Vergütung von Personalvorständen: Was HR-Arbeit wert ist
Was ist Personalarbeit in Dax-Unternehmen wert? Und was verdienten die obersten Personaler in Deutschland im Krisenjahr 2020? Regine Siepmann und Nina Grochowitzki, beide Partnerinnen der Vergütungsberatung HKP Group, haben in den Geschäftsberichten der Dax-30-Unternehmen hinter die bloßen Zahlen geschaut und für das Personalmagazin analysiert, was die Beträge, die 2020 auf die Konten der Personalvorstände geflossen sind, tatsächlich bedeuten.
Im Schnitt 2,23 Millionen Euro für HR-Arbeit
Echte Gehaltseinbußen mussten die Personalvorstände in den Dax-Unternehmen auch im Krisenjahr 2020 nicht vermelden. Das wäre zum einen bei Gehältern, die weiterhin im siebenstelligen Bereich sind (einzige Ausnahme: 803.000 Euro für Zhengrong Liu, Arbeitsdirektor und CHRO bei Beiersdorf), vermessen. Zum anderen ist der Einfluss kurzfristiger Umsatzerhöhungen oder Krisen auf die Managergehältern begrenzt – dank dem durch das Vorstandsvergütungsangemessenheitsgesetz (VorstAG) geschärften Blick auf Nachhaltigkeit und Langfristigkeit der Vergütung.
Trotzdem lassen die Effekte der Coronakrise die Gehälter der Dax-Vorstände nicht unberührt. "In den Unternehmen, die deutlich im Ergebnis eingebrochen sind, sind auch die Vergütungen entsprechend gesunken", erklärt Siepmann, die bei HKP alle Beratungsaktivitäten rund um die Vergütung von Vorständen, Geschäftsleitungsmitgliedern sowie Aufsichtsräten verantwortet. Im Durchschnitt, so die Analyse von HKP, sind dem ganzjährig tätigen Personalvorstand 2020 etwa 2,23 Millionen Euro zugeflossen. 1,13 Millionen weniger als die im Vergleich mit dem für alle Dax-Unternehmen sehr guten Geschäftsjahr 2017 durchschnittliche Gesamtvergütung von 3,36 Millionen Euro. Als Zufluss definieren die Vergütungsexpertinnen die Summe aus Grundvergütung, Nebenleistungen, Jahresbonus, langfristig variabler Vergütung und Dienstzeitaufwand für die Altersversorgung, die den Vorstandsmitgliedern 2020 ausbezahlt wurde. Um anteilige Effekte auszuschließen, wurden nur die ganzjährig tätigen CHRO in die Betrachtung mit aufgenommen.
Die bestbezahlten Personaler sitzen bei Volkswagen und der Deutschen Bank
Spitzenverdiener 2020 unter den CHRO im Dax war mit über 3,5 Millionen Euro Gesamtvergütung Volkswagen-Personalvorstand Gunnar Kilian. Das ist nicht ganz überraschend, erklärt Siepmann. Volkswagen zahle seit Jahren allen ordentlichen Vorstandsmitgliedern Vergütungen im oberen Bereich. Trotzdem hatte Amtsvorgänger Karlheinz Blessing, der im April 2018 von Kilian abgelöst wurde, für das Jahr 2017 sogar 5,29 Millionen Euro erhalten, das gute Geschäftsjahr hatte sich auf die Boni ausgewirkt.
Fabrizio Campelli, CHRO und Chief Transformation Officer bei der Deutschen Bank belegt im Gehaltsranking der Personalvorstände 2020 den zweiten Platz. Seine relativ hohe Vergütung von mehr 3,23 Millionen Euro trotz erst kurzer Vorstandstätigkeit liege an der für die Deutsche Bank spezifischen Vergütungsstruktur, erklärt Nina Grochowitzki, deren Beratungsschwerpunkte in den Bereichen Corporate Governance, Vorstands- und Aufsichtsratsvergütung liegen. Da die Banken sehr hohe Beschränkungen der variablen Vergütung haben, zahle die Deutsche Bank eine vergleichsweise hohe Grundvergütung, die in Jahren wie 2020 bei sinkender variabler Vergütung deutlich zum Tragen komme.
