Kolumne E-Learning: Der Learning-Markt wird neu vermessen

Was kann man tun, um den intransparenten Learning-Markt mit verschiedenen Bezeichnungen übersichtlicher zu machen? Die Marktforscher von Fosway schlagen dafür neue Kategorien vor, Kolumnistin Gudrun Porath ist davon nicht vollständig überzeugt.

Es ist fast eine Provokation, so kurz nach der europäischen Leitmesse für digitales Lernen, der Learntec. Dort nämlich waren sie alle zu sehen, in ungeahnter Vielfalt, die Learning Management System (LMS), Learning Experience oder wie auch immer genannten Plattformen. Viele davon versprechen, was an einer in sattem Orange gehaltenen Messestand-Wand als "Amazing Learning Experience" bezeichnet wird.

Die Provokation kommt von den Analysten des britischen Marktforschungsunternehmens Fosway in der jüngsten Ausgabe ihres "Fosway 9-Grid Learning Systems". Fosway-Chef David Wilson, ein in der Branche für seine Fachkenntnis anerkannter und respektierter Mann, geht in der Pressemitteilung zur Veröffentlichung hart ins Gericht mit den Anbietern der Systeme. Die nämlich hätten selbst dafür gesorgt, dass der Markt für Kunden immer unübersichtlicher werde, weil die Grenzen zwischen den Angeboten längst verschwimmen.

LMS und LXP nähern sich an

Die traditionellen LMS-Anbieter haben ihre Systeme ebenso aufgebohrt, um moderne Features zu ergänzen wie die disruptiv in den Markt vorgestoßenen LXP-Anbieter umgekehrt in ihre Systeme traditionelle LMS-Features einbauten, die etwa der Organisation von Präsenzveranstaltungen dienen oder der Compliance. Dieses "Meeting in the Middle", wie David Wilson es nennt, hinterlasse bei den Kunden nichts als Verwirrung darüber, was die jeweils gewählte Bezeichnung bedeute und was man wirklich brauche, um Lernen in der Organisation zu unterstützen.

Wie will Wilson also mehr Klarheit für Orientierung suchende Kunden schaffen? Zunächst führt er eine neue Klassifizierung ein, die Alleskönner und deutlich spezialisierte Plattformen unterscheidet. Demnach, und das hält bereits der neue Grid so, klassifiziert er die Produkte der Anbieter entweder als "Learning Systems Suite" oder als "Learning Solution Specialist".

Learning System Suites: die Generalisten

Learning Systems Suites sind dabei diejenigen Plattformen, die sich mit ihrer breiten Funktionspalette noch am ehesten mit den klassischen LMS vergleichen lassen. Sie decken wichtige Grundlagen ab wie traditionelles Learning Management, enthalten aber genauso LXP-Funktionalitäten und haben so das Potenzial, zum „One stop shop“ für das Management modernen Lernens zu werden. Wem das jetzt noch zu weich gezeichnet ist, der mag sich an Produkten orientieren, die dieser Kategorie der Learning System Suites zugerechnet werden. Dazu gehören demnach bekannte deutsche Anbieter wie SAP Success Factors und SAP Litmos oder die IMC AG, sowie internationale Schwergewichte wie Cornerstone, Saba, Sum Total, Talentsoft, Docebo und Workday, letztere neu im Grid vertreten.

Learning System Specialists: hochwirksame Speziallösungen

Was zeichnet die zweite Kategorie aus, die als Learning Solution Specialists bezeichnet wird? Diese fokussieren sich nach Fosway "unverhohlen" auf einen ganz bestimmten Funktionsbereich, in dem sie disruptiv und hoch wirksam seien. Das kann mobiles Lernen sein, mit Hilfe von künstlicher Intelligenz verwaltete adaptive Lernangebote zu bieten oder aber integrierte Lernerfahrungen aus verschiedenen Quellen aufzubauen. Die Learning Specialists haben ein fokussiertes Angebot. Sie verfolgen das Ziel, mit ihrer Anwendung in ihrem Schwerpunktbereich den Markt anzuführen. Der Nachteil dieser Systeme, zu denen im Grid zum Beispiel Cross-Knowledge, Degreed oder D2L gezählt werden, liegt demnach auf der Seite des Kunden: Es wird ein weiteres Lernsystem in der Organisation gebraucht, weil mit den Spezialisten nicht alle Lernbereiche abzudecken sind, die ein Unternehmen verwalten oder unterstützen muss.

Die Klassifizierung ist sicher nichts, auf das sich Einkäufer verlassen sollten, wenn sie im großen und gerade sehr belebten Markt der E-Learning-Branche die passenden Produkte für ihren Bedarf suchen. Es lohnt sich aber dennoch, einen Blick in den "Fosway 9-Grid Learning Systems" zu werfen, denn er räumt mit manchem Mythos auf, der sich besonders Neulingen im Markt sonst nicht so schnell erschließt. Es gibt immer noch viele Unternehmen, die noch nicht umfassend mit E-Learning versorgt sind und das Thema gerade erst für sich entdecken. Sich umfassend zu informieren, wird ihnen nicht leicht gemacht. Die Fosway Studie ersetzt keine eigene Bedarfsanalyse und gründliche Beschäftigung mit dem Thema. Aber sie gibt gute Anhaltspunkte, auf was Kunden von Lernportalen unbedingt noch achten sollten.


Über die Kolumnistin: Gudrun Porath ist freie Journalistin. Sie beobachtet unter anderem für das Haufe Personal-Portal und die Haufe-Zeitschrift "wirtschaft + weiterbildung" die Trends auf dem E-Learning-Markt.