Entscheidungsstichwort (Thema)

Einkommensteuer, Lohnsteuer, Kirchensteuer

 

Leitsatz (amtlich)

Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit sind alle Aufwendungen des Arbeitnehmers, die durch das Dienstverhältnis veranlaßt sind, soweit sie nicht die allgemeine Lebenshaltung (§ 12 EStG) betreffen.

Kosten zur Beseitigung von Körper- oder Sachschäden, die ein Arbeitnehmer auf dem Weg zwischen Wohnung und Arbeitsstätte erleidet, sind grundsätzlich Werbungskosten, soweit der Arbeitnehmer nicht von dritter Seite Ersatz erhält.

Hat der Arbeitnehmer aber selbst den Unfall vorsätzlich oder grob fahrlässig verursacht, so werden die Unfallkosten nicht als Werbungskosten berücksichtigt.

Wird der Pkw eines Arbeitnehmers auf der Fahrt zwischen Wohnung und Arbeitsstätte zerstört oder beschädigt, so können die dadurch eingetretene Wertminderung oder die vom Arbeitnehmer getragenen Reparaturkosten Werbungskosten sein.

Durch die Pauschsätze der Kosten für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte mit eigenem Pkw werden nur die gewöhnlichen Kosten einschließlich der normalen AfA abgegolten. Außergewöhnliche Unfallkosten können neben den Pauschsätzen geltend gemacht werden.

 

Normenkette

EStG § 9 Ziff. 4, § 12 Nr. 1, § 9/1/4; LStDV § 20 Abs. 2 Ziff. 2

 

Tatbestand

A. Sachverhalt und Entscheidung des Finanzgerichts

Der Bf. war in den Streitjahren 1956 und 1957 Fahrsteiger und fuhr seit Mai 1956 im eigenen Kraftfahrzeug (Pkw) von seiner Wohnung zu seinen wechselnden Arbeitsstätten. Im August 1956 erlitt er auf der Heimfahrt von der Zeche A. auf der Autobahn einen Unfall. Er behauptet, er habe einen anderen Pkw überholen wollen, der aber überraschend ausgeschert sei; als er versucht habe, nach links auszuweichen, sei sein Pkw über die Gegenbahn die Böschung hinabgeschlittert. Der Pkw wurde schwer beschädigt. Von der Anklage, "fahrlässig und in grob verkehrswidriger und rücksichtsloser Weise eine Gemeingefahr herbeigeführt zu haben", wurde der Bf. mangels Beweises freigesprochen. Einen Schadenersatzprozeß hat er nicht geführt, weil er ihn nicht für aussichtsreich hielt. Für die Reparatur des Pkw nahm er im Jahre 1956 Darlehen von 2.000 DM und 1.700 DM auf, die er in den Jahren 1956 und 1957 ratenweise zurückzahlte.

Das Finanzamt berücksichtigte beim Lohnsteuer-Jahresausgleich für 1956 und 1957 die Unfallkosten nicht, weil mit dem Kilometersatz von 0,50 DM (§ 20 Abs. 2 Ziff. 2 LStDV), den der Bf. in Anspruch genommen hatte, alle Aufwendungen für die Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte abgegolten seien. Der Einspruch blieb erfolglos.

Das Finanzgericht wies die Berufung als unbegründet zurück. Es führte im wesentlichen aus, zu den mit den Pauschbeträgen des § 9 Ziff. 4 EStG 1955 (§ 20 Abs. 2 Ziff. 2 LStDV) abgegoltenen Kraftfahrzeugkosten gehörten nicht nur die laufenden Kosten einschließlich der normalen Absetzung für Abnutzung (AfA), sondern auch die Absetzung für außergewöhnliche Abnutzung, wie auch im Fachschrifttum überwiegend angenommen werde (Herrmann-Heuer, Kommentar zur Einkommensteuer und Körperschaftsteuer, Anm. 32 c zu § 9 EStG; Blümich-Falk, Kommentar zum Einkommensteuergesetz, 8. Aufl. - 1959 -, Anm. 11 zu § 9 EStG; Littmann, Das Einkommensteuer-Recht, 6. Aufl., Anm. 36 a zu § 9 EStG; Hartz- Over, ABC-Führer Lohnsteuer, Stichwort: "Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte"; anderer Ansicht Hartmann-Böttcher, Kommentar zum Lohnsteuer-Recht, Anm. 23 d zu § 20 LStDV, sowie der Hinweis in "Der Betrieb" 1957 S. 702).

