Wie Organisationen voneinander lernen
Die globalpolitischen Trends sprechen eine klare Sprache: Handelskriege, Protektionismus und nationale Alleingänge dominieren die Schlagzeilen. Folgt man dieser Logik, müssten sich auch Unternehmen abschotten, ihre Geheimnisse hüten und Wissen wie einen Schatz bewachen. Doch die Wissenschaft und gelebte Praxis zum Thema "Wissensaustausch" erzählt eine andere Geschichte: Abschottung hemmt Innovation und verhindert Fortschritt.
Während sich die Welt politisch fragmentiert, können Organisationen durch gezielten Austausch von Wissen und Erfahrungen mit anderen Organisationen konkrete und innovative Lösungen für komplexe Herausforderungen entwickeln. In Zeiten, in denen KI ganze Branchen umkrempelt, geopolitische Spannungen Lieferketten zerreißen und wirtschaftlicher Druck Unternehmen zum Umdenken zwingt, braucht es neue Antworten auf alte Fragen: Wie entwickeln wir Lösungen für Probleme, die wir noch gar nicht vollständig verstehen? Wie bleiben wir agil, wenn sich die Spielregeln täglich ändern? Wie bauen wir Resilienz auf, ohne dabei den Anschluss zu verlieren? Interorganisationales Lernen (IOL) kann helfen, diese neuen Antworten zu finden.
Was ist interorganisationales Lernen?
Interorganisationales Lernen geschieht immer dann, wenn Akteure verschiedener Organisationen miteinander Erfahrungen teilen, erläutert Nataša Rupcic 2021 in der Zeitschrift "The Learning Organization". Während die Akteure neue Ideen, Informationen und Best Practices von anderen aufnehmen, lernen sie voneinander und können so ihre Mitarbeitenden weiterentwickeln und ihre Organisation transformieren. Praktische Beispiele dafür nennt Johanna Voigt, Principal Consultant für Learning & Development bei HR Pepper: "Als Beratung haben wir ein großes Netzwerk und bringen unsere Kontakte gerne interorganisational zielgerichtet zusammen. Das reicht vom 1:1-Austausch zu einer spezifischen Fragestellung, über Round Tables und Innovation Days, bis hin zu Fieldtrips."
Dabei geht IOL weit über klassisches Networking hinaus: "Während das klassische Networking darauf abzielt, Kontakte zu knüpfen und Beziehungen zu pflegen, geht es beim interorganisationalen Lernen um die bewusste und strategische Transformation von Wissen und Fähigkeiten", erklärt Alexander Lorbeer, CEO der Ada Learning GmbH, die mit dem Ada Fellowship Fach- und Führungskräfte verschiedener Organisationen und Industrien in zukunftsrelevanten Kompetenzen entwickelt, vernetzt und in Innovationsprojekten zusammenbringt. Um am Ada Fellowship teilzunehmen, entsenden Organisationen eine Gruppe an Mitarbeitenden, die meist durch einen internen Bewerbungsprozess ausgewählt werden. Mittlerweile steht das Ada Fellowship auch Einzelpersonen offen.
Interorganisationales Lernen setzt ein hohes Maß an Transparenz und Anpassungsbereitschaft voraus. Die Beteiligten müssen bereit sein, nicht nur Informationen auszutauschen, sondern auch ihre Arbeitsweisen zu überdenken und gemeinsam neue Kompetenzen zu entwickeln. Die Relevanz dieses Ansatzes zeigt sich auch in der Forschungsarbeit: Eine Übersichtsarbeit von Amitabh Anand und Kollegen und Kolleginnen aus dem Jahr 2021 belegt einen deutlichen Anstieg an Publikationen zu IOL in den vergangenen 15 Jahren.
