Digitalisierungsindex der deutschen Wirtschaft

Der Digitalisierungsindex stieg 2022 nur geringfügig von 107,9 auf 108,9 Punkte. Der Index wird vom IW Köln im Auftrag des Bundeswirtschaftsministeriums erhoben und misst den Digitalisierungsgrad der Wirtschaft am Standort Deutschland mithilfe von 37 Indikatoren, die verschiedene Dimensionen der Digitalisierung abbilden.

Die Wirtschaft in Deutschland ist im Jahr 2022 im Vergleich zum Vorjahr nur geringfügig digitaler geworden. Das zeigt der Digitalisierungsindex des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz in Zusammenarbeit mit dem IW Köln. Der Indexwert stieg 2022 von 107,9 auf 108,9 Punkte. Nach dem starken Anstieg im Jahr 2021 stagniert die Digitalisierung nun also.

Große Unternehmen, die IKT-Branche und die Bundeslandgruppe Süd (Baden-Württemberg und Bayern) sind wie auch im Vorjahr deutliche Digitalisierungsvorreiter. Auf der Indexebene der Regionstypen lösen Kernstädte die Agglomerationen an der Spitze ab. Kleine Unternehmen, das Sonstige Produzierende Gewerbe und die geringverdichteten ländlichen Räume haben wie auch schon im Jahr 2021 am meisten Aufholbedarf.

Coronapandemie hat (noch) nicht zu nachhaltigem Digitalisierungsschub geführt

Das Digitalisierungsmomentum der Coronapandemie hat noch nicht zu einem umfassenden und nachhaltigen Digitalisierungsschub in der deutschen Wirtschaft geführt. Wegen der Konfluenz verschiedener Krisen, darunter die Energiekrise, die Lieferkettenschwierigkeiten und die Preisentwicklung, und der somit fortbestehenden Ausnahmesituation ist jedoch nicht auszuschließen, dass ein solcher Schub noch ausgelöst wird. Dafür müssten sich der starke Kostendruck und die Unsicherheiten, denen Unternehmen gegenwärtig gegenüberstehen, verringern. Dann werden die Unternehmen wieder mehr Investitionsspielraum haben, um weiterreichende Digitalisierungsprojekte voranzutreiben.

Welche Indikatoren in den Digitalisierungsindex einfließen

Der Digitalisierungsindex misst den Stand der Digitalisierung der Wirtschaft am Standort Deutschland mithilfe von 37 Indikatoren, die jeweils verschiedene Dimensionen der Digitalisierung abbilden. Die 37 Indikatoren verteilen sich auf zwei Subindizes: unternehmensinterne und unternehmensexterne Faktoren. Diese beiden Subindizes beinhalten jeweils fünf Kategorien. Zum unternehmensinternen Subindex gehören die Kategorien Prozesse, Produkte, Geschäftsmodelle, Qualifizierung und Forschungs- und Innovationsaktivitäten. Die Kategorien Technische Infrastruktur, Administrativ-rechtliche Rahmenbedingungen, Gesellschaft, Humankapital und Innovationslandschaft zählen zum unternehmensexternen Subindex.

Digitalisierungsgrad der deutschen Wirtschaft stagniert

Alle 37 Indikatoren zusammen zeigen damit ein umfassendes Bild des Status quo der Digitalisierung von Unternehmen sowie des Umfelds, in dem diese aktiv sind. Aggregiert ergeben die Indikatoren einen Indexwert für die Digitalisierung der Wirtschaft in Deutschland insgesamt. Dieser Wert wurde für das erste Berichtsjahr 2020 auf 100 Punkte normiert und liegt nun bei 108,9 Punkten (Vorjahr 107,9 Punkte).

Keine eindeutigen Treiber der Digitalisierung erkennbar

Anders als im Jahr 2021 ist im Jahr 2022 kein eindeutiger Treiber der Digitalisierung auszumachen. Die unternehmensinternen Kategorien, darunter Geschäftsmodelle und Prozesse, legen im Durchschnitt um nur 0,9 Punkte zu. Die unternehmensexternen Kategorien, zu denen auch Humankapital und Technische Infrastruktur zählen, verlieren sogar im Schnitt 0,3 Punkte.

Den stärksten absoluten Zuwachs im Vergleich zum Jahr 2021 verzeichnet die unternehmensexterne Kategorie Gesellschaft. Sie bildet ab, wie digitalaffin die Bevölkerung ist und inwiefern sie digitale Produkte und Dienstleistungen nutzt. Die Gesellschaft zeigt sich auf der Nachfrageseite als entscheidender Treiber des digitalen Fortschritts. Der Wert steigt von 113,6 auf 122,5 Punkte. Den stärksten Rückgang zeigt die unternehmensexterne Kategorie Innovationslandschaft. Ihr Wert sinkt von 105,0 auf 97,0 Punkte.

Digitalisierung nach Branchen: Tourismus verbucht Rückgang

Auf der Ebene der zehn Branchengruppen zeigt sich nahezu kein Digitalisierungsfortschritt. Der Branchendurchschnitt steigt nur geringfügig von 104,8 Indexpunkten im Jahr 2021 auf 105,1 Punkte im Jahr 2022.1 Große Verschiebungen in der Digitalisierungsstruktur der Branchen gibt es auch 2022 nicht.