Wer verdient mehr als ein CHRO? Alle anderen Vorstandsmitglieder
Im Vergleich zum Durchschnittsgehalt der Personalvorstände 2020 lag die durchschnittliche zugeflossene Gesamtvergütung aller anderen ordentlichen Vorstandsmitglieder ohne Verantwortung für das Personal-Ressort mit 2,6 Millionen Euro um 17 Prozent höher. Nur das Gehalt von Dr. Ariane Reinhart, Personalchefin von Continental, liegt mit über 2,36 Millionen Euro 21 Prozent über dem ihrer Vorstandskollegen. Und auch bei Wilfried Port, CHRO von Daimler, ist der Unterschied zum Verdienst der übrigen Vorstandsvorsitzenden eher gering.
Eine strukturelle Benachteiligung der Personalfunktionen sehen Siepmann und Grochowitzki in diesem Gefälle allerdings nicht. Grund für die Differenz sei eher, so Siepmann, dass im Dax in den vergangenen Jahren zahlreiche CHRO-Wechsel stattgefunden haben. Die Zuflüsse der erst kurz beschäftigten Personalchefs sind aufgrund noch nicht erfolgter Auszahlungen aus den langfristigen variablen Vergütungskomponenten (Long Term Incentives) mit einer üblichen Laufzeit von vier Jahren niedriger als die ihrer langjährigen Vorstandskollegen.
Im Vergleich dazu nimmt sich die Gesamtvergütung der Vorstandsvorsitzenden mit einem Durchschnitt von 9,4 Millionen Euro als ausnehmend viel aus. "Die Vergütung der Vorstandsvorsitzenden 2020 ist allerdings von zwei Sonderfällen beeinflusst", erklärt Nina Grochowitzki: Steve Angel, Vorstandsvorsitzender von Linde, und Niklas Östberg von Delivery Hero haben mit einer Vergütung von gemeinsam über 99 Millionen Euro den Durchschnitt für das Jahr 2020 sehr erhöht. Aus Sicht von HKP ist das Vergütungspaket von Delivery Hero ein Paradebeispiel für eine erfolgsorientierte Start-up-Vergütung. Denn die Grundvergütung von CEO Östberg betrug für 2020 lediglich 350.000 Euro. Dazu wurden jedoch aktienbasierte Vergütungen aus der Vergangenheit in Höhe von 45 Millionen Euro eingelöst.
Personalarbeit ist im Dax nur noch selten ein eigenes Ressort
Eine ebenfalls mit der Veränderung der Unternehmen im Dax zusammenhängende Auffälligkeit bei der Zusammensetzung der Vorstandspositionen stellt Grochowitzki fest: Das Personalressort wandert zusehends in die Verantwortung des Vorstandsvorsitzenden. Während 2016 noch lediglich acht Vorstandsvorsitzende auch die Verantwortung für HR übernommen hatten, war 2020 in zwölf Unternehmen die Personalarbeit Aufgabe des obersten Chefs, konkret bei BASF, Bayer, Covestro, Delivery Hero, Deutsche Wohnen, Eon, Fresenius Medical Care, Heidelberg Cement, Infineon, Linde, MTU Aero Engines und Vonovia.
Grochowitzki erläutert: "Auch wenn wir uns die übrigen CHRO anschauen, sehen wir, dass die allermeisten zusätzlich immer noch die Verantwortung für ein anderes Ressort oder ein anderes Aufgabengebiet haben. Einzige Ausnahme ist Ilka Horstmeier von BMW, die tatsächlich exklusiv Personalthemen betreut." Eine typische Kombination, der "Klassiker", wie Siepmann es nennt, sei in vielen Fällen HR, Recht und Compliance, so bei Allianz, Deutsche Börse, Deutsche Telekom und Fresenius. Bei Beiersdorf, Deutsche Post, Merck, Münchener Rück und Volkswagen ist der Personalvorstand gleichzeitig für operative Unternehmensbereiche verantwortlich, in weiteren fünf Unternehmen werden zusätzliche Ressorts wie Infrastructure Services, IT, Nachhaltigkeit, Transformation mitverantwortet.