B. Stellungnahme des Bundesministers der Finanzen Der Bundesminister der Finanzen, der dem Verfahren gemäß § 287 Ziff. 2 AO beigetreten war, hat in seiner Stellungnahme - entsprechend der Anregung des Senats - im ersten Teil erörtert, wie nach den allgemeinen einkommensteuerrechtlichen Grundsätzen bei Einzelnachweis - also ohne Rücksicht auf die Pauschalierung - die Werbungskosten und Kosten der Lebenshaltung bei Körper- und Sachschäden, die auf dem Weg zwischen Wohnung und Arbeitsstätte entstünden, abzugrenzen seien, und sodann, welche Aufwendungen für Fahrten im eigenen Pkw zwischen Wohnung und Arbeitsstätte durch die Pauschsätze abgegolten sein sollten. Der Bundesminister der Finanzen ist bei den vom Senat gestellten einzelnen Fragen im wesentlichen zu den folgenden Ergebnissen gekommen:

I. Beurteilung nach allgemeinen einkommensteuerrechtlichen Grundsätzen

Werbungskosten sind die Aufwendungen, die einem Arbeitnehmer durch die Erfüllung der geschuldeten Arbeitsleistung entstehen. Dazu können auch Reparaturkosten bei Sachschäden gehören, und zwar sowohl Aufwendungen, die z. B. ein Monteur zur Beseitigung von Schäden an seiner typischen Berufskleidung macht, als auch Aufwendungen, die ein Betriebsleiter zur Beseitigung eines Schadens an seinem Straßenanzug (keine typische Berufskleidung) macht, sofern der Anzug bei einem Werksrundgang beschädigt wurde.

Zu den Werbungskosten gehören auch Aufwendungen eines Arbeitnehmers zur Beseitigung von Gesundheitsschäden, die im beruflichen Bereich eingetreten sind. Das gilt nicht nur für typische Berufskrankheiten, sondern z. B. auch bei Gesundheitsschäden, die bei einer Dienstfahrt durch Verkehrsunfall entstehen. Das ist im Urteil des Bundesfinanzhofs IV 196/59 S vom 13. Oktober 1960 (BStBl 1960 III S. 511, Slg. Bd. 71 S. 699) für die Praxisfahrt eines freiberuflichen Rechtsanwalts anerkannt worden. Für Verkehrsunfälle von Arbeitnehmern auf Dienstfahrten kann nichts anderes gelten.

Der berufliche Bereich beginnt beim Verlassen der Wohnung und dauert bis zur Rückkehr in die Wohnung (Vangerow in "Steuer und Wirtschaft" 1954 Sp. 155 ff.). Eine zu enge Auslegung des Begriffs "Werbungskosten" würde der historischen Entwicklung nicht gerecht werden. Auch nach den Vorschriften der Reichsversicherungsordnung (§ 543) und des Bundesbeamtenrechts (§ 135 Abs. 2 Ziff. 2 BBG) gehört der Weg zur Arbeitsstätte dem beruflichen Bereich an.

Auch die Aufopferung von Gütern zu einem der in § 9 EStG bezeichneten Zwecke kann zu Werbungskosten führen. Geht z. B. ein Pkw bei einer Fahrt zwischen Wohnung und Arbeitsstätte verloren oder wird er beschädigt, so hat der Arbeitnehmer den Wert des Pkw ganz oder teilweise im Interesse des Berufs geopfert. In Höhe des geopferten Geldwertes können Werbungskosten angenommen werden.

Geht man davon aus, so ergeben sich hinsichtlich der Kosten für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte als Werbungskosten die folgenden Grundsätze:

Aufwendungen zur Beseitigung von Sach- oder Körperschäden, die ein Arbeitnehmer auf der Fahrt zwischen Wohnung und Arbeitsstätte durch (unverschuldete) Unfälle erlitten hat, sind Werbungskosten, soweit sie nicht von Dritten übernommen werden.

