Training und Beratung in Krisenzeiten

Der Trainingsmarkt formiert sich neu. Die Trainerin Sabine Prohaska hat mit Kollegen gesprochen. Ihr Fazit: Die Corona-Krise trifft die Anbieter unterschiedlich hart. Wer die nötigen Schlüsse aus der Digitalisierung gezogen hat, braucht sich weniger Sorgen zu machen. 

Wer hätte gedacht, dass sich der Markt so schnell dreht? Noch zur Jahreswende waren alle Berater für das Jahr 2020 sehr zuversichtlich und zum Beispiel der Präsident des Bundesverbands Deutscher Unternehmensberater (BDU), Ralf Strehlau, sagte der Branche für 2020 nicht nur ein Wachstum von über fünf Prozent voraus. Er verkündete zudem: "Besonders die mittelgroßen Marktteilnehmer erwarten im ersten Halbjahr 2020 gute Rahmenbedingungen für weiteres Wachstum."

Doch bereits am 13. März 2020 klang dies in einer Pressemitteilung des BDU schon deutlich nüchterner. Ihr zufolge hielten in einer BDU-Blitzumfrage zwar – "trotz der bereits spürbaren Coronavirus-Auswirkungen" – noch 72 Prozent der Unternehmensberatungen an ihren ursprünglichen Umsatzprognosen für das Jahr 2020 fest. "Doch gut ein Viertel der Marktteilnehmer erwarten schon einen Umsatzrückgang." Dessen ungeachtet verbreitet der BDU-Präsident in der Pressemitteilung noch Zuversicht und rechnet sogar zum Beispiel bei solchen Beratungsthemen wie Supply Chain Management und Sanierungsberatung mit einer "Sonderkonjunktur" – was nachvollziehbar ist, wenn die Lieferketten der Unternehmen zusammenbrechen und nicht wenigen aufgrund von Liquiditätsengpässen eine Insolvenz droht.

Berater ist nicht gleich Trainer oder Coach

Dass der BDU-Präsident bezüglich der Auswirkungen der Corona-Pandemie noch so gelassen ist (oder sich so gibt), liegt vermutlich daran: In seinem Verband sind weitgehend die klassischen Unternehmensberatungen zu Hause. Und ob zum Beispiel eine Prozessberatung nun unter der Überschrift "Wachstum und Innovation" oder "Cost-Cutting", also Kosten- und Personaleinsparung, oder gar "Sanierung" ihr Geld verdient, ist für deren Inhaber meist sekundär. 

Anders sähen die Befragungsergebnisse vermutlich aus, wenn ein Verband wie der Berufsverband für Training, Beratung und Coaching (BDVT) oder die Rednervereinigung GSA oder die Vereinigung der Businesstrainer Österreich (VBT), deren Vorstand ich angehöre, ihre Mitglieder befragen würde, die weitgehend Trainer, Coachs und Speaker sind. Dann wäre das Stimmungsbild deutlich düsterer. Zumindest hatte ich bei meinen zahlreichen Telefonaten in der zurückliegenden Woche vorrangig mit Trainern nicht nur in Österreich, sondern auch in Deutschland und der Schweiz diesen Eindruck. In ihnen berichteten mir meine Gesprächspartner fast durchgängig von Auftragsstornierungen und Trainingsverschiebungen – vermutlich auf den "Sankt-Nimmerleins-Tag". 

Dabei gewann ich den Eindruck: Je überregionaler das Geschäft der Anbieter im Trainings- und Beratungsmarkt ist und je stärker dieses davon lebt, dass Menschen sich persönlich treffen und miteinander kommunizieren, umso größer sind jetzt bereits die Auswirkungen der Corona-Pandemie oder -Pandemie auf ihr Geschäft. So klagten zum Beispiel die Coachs, mit denen ich sprach und deren Business primär ein lokales oder regionales ist, fast nie über Auftragsstornierungen. Und wenn doch? Dann nicht aufgrund einer eventuellen Ansteckungsgefahr, sondern weil ihre Coachees aktuell Dringlicheres zu tun haben, als sich mit ihrem Coach zu treffen – was nachvollziehbar ist, wenn zumindest die Gefahr besteht, dass Aufträge wegbrechen und ihre Unternehmen deshalb eventuell in eine finanzielle Schieflage geraten. 