Warum sich das Lernen zwischen Organisationen lohnt
Interorganisationales Lernen ist ein wichtiger Mechanismus für die Innovations- und Marktleistung von Organisationen. In der Forschung zeigt sich dies immer wieder. Anni Rajala von der Universität Vaasa in Finnland hat beispielsweise 2018 eine Metaanalyse zu der Frage durchgeführt, wie IOL und Leistung zusammenhängen. Das heißt, sie hat über 20 Studien statistisch zusammengefasst. Die Ergebnisse über alle Studien hinweg zeigen: Wenn Organisationen IOL nutzen, geht dies mit einer erhöhten Innovationsleistung einher, das heißt die verbesserte Fähigkeit, neue Produkte, Dienstleistungen und Prozesse zu entwickeln. Außerdem steigern sie ihre Marktleistung, also zum Beispiel Marktanteile und Sales und legen damit die Grundlage für eine strategische Positionierung im Markt auf lange Sicht.
Darüber hinaus schafft interorganisationales Lernen Ergebnisse, die die jeweiligen Organisationen alleine nicht erreicht hätten oder am Markt in Form von Beraterdienstleistungen einkaufen müssten. "Im interorganisationalen Austausch werden Erfahrungsräume geschaffen, die außerhalb der eigenen – auch gedanklichen – Räumlichkeiten liegen", sagt Jonas Rodenberg, Learning & Development-Experte bei Materna, einem Unternehmen für IT-Dienstleistungen. Er ist gleichzeitig auch Mitorganisator und Alumnus des Cross-Mentoring-Programms der Dortmunder Wirtschaftsförderung, welches Mitarbeitende lokaler Unternehmen unterschiedlicher Branchen in Tandems zusammenbringt.
"Die wertvollsten Momente im Ada Fellowship waren, wenn ich sah, wie Menschen aus ganz anderen Industrien und Branchen Aufgaben anders angingen, was mich oft positiv überraschte und mir zeigte, dass es noch andere Herangehensweisen gibt", berichtet Flavio Garcea, Head of AI Delivery Hub bei Clearstream (Deutsche Börse Group), der über Ada zum Thema "Tech und Transformation" mit über 70 anderen Organisationen in Kontakt kam und gemeinsam mit anderen Teilnehmenden eine Projektidee umgesetzt hat. Daran wird auch der Vorteil durch die größere Perspektivenvielfalt gegenüber organisationsinternen Vernetzungsformaten deutlich. Das Lernen von Erfahrungen anderer kann die eigene Anpassungsfähigkeit erhöhen und dazu noch kostengünstig sein, insbesondere wenn das eigene Marktumfeld noch nicht so schnell ist. Dabei profitieren Organisationen sowohl von erfolgreichen Lösungsansätzen als auch von den Fehlern anderer. Beides reduziert das eigene Implementierungsrisiko erheblich.
Kooperationen zwischen konkurrierenden Unternehmen
"Der Vergleich mit anderen Organisationen hat immer auch einen einordnenden Charakter", ergänzt Jonas Rodenberg. So wird die eigene Organisation im Abgleich mit anderen Organisationen plötzlich in einem anderen Licht gesehen. Während viele befürchten, dass Mitarbeitende nach einem Blick auf das grüne Gras der Nachbarorganisation abwandern, zeigen Erfahrungen, dass diese Sorge meist unbegründet ist. So beschreibt beispielsweise Rebekka Scholz, Teamlead Industry & Field Marketing bei T-Systems International, ihre Erfahrungen wie folgt: "Der Austausch in den Programmen verstärkte meinen positiven Eindruck von T-Systems. Ich stellte fest, wie fortschrittlich mein Unternehmen in vielen technologischen Bereichen ist. Dieser Blick von außen bestärkte meine Bindung an das Unternehmen und die Branche." Rebekka Scholz hat sich als Ada Fellow intensiv mit generativer KI auseinandergesetzt und im Austausch mit anderen Teilnehmenden einen Custom GPT entwickelt. Als Alumna des "10 More In"-Programms, ein sechswöchiges Programm für Frauen in Führung, hat Rebekka Scholz unter anderem in "Close Circle Sessions" ihre Führungsfähigkeiten verbessert.
