Working Out Loud: Die Methode

John Stepper hat aus eigener Betroffenheit heraus eine Methode entwickelt, wie sich Menschen sinnvoll vernetzen und ihre Arbeit transparent machen. Das ermöglicht Kollaboration, wie viele Firmen sie sich wünschen. Ihren Erfolg führt Stepper darauf zurück, dass sich die Anwender gestärkt und unabhängiger fühlen.

personalmagazin: Die Methode „Working Out Loud” verbreitet sich rasant in großen deutschen Unternehmen. Sie haben sie erfunden. Worum geht’s?
John Stepper: Die Bezeichnung selbst stammt gar nicht von mir. Die verdanke ich Bryce Williams, der 2010 einen Blogbeitrag mit dem Titel geschrieben hat: „When will we work out loud?“. Darin befasst er sich mit Fragen, die mich damals auch umgetrieben haben: Was muss passieren, damit Menschen die sozialen Kollaborationstools im Unternehmen wirklich nutzen und richtig nutzen? Damit hatte ich ganz praktisch als IT-Spezialist in einer großen deutschen Bank am Standort New York zu tun.

Click to tweet

personalmagazin: Was muss passieren?
Stepper: Sie müssen einen Sinn und Chancen darin erkennen. Da helfen die Kampagnen und Appelle, die auch wir damals bei der Einführung solcher Tools eingesetzt haben, nicht wirklich weiter. Sie müssen erleben, was es bringt.

Der Nutzen von Working Out Loud

personalmagazin: Was bringt es also, seine Arbeit sichtbar zu machen und sich zu vernetzen?
Stepper: Was es bringt, habe ich selbst am eigenen Leib erfahren. Bei eben jener Bank bin ich 2008 durch eine Restrukturierung gegangen. Ich fühlte mich absolut abhängig, gedemütigt, isoliert, ohne Einfluss darauf, was geschieht. Ich hatte damals kein Netzwerk, kein eigenes Thema, keine Vorstellung davon, wer ich bin und was mich treibt. Niemand hätte mich im Internet oder in sozialen Medien gefunden, wenn er gesucht hätte. Geschweige denn kontaktiert. Ich bin damals noch mal mit einem blauen Auge davongekommen und in eine andere Abteilung und ein anderes Projekt versetzt worden. Doch 2016 kam die nächste Abbauwelle.

personalmagazin: Und?
Stepper: Da konnte ich viel gelassener damit umgehen. Ich hatte die acht Jahre genutzt, um meine eigene Arbeit und meine Erfahrungen bei der Implementierung des Kollaborationstools Jive in der Bank publik zu machen. Ich hatte Gleichgesinnte auf der ganzen Welt gefunden, mit denen ich mich dazu intensiv austauschte. Und ich hatte 2015 das Buch „Work out Loud“ veröffentlicht. Einen Monat, nachdem ich bei der Bank rausgeflogen war, konnte ich Katharina Krentz bei Bosch bereits darin unterstützen, Work-Out-Loud-Themen in ihrem Unternehmen zu bewältigen.

personalmagazin: Working Out Loud verhilft also Kollaborationstools im Unternehmen zum Durchbruch?
Stepper:
Vorsicht, es geht nicht vorrangig um Technologie! Ich bin zwar Informatiker, bemühe mich aber immer mehr, zum Menschenversteher zu werden. Es geht um Menschen und das, was sie antreibt. Man will die Kontrolle über sein Leben haben, man braucht Zuversicht und die Erfahrung der Selbstwirksamkeit. Und man will eingebunden sein – wir sind zutiefst soziale Wesen.

Click to tweet

personalmagazin: Das alles ermöglicht Working Out Loud?
Stepper:
Die Methode bahnt den Weg dorthin. Bei der Einführung des Tools in der Bank hat sich immer mehr herausgestellt, dass man Vorbehalte beseitigen und die Menschen ermutigen muss, über ihre Arbeit zu berichten. Das gelingt am besten in diesen kleinen Zirkeln von bis zu fünf Menschen, wo man ohne Angst, ohne Beurteilung oder Wettbewerb an sich, seinem Beitrag und seinen Zielen arbeiten kann. Bei Google nennen sie das „psychologische Sicherheit“ in Teams.

