Integration von KI in Learning & Development

Die Integration von Künstlicher Intelligenz in Learning & Development (L&D) erreicht einen neuen Höhepunkt: Erstmals setzen über 50 Prozent der L&D-Expertinnen und Experten KI aktiv ein, wie eine aktuelle Studie zeigt. Damit wird deutlich: KI ist nicht länger eine Spielerei, sondern prägt zunehmend die Zukunft des gesamten L&D-Bereichs.

Die Nutzung von Künstlicher Intelligenz in Learning & Development hat einen entscheidenden Wendepunkt erreicht. In einer aktuellen Studie gibt erstmals über die Hälfte des befragten L&D-Fachpersonals (54 Prozent) an, KI aktiv in ihrer Arbeit einzusetzen – ein Anstieg von 14 Prozentpunkten gegenüber dem Vorjahr. Damit ist KI von einer experimentellen Neuheit zu einem festen Bestandteil des L&D-Instrumentariums geworden.

KI in L&D: Content-Erstellung dominiert

Der größte Anwendungsbereich von KI bleibt laut der jährlich von Donald H. Taylor und Eglė Vinauskaitė durchgeführten Umfrage "AI in L&D: The Race for Impact" weiterhin die Produktion von Lerninhalten. Drei der vier am häufigsten genannten KI-Einsatzgebiete fallen in die Bereiche Content und Design. Gleichzeitig gibt es einen deutlichen Trend zu komplexeren und vielfältigeren Anwendungen: Die Befragten gaben an, KI für durchschnittlich 4,9 verschiedene Aktivitäten zu nutzen – deutlich mehr als die drei Aktivitäten, die in der letzten Vergleichsstudie im März 2024 angegeben wurden.

Auf komplexere Anwendung der KI weist die Analyse der verwendeten Begriffe in den Freitext-Antworten hin. Zwischen 2023 und 2025 zeigt sich ein rapider Anstieg von Wortstämmen wie "analy" (Analyse), "data" (Daten) und "research" (Forschung). Die qualitative Datenanalyse stieg beispielsweise von Rang 8 (2024) auf Rang 5 (2025). Künstliche Intelligenz wird demnach zunehmend als analytisches Werkzeug begriffen, das weit über die reine Content-Generierung hinausgeht.

Zu den anspruchsvolleren Anwendungen, die sich abzeichnen, gehören auch dynamisches Feedback, KI-gestützte Rollenspiele sowie die Nutzung von KI als "Thought Partner" für strategische Entscheidungsfindung und Problemlösung.

Vertrauen und Datenschutz bleiben Hauptbarrieren bei KI-Nutzung

Trotz der wachsenden Akzeptanz bleiben die Hindernisse für die KI-Nutzung im Wesentlichen unverändert. Die beiden größten Barrieren sind Bedenken hinsichtlich des Datenschutzes und der Sicherheit sowie mangelndes Vertrauen in KI-Ergebnisse. Zusammen machen sie über 30 Prozent aller Nennungen aus. Der Mangel an Fähigkeiten im L&D-Team bleibt die drittwichtigste Hürde. Mit zunehmend anspruchsvollen Implementierungen werden auch regulatorische Anforderungen und Integrationsprobleme stärker wahrgenommen.

Existenzielle Herausforderung für L&D

Insgesamt, stellen die Autoren fest, sei KI eine "zweischneidige Klinge" für Learning & Development. Einerseits ermöglicht sie L&D eine größere Rolle und mehr Einfluss in Organisationen. Andererseits untergräbt sie die Grundlagen der traditionellen L&D-Arbeit fundamental.

Die zentrale Problematik: Es ist mittlerweile für jeden in der Organisation einfach, Lerninhalte zu erstellen, die zwar möglicherweise nicht die Qualität erstklassiger Instructional Designer erreichen, aber in vielen Fällen "gut genug" sind – und dabei viel schneller und kostengünstiger produziert werden können. Da der Wert und die Wahrnehmung von Content gesunken sind, reicht die schnellere Produktion von Inhalten nicht mehr aus, um den Mehrwert von L&D zu rechtfertigen.

Taylor und Vinauskaitė ziehen als Beispiel eine Parallele zu den Handwebern während der Industriellen Revolution. Deren hochqualifizierte Arbeit wurde durch neue Technologien automatisiert und damit unrentabel. L&D-Praktikerinnen und -Praktiker, deren Haupttätigkeit weiterhin die Content-Produktion ist, laufen Gefahr, ein ähnliches Schicksal zu erleiden.

Drei mögliche Zukunftsmodelle für L&D

Die Autoren beschreiben drei radikal unterschiedliche Zukunftsszenarien für L&D, die sich alle vom traditionellen, content-zentrierten Modell wegbewegen und stattdessen auf die Verbesserung der individuellen und organisationalen Leistung fokussieren:

  • Skills Authority (Kompetenzautorität): L&D etabliert sich als zentrale Instanz für Kompetenzverwaltung und macht Skills zu einer Kerngeschäftswährung. Die Rolle basiert auf tiefem Fachwissen in Lernwissenschaften und einer robusten, vernetzten Kompetenzinfrastruktur.
  • Enablement Partner (Befähigungspartner): L&D verlagert den Fokus von der Content-Erstellung auf die Befähigung von Fachexperten im Unternehmen. Die zentrale Rolle ist die des Orchestrators, der oder die Werkzeuge und Rahmenbedingungen bereitstellt, damit lokale Experten eigene, kontextbezogene Lösungen entwickeln können.
  • Adaptation Engine (Anpassungs-Engine): L&D wird Teil multidisziplinärer Teams, die gemeinsam mit Technologie-, Design- und Operations-Experten ganzheitliche Geschäftsprobleme lösen und die Anpassungsfähigkeit der Organisation sicherstellen.

Fazit: Verharren ist keine Option

Die Studie macht deutlich: Die zukünftige Rolle von L&D wird nicht durch KI selbst bestimmt, sondern durch die Bereitschaft von L&D-Führungskräften, mutig zu handeln und Veränderungen anzunehmen. Wenn L&D die neuen Ansätze zur Performance-Unterstützung und Kompetenzentwicklung nicht aktiv nutzt, werden andere Bereiche der Organisation diese Lücke füllen. Der Wendepunkt bei der KI-Implementierung ist erreicht – nun steht die Transformation des gesamten L&D-Modells an.

Die Studie von Taylor und Vinauskaitė basiert auf einer globalen Umfrage unter über 600 L&D-Praktikerinnen und -Praktikern aus 53 Ländern, die zwischen dem 27. Juni und 31. August 2025 durchgeführt wurde. Ergänzt wird die quantitative Analyse durch detaillierte Fallstudien und eine qualitative Auswertung von rund 20.000 Wörtern aus Freitext-Antworten. Die Autorinnen und Autoren weisen darauf hin, dass die Stichprobe selbstselektierend ist und die Teilnehmenden vermutlich technikaffiner sind als das durchschnittliche L&D-Personal. 


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