Ein weiterer Mehrwert findet sich in der erhöhten kognitiven Flexibilität, wie Lea Lempert erklärt. Sie ist Doktorandin an der TU Darmstadt und untersucht das Thema "Coopetition" – eine Wortschöpfung aus den Begriffen "Cooperation" und "Competition". Damit wird die Situation beschrieben, wenn Organisationen miteinander kooperieren, die gleichzeitig auch im Wettbewerb miteinander stehen. Je mehr sich die Tätigkeitsbereiche oder Branchen der teilnehmenden Organisationen ähneln, desto höher die mögliche Coopetition. Teilnehmende interorganisationaler Lernformate müssen mit diesem gedanklichen Paradoxon der Coopetition ("wir arbeiten zusammen, aber stehen auch im Wettbewerb miteinander") umgehen und das fördert kognitive Anpassungsfähigkeit und folglich kreative Leistung.
Und nicht zuletzt liegt auf der Hand, dass interorganisationales Lernen Beziehungen und Netzwerke auf allen Ebenen stärken kann. Durch Begegnungen, Austausch und Zusammenarbeit werden langfristige, vertrauensvolle Beziehungen zwischen Menschen und damit Organisationen aufgebaut. Diese Netzwerke können auch zukünftige Kooperationsmöglichkeiten eröffnen oder informell zum Sparring genutzt werden. Darüber hinaus entsteht das Potenzial für die Optimierung von Prozessen und Kosten: Zum Beispiel können Organisationen gemeinsam Forschungs- und Entwicklungsprojekte durchführen oder durch den Austausch von Infrastruktur und Technologien Synergien schaffen.
Herausforderungen beim interorganisationalen Lernen
Jede Organisation, die interorganisational lernen möchte, steht vor dem "Learning Dilemma": Wie viel Wissen gebe ich preis, ohne Wettbewerbsvorteile zu verlieren? Wie offen bin ich für fremdes Wissen, ohne die eigene Identität zu verlieren? Dieser Begriff wurde schon vor über 25 Jahren von einer schwedischen Forschungsgruppe um Rikard Larsson geprägt. Damit Wissensaustausch funktioniert, müssen Organisationen transparente Einblicke gewähren. Das macht sie aber auch vulnerabel für Wissensausbeutung durch andere. Gleichzeitig ist Wissensausbeutung nur eine kurzfristige Strategie. Wenn sich eine Organisation einmal ausgenutzt fühlt, wird sie die Kooperation schnell beenden. Organisationen bewegen sich also auf einem schmalen Grat.
Ist das Learning Dilemma in Betracht gezogen, bleibt noch das Risiko, dass das neu erworbene Wissen im eigenen Kontext nicht anwendbar ist. Man stelle sich vor, Teilnehmende kommen von einem interorganisationalen Lernformat zurück in ihr Arbeitsumfeld. Sie sind voller Tatendrang und Ideen. Nur um dann zu merken, dass sich die vielversprechenden Lösungen der anderen nicht auf die eigene Organisation übertragen lassen, weil zum Beispiel die Prozesse oder die Kultur nicht dazu passen. Die Wissenschaftlerinnen Rosileia Milagres und Ana Burcharth haben 2019 in ihrer Metaanalyse herausgefunden, welche Faktoren Wissen mehr oder weniger gut anwendbar machen. So zeigt sich: Wissen lässt sich umso schwieriger übertragen, je impliziter, komplexer, technologischer, kollektiver und systemischer es ist.
Nicht zu vernachlässigen sind auch die klassischen Learning & Development-Herausforderungen: schwierige Erfolgsmessung und geringe Ressourcen. Wie so oft im Bereich L&D braucht es auch bei interorganisationalen Lernformaten smarte Überlegungen, um die Ergebnisse messbar zu machen. "Natürlich ist die Zufriedenheit und Weiterempfehlung der Mitarbeitenden eine Kennzahl für den Erfolg eines interorganisationalen Programms. Viel entscheidender ist aber, welche Wirkung in der Organisation gemessen werden kann, zum Beispiel die Umsetzungsrate von Innovationsprojekten oder die Identifikationen von neuen Talenten, die das Unternehmen von innen transformieren können", so Alexander Lorbeer. Dazu kommt, dass viele Organisationen nicht ausreichend Ressourcen für L&D und spezifisch für interorganisationales Lernen bereitstellen. Das gilt für die Individual- aber auch die Organisationsebene. Ohne diese Ressourcen kann der interorganisationale Austausch ineffizient werden und keine nennenswerten Ergebnisse liefern.