Der Blick in die Glaskugel zeigt: HR bleibt auch im Vorstandsgremium wichtig
"Dass wir in zwölf Unternehmen die Verantwortlichkeit beim Vorstandsvorsitzenden sehen und es mit Ilka Horstmeier nur noch einen einzigen dezidierten Personalvorstand gibt, ist wirklich ein massive Veränderung", ergänzt Siepmann. Eine Erklärung für diese Verschiebung sehen die Vergütungsexpertinnen im Wechsel der Dax-Unternehmen in den letzten Jahren. Siepmann: "Die klassischen Industrieschiffe wie Thyssen oder Lufthansa, die immer einen Personalvorstand an Bord hatten, sind nicht mehr unter den Dax 30. Die an ihre Stelle getretenen Unternehmen wie Delivery Hero haben eine ganz andere Vorstandsaufstellung, sie sind wesentlich kleiner und haben dementsprechend das Personalressort häufiger beim Vorstandsvorsitzenden aufgehängt." So, ergänzt Grochowitzki, käme auch die Sammlung von deutlich mehr Aufgabengebieten bei den übrigen Vorstandspersonen zustande. Ein Trend, der so weitergehen werde: Aktuell sei mit Siemens Energy statt Beiersdorf erneut ein Unternehmen im Dax, dessen Vorstandsgremium auf wenige Köpfe verteilt ist.
Siepmann antwortet auf die Frage, was das für die zukünftige Bedeutung des Bereichs Personal in den Konzernen bedeute: "Wir können aus zwei Perspektiven in die Glaskugel gucken. Wir können es als Stärkung der Personalfunktion werten, wenn wieder mehr explizite Personalvorstände geschaffen werden, oder aber wir sehen eine Stärkung in der Tatsache, dass HR beim CEO aufgehängt wird, da dieser ja sowieso in einem dauerhaften Austausch mit den Investoren ist und so auch die HR-spezifischen Themen mehr in den Fokus bringt."
Dieser Beitrag ist zuvor in Personalmagazin 09/2021 erschienen. Lesen Sie die Ausgabe auch in der Personalmagazin-App.
-
Workation und Homeoffice im Ausland: Was Arbeitgeber beachten müssen
2.120
-
Krankschreibung per Telefon nun dauerhaft möglich
1.493
-
Essenszuschuss als steuerfreier Benefit
1.455
-
Probezeitgespräche als Feedbackquelle für den Onboarding-Prozess
1.355
-
Vorlage: Leitfaden für das Mitarbeitergespräch
1.310
-
Ablauf und Struktur des betrieblichen Eingliederungsmanagements
1.252
-
BEM ist Pflicht des Arbeitgebers
967
-
Pflicht zur psychischen Gefährdungsbeurteilung
642
-
Checkliste: Das sollten Sie bei der Vorbereitung eines Mitarbeitergesprächs beachten
641
-
Modelle der Viertagewoche: Was Unternehmen beachten sollten
402
-
Worauf es bei Ausbildungsmarketing und Azubi-Recruiting ankommt
01.11.2024
-
Tipp der Woche: Mehr Mut bei Gehaltsangaben in Stellenanzeigen
31.10.2024
-
Das sind die 25 größten Anbieter für HR-Software
31.10.2024
-
Wechsel an der Unternehmensspitze senken das Mitarbeiterengagement
30.10.2024
-
Tight-Loose-Tight als Führungsprinzip
29.10.2024
-
Herausforderungen im HR Application Management
28.10.2024
-
Sechs Erfolgsfaktoren für digitale HR-Arbeit in der Praxis
28.10.2024
-
Wie HR die eigene Digitalisierung mitgestalten kann
28.10.2024
-
Große Mittelständler stehen unter Druck
28.10.2024
-
Viertagewoche nicht durch Produktivitätsgewinne finanzierbar
24.10.2024