Leitsatz (amtlich)
Rechtsanwaltskosten, die dem Steuerpflichtigen in einem Zivilrechtsstreit erwachsen sind, in dem um das volle rechtliche Eigentum an einem unbebauten Grundstück gestritten wurde, sind dann keine Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung, wenn die Mieteinnahmen aus dem Grundstück dem Steuerpflichtigen auf Grund des wirtschaftlichen Eigentums zugeflossen sind und von dem Prozeßgegner für die abgelaufene Zeit auch nicht beansprucht wurden.
Normenkette
EStG 1963 § 9 Sätze 1-2
Tatbestand
Streitig ist, ob Rechtsanwaltskosten, die durch die Führung eines Zivilprozesses zur Erlangung des vollen rechtlichen Eigentums an einem Grundstück entstanden sind, bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung als Werbungskosten abgezogen werden können.
Der Kläger und Revisionskläger (Kläger) erwarb durch notariellen Vertrag vom 27. August 1952 von einer Erbengemeinschaft 81/96 der Erbanteile. Die restlichen 15/96 Erbanteile erwarb durch denselben notariellen Vertrag Dipl.-Kfm. C. Der Nachlaß bestand nur aus einem unbebauten Grundstück. Der Kläger bezahlte den Kaufpreis für sämtliche Erbanteile in Höhe von 37 080 DM allein. Er trug auch allein alle Grundstückslasten. Die Einnahmen aus der Verpachtung des Grundstücks flossen ihm ebenfalls in voller Höhe allein zu. Nach dem Tod des C verklagte der Kläger dessen Witwe und Alleinerbin auf unentgeltliche Übertragung der 15/96 Erbanteile an ihn. Er begründete die Klage damit, daß C diese Erbanteile nur treuhänderisch für ihn erworben habe. Nach einem obsiegenden Urteil des Landgerichts schloß der Kläger mit Frau C vor dem Oberlandesgericht am 11. November 1963 einen Vergleich. Danach hatte Frau C dem Kläger die 15/96 Erbanteile gegen Zahlung von 10 000 DM zu übertragen; die außergerichtlichen Kosten wurden gegeneinander aufgehoben.
Der Kläger machte in seiner Einkommensteuererklärung 1963 bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung zunächst 2 800 DM Rechtsanwaltskosten als Werbungskosten geltend. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (FA) ließ den Abzug nicht zu und setzte die Einkommensteuer 1963 aus einem zu versteuernden Einkommensbetrag von 42 756 DM auf 10 830 DM fest. Mit dem Einspruch machte der Kläger nunmehr 8 000 DM gezahlte Rechtsanwaltskosten als Werbungskosten geltend. Der Einspruch hatte keinen Erfolg. Die Klage wurde vom FG abgewiesen. Das FG war der Auffassung, in dem Zivilprozeß sei nur um die Übertragung von Eigentumsrechten an dem Grundstück gestritten worden. Frau C habe keine Ansprüche auf anteilige Nutzungen geltend gemacht. Deshalb seien die gezahlten Rechtsanwaltskosten keine Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung.
Der Kläger beantragt mit der Revision, das FG-Urteil aufzuheben und die Einkommensteuer 1963 unter Berücksichtigung des Abzugs von Werbungskosten in Höhe von 8 000 DM bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung festzusetzen. Hilfsweise beantragt er, wenigstens einen Teil dieser Kosten als Werbungskosten zu berücksichtigen. Die Revision wird im wesentlichen wie folgt begründet: Der Auffassung des FG, daß der Prozeß, durch den die Rechtsanwaltskosten enstanden seien, nur die Übertragung von Eigentumsrechten an einem unbebauten Grundstück, also lediglich die Einkunftsquelle selbst, betroffen habe, könne nicht gefolgt werden. In dem Zivilprozeß sei letztlich um die Einnahmen gestritten worden. Frau C sei nur deshalb nicht gewillt gewesen, die Erbanteile an den Kläger zu übertragen, weil sie aus dem Grundstück anteilige Einnahmen beansprucht habe. Es komme nicht auf die formalen Klageanträge an, sondern auf den ganzen Sachverhalt. Daß auch um die Einnahmen gestritten worden sei, beweise u. a. der Inhalt des Prozeßvergleichs, in dem es heiße, daß Frau C die 10 000 DM "zur endgültigen Abgeltung aller etwaigen Ansprüche" erhalte. Damit sei ausdrücklich festgestellt, daß Frau C auch keine Ansprüche mehr auf einen Anteil an den Einnahmen geltend machen könne. Auch der in dem Zivilprozeß festgesetzte Streitwert zeige, daß nicht nur um das Eigentum, sondern auch um die Erträge aus dem Grundstück gestritten worden sei. Zumindest die anwaltschaftlichen Vergleichsgebühren berührten unmittelbar die Einnahmen, da der Prozeßvergleich auch die Beteiligungsrechte an den Einnahmen regele. Weil die Anwaltskosten im Verhältnis zum Streitwert geringfügig seien, könnten sie im Jahre 1963 in voller Höhe abgezogen werden.
Entscheidungsgründe
Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Die Revision ist unbegründet.
Das FG hat zu Recht den Abzug der 8 000 DM Rechtsanwaltskosten als Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung abgelehnt.