Zuletzt kann auch in der Zusammensetzung der Teilnehmenden ein Risiko liegen. In interorganisationalen Lernsettings treffen unterschiedliche Unternehmenskulturen und Kommunikationsweisen aufeinander. Das kann bei den Beteiligten zu Missverständnissen und Konflikten führen, gerade, wenn wir organisationsübergreifende Zusammenarbeit in Projekten betrachten. Das gilt auch für Konflikte bei der Zielverwirklichung: Unterschiedliche strategische Ziele und Erwartungen der beteiligten Organisationen können zu Konflikten führen. Wenn das Kompetenz- und Erfahrungslevel der Teilnehmenden sehr unterschiedlich ist, kann es sein, dass die Flughöhe der Diskussionen nicht zusammenpasst. "Wir achten bei der Besetzung unserer interorganisationalen Lernformate sehr klar darauf, ob es um strategische Fragestellungen oder um die operative Umsetzung geht. Gespräche laufen sehr unterschiedlich, je nachdem, ob es zum Beispiel um die langfristige Personalentwicklungsstrategie geht oder um die operative Einführung einer Learning Software. Bringen wir Menschen zusammen, die auf zu unterschiedlichen Ebenen aktiv sind, kann das zu mehr Frust als Lernerfolg führen", beschreibt Johanna Voigt.
Interorganisationales Lernen auf Organisations- und Personenebene
Die Chancen sind bekannt, die Risiken identifiziert – doch wie gelingt es nun konkret, interorganisationales Lernen erfolgreich zu gestalten? Wir haben eindeutige Erfolgsfaktoren identifiziert, die sowohl bei den organisationalen Rahmenbedingungen als auch bei den teilnehmenden Personen ansetzen, um Lernen zwischen Organisationen nachhaltig zu gestalten.
Vernetzung braucht Vernetzer: Intermediäre als Enabler
Ein oft übersehener, aber praktisch entscheidender Erfolgsfaktor ist die Rolle von Intermediären beim Zustandekommen von IOL. Während Organisationen theoretisch direkt kooperieren könnten, zeigt die Praxis: Spezialisierte Anbieter, Branchenverbände, Wirtschaftsförderungen, Universitäten oder Plattformanbieter fungieren als wichtige Katalysatoren. Sie bringen passende Partner zusammen, reduzieren Such- und Koordinationskosten und entwickeln zunehmend formalisierte Praktiken des Wissenstransfers. Diese Professionalisierung spiegelt sich auch in der Forschung wider: Wie Rupčić betont, liegt der Fokus bei IOL-Formaten vermehrt auf strategischen Überlegungen und strukturierten Ansätzen. Ohne diese Vernetzer blieben viele IOL-Potenziale ungenutzt, da Organisationen oft nicht wissen, wer passende Lernpartnerinnen wären, und auch die erforderlichen Rahmenbedingungen nicht eigenständig schaffen könnten.
Strategisch verankert und messbar
"Wie bei allen organisationalen Lernvorhaben, ist eine klare Ausrichtung an den strategischen Zielen der Organisation unerlässlich, um wirksam zu sein", erläutert Johanna Voigt. Soll beispielsweise Innovation vorangetrieben werden oder geht es darum, seine Arbeitgebermarke zu stärken und Potenziale zu fördern? Im ersten Fall sollte das IOL-Format Möglichkeiten für inhaltliche Diskussionen und Prototypen erlauben; im zweiten Fall könnte ein Fokus auf Sichtbarkeit, Netzwerken und Einflussnahme zielführender sein. Bevor Sie interorganisationale Lernformate auswählen, sollten Sie sich also fragen: Für welche unserer strategischen Ziele ist IOL eine wirksame Maßnahme? Auf welches Ziel wollen wir konkret einzahlen? Und wie können wir den Erfolg messen?
