Gender Gap beim Lebenserwerbseinkommen Infografik

Zwischen den Lebenserwerbseinkommen von Frauen und Männern klafft nach wie vor eine große Lücke. Auf das gesamte Erwerbsleben gerechnet, können sich Frauen einer Studie zufolge nur etwas mehr als halb so viel Bruttoeinkommen erarbeiten wie Männer.

Männer und Frauen haben in ihrem Erwerbsleben nach wie vor nicht die gleichen Chancen. Die Diskrepanz zwischen den Erwerbseinkommen von Männern und Frauen ist in Deutschland besonders ausgeprägt. Laut Berechnungen des Statistischen Bundesamts lag der durchschnittliche Bruttostundenverdienst von Frauen im Jahr 2021 18 Prozent unter dem von Männern (so genannter Gender Pay Gap).

Betrachtet man die Entwicklung der Einkommen über den Lebensverlauf zeigt sich, dass die Lücke zwischen den Bruttolebenserwerbseinkommen von Männern und Frauen noch wesentlich größer ist: Auf das gesamte Erwerbsleben gerechnet verdienen Frauen nur etwas mehr als halb so viel wie Männer. Allerdings ist dieser sogenannte "Gender Lifetime Earnings Gap" der Bruttoeinkommen für heute Mitte-30-jährige kinderlose Frauen deutlich geringer. Mütter haben dagegen das Nachsehen – für sie ist die Lücke noch größer und steigt mit der Kinderzahl.

Lücke beim Lebenserwerbseinkommen für Mütter und Alleinerziehende besonders groß

Eine von der Bertelsmann Stiftung geförderte Studie der FU Berlin zeigt, dass sich diese Lücke mit Blick auf die verfügbaren Einkommen und damit den tatsächlichen Lebensstandard vor allem dann schließt, wenn Frauen sich innerhalb des traditionellen Familienbilds bewegen. Werden beide Einkommen im Haushalt zwischen den Eheleuten gleichmäßig aufgeteilt, fängt das Partnereinkommen Einkommensausfälle von Müttern infolge von Erwerbsunterbrechungen, beispielsweise durch Kindererziehungszeiten, auf.

Fällt diese Absicherung im Haushalt jedoch weg, kann der Staat Einkommensausfälle in der Lebensperspektive nur unzureichend kompensieren: Heute Mitte-30-jährige verheiratete Mütter und Väter haben in ihrem Haupterwerbsalter, das heißt zwischen 20 und 55 Jahren, nach Steuern und Abgaben zuzüglich Transfers und Familienleistungen jeweils rund 700.000 Euro zur Verfügung. Frauen, die überwiegend alleinerziehend sind (mehr als die Hälfte der Erziehungszeit), kommen lediglich auf rund 520.000 Euro und müssen im Vergleich zu verheirateten Müttern damit durchschnittlich Einbußen von rund 25 Prozent hinnehmen. Der tatsächliche Lebensstandard hängt also stark von der Familienkonstellation und den wohlfahrtsstaatlichen Leistungen ab.

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Gender Lifetime Earnings Gap: Sozialleistungen gleichen Einkommensnachteile nicht aus

Bei (überwiegend) alleinerziehenden Müttern kann das im Zuge der Familiengründung wegfallende Einkommen kaum oder gar nicht durch einen Partner kompensiert werden. Sie sind daher stärker auf staatliche Sozialleistungen angewiesen und hinken dennoch hinterher. Das gilt auch für Mütter, die über einen längeren Zeitraum verheiratet waren und sich nach der Trennung um die Kinder kümmern. Das verfügbare Lebenseinkommen von heute Mitte-30-jährigen teilweise alleinerziehenden Müttern (weniger als die Hälfte der Erziehungszeit) liegt bei 625.000 Euro und ist damit rund 10 Prozent niedriger als das der verheirateten Mütter. Die Zahlen zeigen auch, dass Alleinerziehende zunehmend auf Transferleistungen angewiesen sind.

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Im Vergleich zu älteren Alleinerziehenden (Jahrgang 1964) ist der Anteil der Transfers am gesamten Lebenseinkommen für jüngere teilweise alleinerziehende Mütter (Jahrgang 1985) von fünf auf neun Prozent und für überwiegend Alleinerziehende von zehn auf 17 Prozent stark angestiegen. Gleichzeitig ist der Anteil des Einkommens aus Erwerbstätigkeit gesunken, weil sich beispielsweise Phasen der Ausbildung oder der Arbeitslosigkeit verlängert haben. Sie sind nur bedingt in der Lage, zu den verheirateten Müttern aufzuschließen. "Viele der familienbezogenen Leistungen sind noch immer auf die eheliche Lebensgemeinschaft ausgerichtet, so wie das Ehegattensplitting oder die beitragsfreie Mitversicherung. Für Alleinerziehende oder nicht verheiratete Paare sind diese Leistungen nicht zugänglich", sagt Timm Bönke, Juniorprofessor für Öffentliche Finanzen und Autor der Studie.

Fehlanreize abbauen, Kinderbetreuung ausbauen und finanzielle Absicherung stärken

Insbesondere die Kombination aus Ehegattensplitting, steuer- und abgabenfreien Minijobs und fehlenden Betreuungsmöglichkeiten setzt starke Anreize für eine traditionelle Rollenaufteilung, in der die Frau weniger Erwerbsarbeit und dafür mehr Sorgearbeit übernimmt als der Mann. Dabei sind die Vorteile einer solchen Spezialisierung im Haushalt über das Leben gering, der Preis langfristig aber hoch: "Viele Frauen stecken in der Zweitverdienerinnenfalle fest. Dadurch sind es bei Trennungen und im Alter vor allem Frauen, die gravierende finanzielle Einbußen in Kauf nehmen müssen", mahnt Manuela Barišić, Senior Projektmanagerin bei der Bertelsmann Stiftung. "Wohlfahrtstaatliche Leistungen, die einen spezifischen Lebensentwurf fördern, sollten der Vergangenheit angehören, zumal Familie heute deutlich vielfältiger ist als früher." Stattdessen müsse es um eine universellere Absicherung unterschiedlicher Lebenswirklichkeiten gehen – durch verlässliche und qualitativ hochwertige Kinderbetreuung und größeren finanziellen Spielraum. Dies seien wichtige Rahmenbedingungen für eine gleichmäßigere Aufteilung von Erwerbs- und Sorgearbeit zwischen den Geschlechtern und eine bessere Absicherung von Alleinerziehenden.


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dpa/Bertelsmann Stiftung
Schlagworte zum Thema:  Vergütung, Diversity, Frauenquote