Unter Umständen kann der Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis so gelockert sein, daß die Aufwendungen für Unfallschäden keine Werbungskosten mehr sind, z. B. bei einem Umweg, den der Arbeitnehmer aus nicht mit dem Arbeitsverhältnis zusammenhängenden Gründen macht (Urteil des Bundessozialgerichtes 2 RU 92/55 vom 22. Januar 1957, Entscheidungen des Bundessozialgerichts Bd. 4 S. 219).

Wird auf dem Weg zwischen Wohnung und Arbeitsstätte ein Pkw des Arbeitnehmers beschädigt, so kann der Schaden in Form einer Absetzung für außergewöhnliche technische Abnutzung (§ 9 Ziff. 4 und 6, § 7 Abs. 1 letzter Satz EStG) oder durch Absetzung der Reparaturkosten als Werbungskosten berücksichtigt werden.

Wird der Schaden repariert, so sind die Reparaturkosten in der Regel Erhaltungsaufwand und können darum sofort als Werbungskosten berücksichtigt werden. Der Begriff "Erhaltungsaufwand" ist weit zu fassen (Urteile des Bundesfinanzhofs IV 8/53 U vom 9. Juli 1953, BStBl 1953 III S. 245, Slg. Bd. 57 S. 639; IV 438/54 S vom 21. April 1955, BStBl 1955 III S. 173, Slg. Bd. 60 S. 453). Nach der Reparatur ist die normale AfA wieder wie vor dem Unfall zu berechnen, wenn die Reparaturkosten den Betrag der Absetzung für außergewöhnliche technische Abnutzung erreichen oder übersteigen.

Meist ist es sachdienlich, von der Absetzung für außergewöhnliche Abnutzung abzusehen und statt dessen die Reparaturkosten als Werbungskosten zu berücksichtigen. Der Arbeitnehmer kann aber z. B. ein Interesse an der Absetzung für außergewöhnliche Abnutzung haben, wenn die Reparatur unterbleibt oder nicht im gleichen Kalenderjahr erfolgt, in dem der Schaden eingetreten ist, oder wenn die Reparaturkosten die eingetretene außergewöhnliche AfA nicht erreichen.

Ein Schaden auf einer Privatfahrt ist nicht zu berücksichtigen (siehe die Urteile des Bundesfinanzhofs IV 611/54 U vom 12. April 1956, BStBl 1956 III S. 176, Slg. Bd. 62 S. 474; IV 131/58 U vom 13. Mai 1959, BStBl 1959 III S. 269, Slg. Bd. 69 S. 22).

Veräußert der Arbeitnehmer den unfallgeschädigten Pkw, ohne ihn reparieren zu lassen, so kann er den Unterschied zwischen den Anschaffungskosten, vermindert um die bisherige AfA, und dem Verkaufserlös als Werbungskosten absetzen.

Geht das Kraftfahrzeug an der Arbeitsstelle durch Diebstahl verloren, so ist der Fall ebenso zu beurteilen wie bei einem Totalschaden infolge Unfalls (Aufopferung eines Werts).

Wesentlich ist aber, ob der Unfall verschuldet ist. Verschuldete Unfälle gehen gewöhnlich auf Verstöße gegen die Straßenverkehrsvorschriften zurück, z. B. auf Trunkenheit am Steuer, Nichtbeachtung der Vorfahrtsregelung, überschreitung der Höchstgeschwindigkeit usw. Durch vorsätzliche Verstöße gegen Verkehrsvorschriften löst der Arbeitnehmer die Fahrt zwischen Wohnung und Arbeitsstätte aus dem Zusammenhang mit der auf Einnahmeerzielung gerichteten Tätigkeit heraus. Aber auch bei nur fahrlässigen Verstößen kann der Zusammenhang mit der auf Einnahmeerzielung gerichteten Tätigkeit aufgehoben sein, wenn sie nicht auf vermeidbares menschliches Versagen, sondern auf Wagemut oder außergewöhnliche Sorglosigkeit zurückzuführen sind. Ist der Arbeitnehmer fahruntüchtig, so ist regelmäßig der Zusammenhang aufgehoben, z. B. bei starkem Alkoholgenuß oder übermüdung infolge einer durchwachten Nacht.