Das Learning Dilemma meistern
Es braucht eine klare Haltung zum Umgang mit dem "Learning Dilemma", also der Balance aus Transparenz und Empfänglichkeit. Erfolgreiche Organisationen lösen dieses Dilemma durch klare Abgrenzung zwischen geteiltem und geschütztem Wissen, dem Fokus auf Lernprozesse und eine langfristige Perspektive auf Beziehungen statt kurzfristige Vorteile. Rikard Larsson und Kollegen positionieren sich in ihrem Artikel dazu wie folgt: In einer Welt, in der alle Organisationen auf Kooperation setzen, das heißt maximal transparent und empfänglich sind, wäre der Nutzen für alle maximiert. In der Realität, in der Organisationen sich der Intention ihrer Gegenüber nie ganz sicher sein können, ist ein Kompromissweg die beste Lösung; das heißt, eine gute Balance zu finden aus mittlerer Transparenz und mittlerer Empfänglichkeit. In einem IOL-Format zu Corporate Academies könnte diese Balance beispielsweise so aussehen, dass eine teilnehmende L&D-Expertin offen von ihrem Lernprozess und Fehlern berichtet ("anfangs haben wir das Angebot zu stark zentralisiert und erst durch Feedback-Schleifen haben wir gelernt, dezentrale Bedarfe besser einzubinden"), aber Investitionssummen und Details über externe Partner für sich behält. So profitieren die Zuhörenden, ohne dass sensible Informationen preisgegeben werden. Gleichzeitig gibt die L&D-Expertin genug Grundlage, um weitere Tipps und Ideen der anderen Teilnehmenden aufzunehmen.
Vertrauen als Währung
Vertrauen erweist sich als einer der stärksten Erfolgsfaktoren für Wissensaustausch – stärker noch als formale Vereinbarungen oder finanzielle Anreize. Doch wie kann Vertrauen am besten hergestellt werden? Diese Frage hat eine große Metaanalyse von Brian Connelly und Kollegen aus dem Jahr 2015 beleuchtet. Die US-Forscher haben über 37.000 interorganisationale Beziehungen untersucht und dabei unterschieden, ob interorganisationale Partner sich aufgrund von Kompetenz oder aufgrund von Integrität vertrauen. Die Ergebnisse sind glasklar: Die Zusammenarbeit ist zehnmal effizienter, wenn sich die Organisationen wegen ihrer Integrität vertrauen. Das heißt, wer sich zuverlässig und ehrlich zeigt, profitiert von einer reibungsloseren Zusammenarbeit und geringeren Kosten. Das heißt nicht, dass Kompetenz nicht auch ein wichtiger Faktor ist. Aber für die Zusammenarbeit ist die Integrität wesentlich entscheidender.
Veränderungsmotivation schlägt Hierarchie
"Eine wichtige Aufgabe ist es, die richtigen Teilnehmenden auszuwählen. Die intrinsische Motivation ist viel wichtiger als die formale Rolle in der Organisation", betont Alexander Lorbeer aus der Praxis. Wer wirklich Lust auf Veränderung hat, bringt das Gelernte auch zurück ins Unternehmen. Entscheidend ist dabei die Fähigkeit, neues Wissen nicht nur aufzunehmen, sondern auch praktisch anzuwenden und in bestehende Prozesse zu integrieren (in der Forschung spricht man dabei von "absorptiver Kapazität") – das ist das Ergebnis einer Metaanalyse von Raymond van Wijk und Kollegen und Kolleginnen aus dem Jahr 2008. "Ein wichtiger Erfolgsfaktor ist auch die interne Vernetzung der Teilnehmenden, damit sie ihr Wissen in die Organisation tragen können", betont Hannah Wörner, die als Senior Project Lead Transformation bei der Obi Group das Ada Fellowship für 15 Mitarbeitende verantwortet. Ohne interne Multiplikatoren bleibt das beste externe Lernen wirkungslos. Die Teilnehmenden müssen sowohl nach außen als auch nach innen vernetzt sein, um als Brückenbauer zwischen den Welten zu fungieren. Wie das ganz konkret aussehen kann, berichtet auch Katinka Cedzich, HR Projektleiterin bei Trumpf sowie Ada Alumna: "Wir haben aus dem Fellowship heraus neue interne Learning-Formate erstellt, Angebote in etablierten Formaten wie dem offenen Marktplatz gemacht und somit das interorganisational erworbene Wissen wieder in die Organisation getragen. Es war die Erwartungshaltung an uns, dass wir uns der Rolle als Botschafter bewusst werden und die Erfahrungen weiterleben lassen." In der Teilnehmerauswahl bedeutet das: Suchen Sie nach Menschen, die neugierig sind, Wissen übertragen können und das Standing haben, Veränderungen voranzutreiben.
