser Aktivposten auch in der Bilanz zum 1.Januar 1972 fortzuführen; die vorgenommene Bilanzänderung hätte den Grundsätzen ordnungsmäßiger Buchführung widersprochen und wäre daher unzulässig. Wird das Nutzungsverhältnis vor Ablauf der betriebsgewöhnlichen Nutzungsdauer beendet, so kann der Kläger zwar außergewöhnliche Aufwendungen durch Absetzung des Restbuchwertes geltend machen; diesen Aufwendungen stehen jedoch die Ausgleichsansprüche gegen die Ehefrau als Eigentümerin nach § 951 i.V.m. § 812 BGB gegenüber (vgl. Urteil in BFHE 127, 501, BStBl II 1979, 507, 509), so daß sich für den Kläger eine Gewinnrealisierung in Höhe der Differenz zwischen seiner Ausgleichsforderung und dem Restbuchwert des aktivierten Nutzungsrechts ergibt (gl.A. Schoor, Steuerwarte 1982, 133). Daran ändert sich auch nichts, wenn der Kläger aus privaten Gründen darauf verzichten sollte, seinen Anspruch geltend zu machen, weil dann von einer Entnahme dieser Forderung in das Privatvermögen auszugehen wäre.
c) In einem solchen Fall wird das FG daher weitere Feststellungen zur Höhe des nach §§ 951, 812 BGB entstandenen Ersatzanspruchs treffen müssen. Dieser Anspruch bemißt sich zwar grundsätzlich nach dem Wert des Gebäudes im Zeitpunkt des Rechtsverlustes, also der Fertigstellung (vgl. Urteile des Reichsgerichts vom 13.Oktober 1930 IV 688/29, RGZ 130, 310, 313, und des Bundesgerichtshofs --BGH-- vom 10.Juli 1953 V ZR 22/52, BGHZ 10, 171, 180). Kommt allerdings der Eigentümer --wie im Streitfall die Ehefrau des Klägers-- erst nach dem Zeitpunkt des Rechtsverlustes wieder in die Lage, das Grundstück nutzen zu können, so kann auch ein späterer Zeitpunkt für den Umfang des Bereicherungsanspruchs maßgebend sein (BGH-Urteile in BGHZ 10, 171, 180; vom 12.April 1961 VIII ZR 152/60, Lindenmaier/Möhring, --LM--, Nachschlagewerk des Bundesgerichtshofs, § 951 BGB Nr.14; vom 14.November 1962 V ZR 183/60, LM, § 951 BGB Nr.17, und vom 18.September 1961 VII ZR 118/60, BGHZ 35, 356, 359 f.; gl.A. Klauser, Neue Juristische Wochenschrift 1965, 513, 517).
Fundstellen
BStBl II 1988, 493 |
BFHE 152, 125 |
BFHE 1988, 125 |
WPg 1988, 430-430 |