II. Abgrenzung der durch die Pauschalierung der Kraftfahrzeugkosten abgegoltenen Aufwendungen

§ 9 Ziff. 4 Satz 2 EStG 1955 ist nicht dahin zu verstehen, daß der Pauschsatz auch die Folgen von Unfallschäden umfassen müsse oder dürfe. Zwar ist nach § 9 Ziff. 4 Satz 2 letzter Satz EStG 1955 die AfA bei der Festsetzung des Pauschsatzes zu berücksichtigen. Das gilt aber nicht für die Absetzung für außergewöhnliche Abnutzung. Unfallschäden entziehen sich der Pauschalierung. Die Entstehungsgeschichte des § 9 Ziff. 4 Satz 2 EStG 1955 gibt keinen Anhalt, daß Unfallschäden in die Pauschregelung aufgenommen werden sollten. Unfallschäden sind auch bei der Festsetzung der Pauschsätze tatsächlich nicht berücksichtigt worden, so daß sie neben den Pauschsätzen berücksichtigt werden müssen.

Mit den Pauschsätzen sind die Reparaturkosten abgegolten, die durch die gewöhnliche Abnutzung, z. B. auch durch das Platzen eines Reifens oder den Bruch einer Achse ohne Unfalleinwirkung, entstehen. Besonders zu berücksichtigen sind nur die Schäden, die durch Unfall eintreten, d. h. durch ein auf äußere Einwirkung beruhendes plötzliches, örtlich und zeitlich bestimmbares, einen Schaden verursachendes Ereignis. Wenn nach einem Unfall gleichzeitig Abnutzungsschäden beseitigt werden, so sind die Reparaturkosten aufzuteilen.

Unfallkosten (Werbungskosten) sind auch die Kreditkosten und die Kosten eines Zivilprozesses, sofern sie durch einen im Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis stehenden Unfall verursacht sind.

C. Entscheidung des Senats

 

Entscheidungsgründe

Die Rb. des Steuerpflichtigen führt zur Aufhebung der Vorentscheidung.

In § 9 Satz 1 EStG werden - gleichmäßig für die in § 2 Abs. 3 Ziff. 4 bis 7 aufgeführten vier Einkunftsarten - als Werbungskosten die "Aufwendungen zur Erwerbung, Sicherung und Erhaltung der Einnahmen" bezeichnet. Nach dem Wortlaut der Vorschrift könnte man annehmen, daß der Werbungskostenbegriff bei den erwähnten vier Einkunftsarten einheitlich sei. Die Entscheidung, unter welchen Voraussetzungen die vom Gesetz geforderte Zweckbeziehung zwischen bestimmten Einnahmen und den zu ihrer Erzielung gemachten Aufwendungen gegeben ist, wird indessen bei den verschiedenen Einkunftsarten durch deren Eigenarten wesentlich mitbeeinflußt. So ist z. B. bei der Abgrenzung der Werbungskosten aus Vermietung und Verpachtung (§ 21 EStG) und bei Kapitalvermögen (§ 20 EStG) zu beachten, daß die Aufwendungen oft gleichzeitig die Einnahmen aus dem Vermögen und die Vermögenssubstanz selbst berühren und dadurch zweifelhaft werden kann, ob sie die Einkünfte oder das Vermögen angehen. Bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung kommt ferner in Betracht, daß oft vermietete Gegenstände, vor allem Gebäude, dem Verschleiß unterliegende abnutzbare Wirtschaftsgüter sind, während das bei Kapitalvermögen nicht der Fall ist (vgl. dazu Becker, "Die Grundlagen der Einkommensteuer" 1940 S. 244 ff.).

Mit Recht stellt der Bundesminister der Finanzen bei der Abgrenzung der Werbungskosten aus den einzelnen Einkunftsarten nicht starr auf den allgemein gefaßten Wortlaut des § 9 EStG ab, sondern zieht auch die Entwicklung der Rechtsprechung und Verwaltungspraxis in Betracht, die der Gesetzgeber bei der Neufassung des EStG im Jahre 1934 vorfand. Es ist bei Zweifeln in der Auslegung des Wortlauts auch zu prüfen, ob der Gesetzgeber bei der Neuformulierung des Gesetzes im Jahre 1934 das bis dahin gewachsene Recht legalisieren oder ob er es ändern wollte, wie es im Urteil des Senats VI 84/60 U vom 24. Februar 1961 (BStBl 1961 III S. 188, Slg. Bd. 72 S. 515) im einzelnen dargelegt ist.

Bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit war die Rechtsprechung des Reichsfinanzhofs im Laufe einer längeren Entwicklung dazu gekommen, als Werbungskosten alle Aufwendungen des Arbeitnehmers anzuerkennen, die durch das Arbeitsverhältnis veranlaßt waren (Becker, Kommentar zum Einkommensteuergesetz 1925, Anm. 49 zu § 16 EStG 1925). Daß der Gesetzgeber des Jahres 1934 diese Entwicklung anerkennen wollte, ergibt sich eindeutig daraus, daß in § 20 Abs. 2 Satz 2 LStDV vom 20. November 1934 (RStBl 1934 S. 1489), die also in zeitlichem Zusammenhang mit dem EStG 1934 vom 16. Oktober 1934 ergangen ist, als Werbungskosten bezeichnet werden "alle Aufwendungen, die die Ausübung des Dienstes mit sich bringt, soweit die Aufwendungen nicht nach der Verkehrsauffassung durch die allgemeine Lebenshaltung bedingt sind". Diese Fassung des Jahres 1934 ist seither sachlich unverändert geblieben (vgl. z. B. § 20 Abs. 2 Satz 2 LStDV 1959). Sie ist dem Begriff "Betriebsausgaben" ähnlich, der für die sogenannten Gewinnberufe (Land- und Forstwirtschaft, Gewerbebetrieb und selbständige Tätigkeit) gilt. Nach § 4 Abs. 3 EStG 1934 (jetzt § 4 Abs. 4 EStG) sind nämlich Betriebsausgaben die Aufwendungen, die durch den Betrieb veranlaßt sind. In Anlehnung an diese Vorschrift kann man den Begriff "Werbungskosten" im Zusammenhang mit den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit definieren als "Aufwendungen des Arbeitnehmers, die durch das Dienstverhältnis veranlaßt sind". In diesem Sinne hat der Senat den Begriff auch bisher schon verwandt. So hat er z. B. im Urteil VI 45/60 U vom 14. Oktober 1960 (BStBl 1961 III S. 20, Slg. Bd. 72 S. 50) die Ausgaben des früheren Geschäftsführers einer GmbH, der nach seiner Entlassung für nicht entrichtete Sozialversicherungsbeiträge in Anspruch genommen wurde, als (nachträgliche) Werbungskosten anerkannt. Im Urteil VI 200/60 vom 10. März 1961 ("Der Betrieb" 1961 S. 728) wurde der Geldersatz, den ein Arbeitnehmer vom Arbeitgeber für seine in einer ausländischen Dienststelle verlorene Wohnungseinrichtung erhalten hatte, nicht als Arbeitslohn angesehen, weil dem Ersatz in gleicher Höhe ein steuerlich anzuerkennender Aufwand (Opferung von Werten) gegenüberstand.

Aufwendungen eines Arbeitnehmers können wirtschaftlich mit mehreren Einkunftsarten zusammenhängen. In solchen Fällen sind sie der Einkunftsart zuzurechnen, mit der sie in engerer Beziehung stehen. Darum hat der Senat im Urteil VI 158/59 U vom 21. April 1961 (BStBl 1961 III S. 431) bei dem Vorstandsmitglied einer AG, das Aktien seiner AG mit Kredit erworben hatte und die Schuldzinsen als Werbungskosten bei den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit absetzen wollte, diesen Abzug versagt.

Betriebsausgaben und Werbungskosten sind ihrer Art nach gemeinsam Aufwendungen zur Erzielung von Einkünften. Sie müssen von den Kosten der allgemeinen Lebensführung im Sinne des § 12 EStG abgegrenzt werden, die ihrer Art nach Ausgaben zur Verwendung des erzielten Einkommens sind. Der Senat trägt der inneren Verwandtschaft zwischen Betriebsausgaben und Werbungskosten und dem Gebot gleichmäßiger Besteuerung dadurch Rechnung, daß er die Betriebsausgaben und Werbungskosten gegenüber den Kosten der Lebenshaltung grundsätzlich gleich abgrenzt, wie z. B. im Urteil VI 166/60 U vom 16. Dezember 1960 (BStBl 1961 III S. 63, Slg. Bd. 72 S. 169, mit näheren Angaben aus der Rechtsprechung) dargelegt ist.