Trainer und Speaker spüren die Krise stark

Anders sieht die Situation bei den Trainern und Speakern aus. Sie berichteten mir reihenweise von der Absage von Veranstaltungen und Events. Dies ist ebenfalls nachvollziehbar! Denn wenn immer mehr Unternehmen ihren Mitarbeitern anbieten, sie könnten von zu Hause aus arbeiten, um die Infektionsgefahr zu reduzieren oder minimieren, dann wäre es geradezu absurd, sie für ein Training zusammenzutrommeln, bei dem sie zum Beispiel professionell zu präsentieren lernen. Ähnlich verhält es sich bei den Vortragsrednern. Wenn reihenweise Veranstaltungen wie Tagungen und Kongresse, Kick-offs und Kundenevents abgesagt werden, braucht man auch keine Keynote Speaker.

Besondern hart scheint es jedoch die Beratungs- und Trainingsunternehmen zu treffen, die grenzüberschreitend oder gar weltweit agieren. So berichtete mir zum Beispiel ein bekanntes, namhaftes Trainingsunternehmen, dessen Spezialität internationale Roll-outs von Trainingskonzepten zum Beispiel im Bereich Führung und insbesondere Vertrieb sind: Unsere Trainings- und Qualifizierungsmaßnahmen wurden – soweit sie nicht online stattfinden – fast ausnahmslos storniert. Nicht nur wegen des erhöhten Infektionsrisikos, das mit Fernreisen und wenn Menschen aus mehreren Ländern sich zum gemeinsamen Lernen und Arbeiten treffen verbunden ist, sondern auch aufgrund der (Ein-)Reisebeschränkungen, die für immer mehr Länder auf der Welt gelten.

Dessen ungeachtet sind die Aussagen des Inhabers des Trainingsinstituts eigentlich typisch für die aktuelle Situation im Trainings- und Beratungsmarkt: Fast alle Anbieter berichten von einer verstärkten Nachfrage, inwieweit sie ihre Leistung auch computer- und netzgestützt erbringen könnten – zum Beispiel in Form von Webinaren, virtuellen Klassenräumen, Video- und Telefonkonferenzen oder Online-Coachings. 

Die geringsten Umsatzeinbußen und geringste Zukunftsangst bzw. Angst, Stammkunden zu verlieren, haben denn auch die Anbieter, die in der Vergangenheit schon bei ihrer Produktentwicklung recht stark auf reine Onlineberatungen und Blended-Learning-Angebote setzten, die Präsenzveranstaltungen mit einem Online-Lernen verknüpfen, denn sie können, wenn ein Kunde einen Auftragsstorno ins Spiel bringt, sagen: "Dann lassen Sie uns die Trainingsmaßnahme doch als Webinar mit vielen aktivierenden Elementen und mit einem anschließenden Online-Coaching durchführen. Die nötige Infrastruktur und die nötige Erfahrung hierfür haben wir ja schon."

Der Markt formiert sich im Zuge der Krise neu

Diese Anbieter sehen in der Corona-Pandemie sogar eine Chance zu wachsen, also bei neuen Kunden einen Fuß in die Tür zu bekommen und mittelfristig deren angestammte Trainingspartner zu verdrängen, denn klar ist für sie: Zwar galt auch schon in den zurückliegenden Jahren die Maxime "Die digitale Transformation macht vor der betrieblichen Personalarbeit und -entwicklung nicht Halt" – doch manche HRler und viele Trainer zogen hieraus nicht die nötigen Schlüsse. Im Zuge der Corona-Pandemie wird sich jedoch auch eine Bewusstseinsveränderung bei ihnen und ein Paradigmenwechsel in ihren Unternehmen vollziehen. Die Pandemie wird wie ein Brandbeschleuniger wirken in dem Prozess, der sich eigentlich schon seit Jahren vollzieht, nämlich dass die Unternehmen bei ihrer Personalentwicklung immer stärker auf Online- bzw. Blended-Learning-Konzepte setzen. 

Insofern macht die aktuelle Corona-Pandemie auch die Versäumnisse mancher Beratungs- und Trainingsanbieter beim Entwickeln und Weiterentwickeln ihrer Produkte in der Vergangenheit sichtbar. Und klar ist schon heute: Die Pandemie wird zu Strukturveränderungen im Weiterbildungsmarkt führen. So werden zum Beispiel in naher Zukunft viele etablierte Beratungs- und Traineranbieter mit ganz neuen, innovativen Mitbewerbern zu kämpfen haben, die sie heute noch gar nicht auf dem Monitor haben – ähnlich wie dies in den zurückliegenden Jahren unter anderem im Handel und in der Finanzwirtschaft schon der Fall war. Denn wie lautet eine alte Beraterweisheit? In der Krise formiert sich der Markt neu!


Dieser Artikel ist zuvor im Magazin "wirtschaft+weiterbildung" Ausgabe 04/2020 erschienen.


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