Spitzenreiter bei der Digitalisierung bleibt auch im Jahr 2022 die Branche Informations- und Kommunikationstechnologie. Sie erreicht einen Indexwert von 275,9 Punkten. Den deutlichsten Zuwachs verzeichnet die Branchengruppe Sonstiges Produzierendes Gewerbe, zu der die Energie- und Wasserversorgung, die Abwasser- und Abfallentsorgung sowie das Baugewerbe zählen. Sie legt um 7,4 Punkte zu, bildet mit insgesamt 63,3 Punkten aber weiterhin das Schlusslicht unter den Branchen.

Konnte der Tourismus im Jahr 2021 die stärksten Zuwächse verzeichnen, verbucht er im Jahr 2022 den stärksten Rückgang mit einem Minus von 7,0 Punkten (Indexwert 2022: 77,4 Punkte).

Digitalisierung nach Unternehmensgrößenklassen

Auf der Ebene der drei Unternehmensgrößenklassen ergibt sich auch im Jahr 2022 ein uneinheitliches Bild. Zwei Unternehmensgrößenklassen nehmen im Index zu, eine nimmt ab. Insgesamt unterscheiden sich die Digitalisierungsgrade nach Unternehmensgrößenklassen weiterhin sehr stark.

Große Unternehmen mit 250 und mehr Beschäftigten verlieren erstmals Indexpunkte. Ihr Indexwert sinkt von 205,2 im Jahr 2021 auf 201,8 im Jahr 2022. Sie bleiben allerdings die am stärksten digitalisierte Unternehmensgrößenklasse. Mittlere Unternehmen mit 50 bis 249 Beschäftigten verzeichnen Zuwächse. Ihr Indexwert steigt von 119,4 im Jahr 2021 auf 124,0 im Jahr 2022.

Der Indexwert der kleinen Unternehmen mit 1 bis 49 Beschäftigten wächst weiterhin im moderaten Umfang von 93,9 Punkten im Jahr 2021 auf 94,8 Punkte im Jahr 2022. Sie bleiben dennoch die am wenigsten digitalisierte Unternehmensgrößenklasse.

Digitalisierung nach Bundeslandgruppen

Auf der Ebene der vier Bundeslandgruppen verzeichnet die Bundeslandgruppe Ost (Berlin, Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen) die stärksten Gewinne. Ihr Indexwert steigt von 97,6 im Jahr 2021 auf 105,5 Punkte im Jahr 2022. Die Bundeslandgruppe Ost ist damit nicht mehr die am schwächsten digitalisierte Bundeslandgruppe.

Die am schwächsten digitalisierte Bundeslandgruppe ist im Jahr 2022 die Bundeslandgruppe Nord (Niedersachsen, Schleswig-Holstein, Bremen und Hamburg). Sie verliert 9,3 Indexpunkte und kommt auf insgesamt 103,2 Punkte. Die Bundeslandgruppe West (Hessen, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz und Saarland) verliert leicht an Indexpunkten. Aus 107,7 Indexpunkten im Jahr 2021 werden 106,7 im Jahr 2022. Damit schneidet die Bundeslandgruppe West weiterhin unterdurchschnittlich ab.

Stark überdurchschnittlich bleibt die Bundeslandgruppe Süd (Bayern und Baden-Württemberg) mit 130,6 Indexpunkten. Sie verzeichnet einen leichten Anstieg von 1,8 Punkten und liegt weiterhin auf dem ersten Rang.

Digitalisierung nach Regionstypen

Auf Ebene der fünf Regionstypen kommt es im Jahr 2022 sowohl zu Zuwächsen als auch Rückgängen beim Digitalisierungsindex. Die stärksten Gewinne verzeichnen Kernstädte. Ihr Indexwert steigt von 112,2 im Jahr 2021 auf 149,6 im Jahr 2022. Sie liegen damit an erster Stelle unter den Regionstypen. Im Jahr 2021 waren noch die Agglomerationen Spitzenreiter.

Bei den Agglomerationen ist eine Stagnation festzustellen. Sie verlieren rund einen Indexpunkt und belegen im Jahr 2022 den zweiten Rang (134,7 Punkte). Die hochverdichteten ländlichen Räume legen wie im Vorjahr deutlich zu. Ihr Wert steigt von 113,8 Punkten im Jahr 2021 auf 122,9 Punkte im Jahr 2022. Der deutlichste Rückgang tritt bei den verdichteten ländlichen Räumen auf. Ihr Indexwert sinkt von 103,8 Punkten im Jahr 2021 auf 94,4 Punkte im Jahr 2022.  Der Indexwert der geringverdichteten ländlichen Räume stagniert. Er sinkt leicht von 89,3 Punkte im Jahr 2021 auf 88,2 Punkte im Jahr 2022. Geringverdichtete ländliche Räume bilden weiterhin das Schlusslicht bei der Digitalisierung.

Digitalisierung in Deutschland: Digitalisierungsindex und D21-Digital-Index

Neben dem "Digitalisierungsindex", der den Grad der Digitalisierung der Wirtschaft am Standort Deutschland misst, gibt es noch den "D21-Digital-Index", der den Digitalsierungsgrad der Gesamtgesellschaft unter verschiedenen Gesichtspunkten untersucht (zum Beispiel digitale Bildung, digitale Teilhabe, digitale Nachhaltigkeit).


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