Nach § 9 Sätze 1 und 2 EStG sind Werbungskosten Aufwendungen zur Erwerbung, Sicherung und Erhaltung der Einnahmen, die bei der Einkunftsart abzuziehen sind, bei der sie entstanden sind. Der Wortlaut dieser Vorschrift könnte es erfordern, den Begriff der Werbungskosten rein final aufzufassen. Der BFH hat jedoch diesen Begriff in Anlehnung an den Begriff der Betriebsausgaben und zur gleichmäßigen Abgrenzung gegenüber den nichtabziehbaren Kosten der Lebensführung gleichzeitig auch kausal verstanden. So ist in dem BFH-Urteil vom 2. März 1962 VI 79/60 S (BFHE 74, 513, BStBl III 1962, 192) für die Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit ausgeführt, daß Werbungskosten "alle Aufwendungen sind, die die Ausübung des Dienstes mit sich bringt, soweit die Aufwendungen nicht nach der Verkehrsauffassung durch die allgemeine Lebenshaltung bedingt sind". Dieser Auffassung hat sich der erkennende Senat in dem Urteil vom 25. Juli 1972 VIII R 56/68 (BFHE 106, 532, BStBl II 1972, 880) auch für die Werbungskosten bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung angeschlossen. Er hat entschieden, daß Kosten, die dem Hausbesitzer durch Räumungsprozesse gegen die Mieter erwachsen, Werbungskosten auch dann sind, wenn dadurch die Möglichkeit der Veräußerung des Hauses an einen Dritten erreicht werden soll, der die Mietverhältnisse nicht übernehmen will. Der Senat hat es in diesem Fall als entscheidend angesehen, daß die Prozeß- und Räumungskosten in innerem wirtschaftlichem Zusammenhang mit der Vermietungs- und Verwaltungstätigkeit der Steuerpflichtigen standen. Gerade in diesem Punkt unterscheidet sich jedoch der vorliegende Fall von dem damals entschiedenen Fall ganz wesentlich. Der Kläger hat den Prozeß gegen Frau C nach den Feststellungen des FG ausschließlich deshalb geführt, weil er das rechtliche Eigentum an den 15/96 Anteilen des Grundstücks erlangen wollte. Die Einnahmen aus der Vermietung und Verpachtung des Grundstücks flossen ihm ohnehin auf Grund seines wirtschaftlichen Eigentums am ganzen Grundstück, das ihm offenbar auf Grund von Vereinbarungen mit C unstreitig zustand, auch in dem Umfang zu, in dem sie rechnerisch auf diese 15/96 Eigentumsanteile entfielen. Sie sind dem Kläger nach den Feststellungen des FG auch von Frau C in dem Zivilprozeß für die abgelaufene Zeit nicht streitig gemacht worden. Entgegen der Auffassung des Klägers ergibt sich aus dem Wortlaut des Vergleichs nichts Gegenteiliges. Es ist zwar in Tz. II des Vergleichs bestimmt, daß durch die Zahlung der 10 000 DM alle etwaigen Ansprüche abgegolten sein sollten, die Frau C als Erbin ihres Ehemannes aus der Abtretung der Erbanteile zu haben behaupte. Dabei ist aber, wie sich aus Tz. IV des Vergleichs ergibt, insbesondere an etwaige noch nicht bezahlte Honorarforderungen des C an den Kläger aus irgendeiner für den Kläger geleisteten Tätigkeit gedacht. Deshalb bietet auch der im Zivilprozeß festgesetzte Streitwert keine Handhabe zu der Annahme, daß auch um die Erträge aus dem Grundstück unmittelbar gestritten wurde. Es bestand also weder final noch kausal ein Zusammenhang zwischen den Anwaltskosten und den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung, so daß ein Abzug dieser Kosten als Werbungskosten nicht möglich ist.
Der Kläger beruft sich auch zu Unrecht auf die Rechtsprechung des RFH. Dieser hat zwar in dem Urteil vom 8. Juli 1931 VI A 936/31 (RFHE 29, 125, RStBl 1931, 818) entschieden, daß bei Einkünften aus Vermietung und Verpachtung auch Ausgaben für die Sache selbst, insbesondere auch Kosten für einen Prozeß über das Eigentum, als Werbungskosten in Betracht kämen, die in der Regel auf die Gebrauchsdauer des Gegenstands verteilt abzuziehen seien und nur, soweit es sich um kleinere Beträge handelte, auch sofort voll abgezogen werden könnten. Diese Entscheidung betraf jedoch einen Fall, in dem es sich um Aufwendungen für einen der Abnutzung unterliegenden "Anlagewert" handelte, für den sich, wie der RFH ausführte, schon aus § 16 Abs. 2 und 3 EStG 1925 eine Berücksichtigung von Aufwendungen zur Anschaffung oder Herstellung im Wege der AfA rechtfertigte. Es ist dem FG darin zuzustimmen, daß eine Zulassung von Werbungskosten als AfA i. S. des § 9 Nr. 6 EStG im vorliegenden Fall deswegen nicht in Betracht kommt, weil es sich um ein unbebautes Grundstück handelt, das nicht der Abnutzung unterliegt.
Fundstellen
Haufe-Index 71463 |
BStBl II 1975, 664 |
BFHE 1976, 35 |