Werbungskosten sind auch die Aufwendungen, die der Arbeitnehmer für den Weg von der Wohnung zur Arbeitsstätte und zurück macht. § 9 Ziff. 4 Satz 1 EStG erweitert nicht etwa den Werbungskostenbegriff über § 9 Satz 1 EStG hinaus, sondern gibt nur ein klarstellendes Beispiel. Denn die Kosten für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte sind bei natürlicher Betrachtung Aufwendungen, die durch das Dienstverhältnis veranlaßt sind und vom Arbeitnehmer zur Erzielung der Arbeitseinkünfte gemacht werden. Seit der Neufassung des § 9 Ziff. 4 im EStG 1955 gehören dazu auch die Kosten für einen eigenen Pkw.

Werbungskosten sind ferner grundsätzlich die Kosten, die der Arbeitnehmer zur Beseitigung von Körper- oder Sachschäden aufwendet, die er auf dem Weg zwischen Wohnung und Arbeitsstätte erlitten hat; denn auch solche Aufwendungen sind durch das Arbeitsverhältnis veranlaßt. Vgl. auch Urteil des Senats VI 10/61 U vom 9. Februar 1962, das zur amtlichen Veröffentlichung im Teil III des BStBl freigegeben ist.

Allerdings ist, wie der Bundesminister der Finanzen ausführt, die Einschränkung zu machen, daß unter besonderen Umständen der Zusammenhang zwischen den Aufwendungen des Arbeitnehmers und dem eingetretenen Schaden so gelockert sein kann, daß die Aufwendungen nicht mehr als Werbungskosten anerkannt werden können. Das gilt vor allem, wenn der Arbeitnehmer vorsätzlich oder grob fahrlässig selbst eine Ursache für den Schaden gesetzt hat, z. B. dadurch, daß er sich bewußt und leichtsinnig über Verkehrsvorschriften hinweggesetzt oder trotz Fahruntüchtigkeit den Pkw gesteuert hat. In solchen Fällen tritt der Gedanke, durch die Fahrt Einnahmen zu erzielen, zurück gegenüber den in der Person des Arbeitnehmers begründeten Verhältnissen und den öffentlich-rechtlichen Pflichten eines Staatsbürgers. Bei den entsprechenden Feststellungen sind alle Umstände persönlicher oder sachlicher Art zu würdigen. Die Praxis des Sozialversicherungsrechts und des Beamtenrechts, auf die der Bundesminister der Finanzen hinweist, kann dabei Anhaltspunkte bieten. Der Zusammenhang ist nicht nur unterbrochen, wenn der Arbeitnehmer wegen der Tat bestraft wird (siehe Urteil des Reichsfinanzhofs VI 739/38 vom 14. Dezember 1938, RStBl 1939 S. 212). Auch wenn z. B. ein Strafverfahren mangels Beweises oder wegen einer Amnestie eingestellt wird, kann trotzdem ein grob fahrlässiges Verhalten des Arbeitnehmers vorliegen. Weil aber die Aufwendungen nach einem Unfall auf dem Weg zur und von der Arbeitsstätte immer auch mit dem Arbeitsverhältnis zusammenhängen, ist, wenn der Abzug ausnahmsweise versagt werden soll, ein strenger Maßstab anzulegen. Der Schaden darf nicht nur im Rahmen des üblichen - wenn auch durch Fahrlässigkeit veranlaßten - Risikos liegen, das jeder Verkehrsteilnehmer trägt. Auch Unklarheiten in der Beweislage dürfen nicht zu Lasten des Arbeitnehmers gehen.

Wird der eigene Pkw des Arbeitnehmers auf einer Fahrt zwischen Wohnung und Arbeitsstätte zerstört oder beschädigt, so kann, wenn der Arbeitnehmer den Schaden nicht reparieren läßt, eine Absetzung wegen außerordentlicher technischer Abnutzung im Sinne von § 9 Ziff. 6 in Verbindung mit § 7 Abs. 1 Satz 3 EStG 1955 in Betracht kommen.

Läßt der Arbeitnehmer den beschädigten Pkw reparieren, so sind die Kosten, soweit er dafür keinen Ersatz erhält, in der Regel Instandsetzungsaufwand, der im Jahr der Verausgabung als Werbungskosten verrechnet werden kann, wie der Bundesminister der Finanzen zutreffend annimmt.