WOL Circle: Das Grundprinzip

personalmagazin: Was lernt man in diesen Zirkeln, den „WOL Circles“?
Stepper:
Man erfährt Schritt für Schritt, dass man etwas zu sagen hat, dass man Sinnvolles zu Debatten und Arbeitsprozessen beitragen kann und dass man darüber Beziehungen aufbauen kann – und zwar, indem man großzügig gibt und hilft.

personalmagazin: Das liegt quer dazu, wie viele Menschen die sozialen Technologien wahrnehmen. Social Media stehen doch meist im Verdacht, nur was für Selbstdarsteller, Narzissten und Extrovertierte zu sein.
Stepper:
Genau da setzt Working Out Loud an. Auch ich habe ja nicht davon profitiert, Katzenvideos zu posten und darüber zahlreiche Anhänger zu gewinnen …

personalmagazin: … die kann man sich auch gegen Geld kaufen.
Stepper: Genau. Es geht nicht um Popularität und große Reichweiten. Es geht darum, Menschen mit ähnlichen Themen und Herausforderungen zu helfen. Es geht auch nicht um Aktionismus, sondern darum, ein persönliches Ziel zu haben, zu lernen und sich verbessern zu wollen. Working Out Loud können Sie mit E-Mail oder bei einer Tasse Kaffee bestreiten. Und so genau beginnen die ersten der zwölf Wochen in den Working-Out-Loud-Programmen.

personalmagazin: Die Arbeit in den Zirkeln und das, was man tut, folgt fünf Prinzipien, die man durchaus auch in Ratgebern zu Glück und Erfolg im Beruf liest: Sie nennen es „Generosity“, „Relationships“, „Visibility“, „Purposeful Discovery“ und „Growth Mindset“.
Stepper:
Ja, alles was ich da schreibe und empfehle, ist ungefähr so originell wie zu sagen, ernähre Dich gesund und bewege Dich viel (lacht). Da ist wenig wirklich neu daran. Aber das umzusetzen, ist die Herausforderung.

Click to tweet

personalmagazin: Ist denn die Selbstvervollkommnung und zunehmende Autonomie überhaupt im Sinne der Unternehmen, die soziale Kollaboration fördern wollen?
Stepper:
Das ist wirklich interessant. Ich habe das am Anfang eher als eine individuelle Sache gesehen. Dann aber hat sich schnell gezeigt, dass die Unternehmen genau das lieben und suchen. Silos abbauen, Wissen heben, Menschen vernetzen: Das steht ja auf jeder Powerpointfolie und in jeder Führungsrichtlinie. Aber es fehlte offensichtlich eine Methode, die das einlöst.

personalmagazin: Was ist der Kern dieser Methode?
Stepper:
Die Unternehmen sehen darin ein wirksames Instrument, wirkliche Verhaltensänderungen herbeizuführen. Es ersetzt bei ihnen daher keine Programme der Innovationsförderung, der digitalen Transformation, der Organisationsentwicklung, es ergänzt sie. Gerade dieser selbstbestimmte Mensch-zu-Mensch-Ansatz bringt da vieles in Bewegung.

Bosch ist Vorreiter bei WOL

personalmagazin: Deutschland ist die Speerspitze der Bewegung?
Stepper: Bosch war tatsächlich eines der allerersten Unternehmen, die auf den Gedanken und die Methode gesetzt haben. Und in Deutschland sitzen in unterschiedlichen Unternehmen sehr engagierte Leute. Aber die Methode wird weltweit schon angewandt: in Brasilien, China, selbst in den Vereinigten Staaten (lacht).

Das Interview führte Randolf Jessl, freier Journalist und Inhaber der Kommunikations- und Leadershipberatung Auctority.

Hinweis: Das gesamte Interview mit John Stepper lesen Sie im Titelthema der März-Ausgabe der Zeitschrift Personalmagazin. Dort finden Sie auch das ausführliche Praxisbeispiel zu WOL bei Bosch.


Schlagworte zum Thema:  New Work