Bestens vorbereitete Teilnehmende
"Das Programm wurde sehr gut und umfassend vorbereitet, sodass man gar keine Bedenken hatte, irgendetwas zu teilen", berichtet Anna Köllmann, Vice President Public Sector bei Materna, über das Santander W50-Programm. Das Programm bringt weltweit ausgezeichnete weibliche Führungskräfte für ein interorganisationales Führungskräftetraining zusammen. Für ein erfolgreiches Programm ist also das frühzeitige Schaffen einer vertrauensvollen Atmosphäre in der Gruppe entscheidend, genauso wie die Kommunikation der Programmziele an die Teilnehmenden. Der oben bereits angesprochene Beziehungsaufbau ist also nicht nur auf organisationaler, sondern auch auf individueller Ebene wichtig. Auch die Wichtigkeit der Kommunikation der Ziele lässt sich wissenschaftlich untermauern: Wissensambiguität – also Unklarheit über das, was gelernt werden soll – ist eines der größten Hindernisse für erfolgreichen Wissenstransfer laut van Wijk und Kollegen und Kolleginnen. Eine erfolgreiche Vorbereitung umfasst daher eine klare Kommunikation der Zielsetzung und Erwartungshaltung, das gegenseitige Kennenlernen der Teilnehmenden, transparente Kommunikation über Nutzen und Grenzen sowie den Aufbau von Vertrauen bereits vor dem eigentlichen Programm.
Was heißt das in der Konsequenz? Wirksames interorganisationales Lernen ist kein Glücksfall, sondern das Ergebnis systematischer Gestaltung. Die richtigen Personen, gut vorbereitete Strukturen und der Aufbau vertrauensvoller Netzwerke sind die entscheidenden Erfolgsfaktoren. Mit diesem Fundament können Unternehmen das volle Potenzial des Lernens mit anderen Organisationen ausschöpfen und die Basis schaffen für konkrete Ergebnisse und nachhaltige Veränderungen.
Maßnahmen zur Umsetzung interorganisationalen Lernens
Ist die Entscheidung gefasst, IOL nutzen zu wollen, stellt sich die Frage, welche Maßnahme die richtige für die jeweilige Person oder Organisation ist. Oftmals stehen zu Beginn nur geringe Budgets zur Verfügung, und es fallen Worte wie "Pilotprojekt". Vielleicht hat Ihre Organisation aber auch umfassendere Pläne oder ist schon interorganisational aktiv. Dabei gilt: Alle Maßnahmen, die auf Individualebene anwendbar sind, können ebenfalls auf Teamebene umgesetzt werden. Zudem besteht die Möglichkeit, Maßnahmen auf Organisationsebene zunächst in ausgewählten Teams oder Abteilungen zu testen ( siehe Tabelle). L&D-Experten und -Expertinnen haben dabei die einzigartige Möglichkeit, als strategische Brückenbauer zu agieren und Organisationen in einer vernetzten Lernlandschaft zu verankern.
Dieser Beitrag ist erschienen in neues lernen, Ausgabe 5/2025, das Fachmagazin für Personalentwicklung. Lesen Sie das gesamte Heft auch in der App Personalmagazin - neues lernen.
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