Neben dem Abzug der Reparaturkosten kommt eine Absetzung wegen außerordentlicher technischer Abnutzung aber nur in Betracht, wenn trotz der Reparatur eine beträchtliche Wertminderung des Pkw verblieben ist.

Als Unfallkosten gelten nicht nur die unmittelbaren Krankheits- und Reparaturkosten, sondern alle Kosten, die wirtschaftlich mit dem Unfall zusammenhängen, z. B. auch Gerichts- und Anwaltskosten im Zusammenhang mit einem Schadensersatzprozeß, Zinsen für ein zur Deckung der Kosten aufgenommenes Darlehen usw.

Legt ein Arbeitnehmer die Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte im eigenen Pkw zurück, so werden die Kosten nach § 9 Ziff. 4 EStG 1955 in Verbindung mit § 26 Abs. 2 der Einkommensteuer-Durchführungsverordnung (§ 20 Abs. 2 Ziff. 2 LStDV) pauschaliert. Diese Regelung, die zur Vereinfachung für alle Beteiligten geschaffen wurde, gilt für alle einschlägigen Fälle; das Finanzamt und der Steuerpflichtige sind in gleicher Weise daran gebunden. In Grenzfällen muß aber geprüft werden, wieweit der Verordnungsgeber auf Grund der ihm in § 9 Ziff. 4 Satz 2 EStG 1955 erteilten gesetzlichen Ermächtigung Gruppen von Tatbeständen durch die Rechtsverordnung geregelt hat oder regeln wollte. Das hat der Senat bereits mehrfach ausgesprochen (Urteile VI 159/58 S vom 18. März 1960, BStBl 1960 III S. 255, Slg. Bd. 71 S. 21; VI 2/59 U vom 17. April 1959, BStBl 1959 III S. 245, Slg. Bd. 68 S. 643; VI 153/57 vom 24. Juni 1960 "Der Betrieb" 1961 S. 18). Der Senat folgt der Auffassung des Bundesministers der Finanzen, daß in den Pauschsätzen nur die gewöhnlichen Kosten einschließlich der normalen AfA abgegolten sind, nicht aber Unfallschäden, die ihrer Natur nach außergewöhnlich sind und sich einer Pauschalierung entziehen.

Es ist naturgemäß schwierig, die gewöhnlichen Kosten einschließlich der normalen AfA, die durch die Pauschsätze abgegolten sind, von den außergewöhnlichen Unfallkosten abzugrenzen. Es liegt aber wohl im Sinne der Verordnung, die Vereinfachung bezweckt, wenn die Außergewöhnlichkeit in erster Linie nach der Höhe der Kosten bestimmt wird und von den Finanzverwaltungsbehörden Richtsätze festgelegt werden, bis zu denen in der Regel Wertminderungen oder Reparaturkosten bei einem unfallgeschädigten Pkw nicht als außergewöhnlich anerkannt werden, wobei zu prüfen ist, ob die Grenze auf das einzelne Ereignis oder auf das Kalenderjahr bezogen werden soll. Zur Möglichkeit und Ausgestaltung solcher Richtsätze braucht der Senat aber im Streitfall nicht Stellung zu nehmen, da bei dem Umfang des Schadens hier die Außergewöhnlichkeit außer Zweifel steht.

Die Vorentscheidung, die von anderen Grundsätzen ausgegangen ist, wird wegen unrichtiger Anwendung von § 9 EStG in Verbindung mit § 20 Abs. 2 Ziff. 2 LStDV aufgehoben. Die nicht spruchreife Sache wird an das Finanzgericht zurückverwiesen, das bei der erneuten Entscheidung zunächst feststellen muß, ob der Bf. durch grobe Fahrlässigkeit den Verkehrsunfall verschuldet hat. Zur Prüfung dieser Frage sind zweckmäßig die polizeilichen Akten und etwaige Straf- und Zivilakten beizuziehen. Erkennt das Finanzgericht die Unfallkosten dem Grunde nach als Werbungskosten an, so muß es feststellen, ob der Bf. von dritter Seite für seine Aufwendungen ganz oder zum Teil Ersatz erhalten hat. Schließlich muß es auf die geltend gemachten Kosten im einzelnen eingehen und deren wirtschaftlichen Zusammenhang mit dem Unfall feststellen.

 

Fundstellen

Haufe-Index 410404

BStBl III 1962, 192

BFHE 1962, 513

BFHE 74, 513

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