Zeitenwende im People Business: Headhunter jagen digital
Wenn früher die sonore Männerstimme am Telefon fragte „Können Sie sprechen?“, wusste ein Manager: Jetzt will ihm ein Headhunter eine neue Führungsposition vorschlagen. Heute erfolgt die Ansprache immer häufiger über digitale Kanäle. Headhunting wird zunehmend durch Technik unterstützt. Die Personalberatungsbranche befindet sich mitten in einer Zeitenwende.
Aber nicht alle Personalberatungen schaffen es, eine gute Balance zwischen Technik und individueller Beratung zu erreichen.
Viele Digital-Startups auf dem Markt der Personalberatung
Treiber dieses Wandels ist in erster Linie die Digitalisierung. Auf der einen Seite führt sie zu Veränderungen am Nachfragemarkt. Die Kundenunternehmen sind verstärkt auf der Suche nach Führungskräften mit technologischem Verständnis und Kompetenzen für den digitalen Wandel. Ganz neue Kandidatenprofile sind gefragt und müssen auf einem sehr engen Angebotsmarkt gefunden werden, auf dem klassische Suchmethoden nicht immer die gewünschten Ergebnisse liefern.
Auf der anderen Seite kommen neue Anbieter auf den Markt, die das Geschäft digital abbilden. Ein Beispiel ist das Start-up Searchtalent. Auf Basis einer Stellenbeschreibung erstellt ein Berater ein Suchprofil. Dann durchsucht die Technik verschiedene Netzwerke und spricht Kandidaten automatisiert an. Erst bei der Bewertung der Profile – bevor sie dem Kunden in seinem Dashboard vorgestellt werden – kommt wieder Handarbeit ins Spiel.
Ein weiteres Beispiel ist die Recruiting-Plattform Taledo, auf der Unternehmen ein Profil erstellen und damit Zugang zu vom Anbieter zusammengestellten Kandidatenlisten erhalten können.
Das Portal Jobtender 24, auf dem Unternehmen ihre zu besetzende Position ausschreiben können, ist bereits seit Längerem auf dem Markt. Die angeschlossenen Headhunter – über 6.000 sind es nach Angaben von Jobtender 24 – suchen passende Kandidaten und schlagen sie den Auftraggebern vor. Ähnlich wie bei Taledo zahlen die Auftraggeber nur bei Erfolg.
Die Zahl der Personalberater steigt weiter
Dennoch: Das Executive-Search-Business wird durch die neuen Marktteilnehmer kaum gefährdet. Die Zahl der Personalberater steigt weiter. In seiner Studie „Personalberatung in Deutschland 2018“ zählte der BDU 7.450 Personalberater – knapp fünf Prozent mehr als im Vorjahr. Diese haben 68.000 Positionen besetzt – im Vergleich zu 2016 ein Plus von neun Prozent. Die Umsätze stiegen sogar um knapp zehn Prozent an. Das Stammgeschäft der Personalberater, die Suche, Auswahl und Gewinnung von Führungskräften und Experten, hat ebenfalls zum zehn Prozent zugelegt. Heute macht das klassische Headhunting 83 Prozent Marktanteil aus.
Unternehmen fordern mehr Beratung vom Headhunter
Wie passt das zusammen? Eine Erklärung liefert Dr. Regina Ruppert, Geschäftsführerin der Selaestus Personal Management GmbH und BDU-Vizepräsidentin: „Auf der einen Seite gibt es die Personalberater, die sich primär mit der Suche, Auswahl und Rekrutierung von Führungskräften beschäftigen. Auf der anderen Seite stehen die Personalvermittler und die sogenannten CV-Broker, die sich mit dem Transfer von Lebensläufen beschäftigen – normalerweise für Fachkräfte“, sagt sie. Fachkräfte suchen – über Active Sourcing und unterstützt durch digitale Headhunter-Plattformen – könnten die Unternehmen heute selbst.
Die Folge sei, dass das Geschäftsmodell der Personalvermittler und CV-Broker zunehmend an Tragfähigkeit verliere. „Es sei denn, diese sind schneller, besser und wesentlich effizienter als das heute die Unternehmen mit Active Sourcing selbst erledigen können“, so Ruppert.
Auf der anderen Seite sei der Aspekt der Beratung verstärkt gefragt. Die Digitalisierung und damit der zunehmende Bedarf der Unternehmen nach Personen mit Digital-Know-how, mit Innovationsbereitschaft, Veränderungsinitiative und interkulturellem Verständnis erhöht nach Erfahrung von Regina Ruppert sogar den Aufwand bei der Besetzung von Positionen der ersten und zweiten Führungsebene.
Die Geschäftsmodelle der Headhunter verändern sich
Auch die Ergebnisse der BDU-Studie stützen diese Aussagen: „Die Digitalisierung verändert die Geschäftsmodelle von Personalberatern. Sie ersetzt nicht die Beratungstätigkeit, sondern macht sie effizienter“ – dieser These stimmen 92 Prozent der vom BDU befragten Personalberater zu. „Trotz Digitalisierung ist der persönliche Kontakt insbesondere zu hochqualifizierten Kandidaten weiterhin essenziell“, sagen sogar 96 Prozent der Befragten. Aber gleichzeitig sind 93 Prozent der Befragten der Meinung, dass die Personalberater sich dem Wandel stellen müssen, um nicht den Anschluss zu verlieren: „Personalberater können ohne digitale Vernetzung und Erreichbarkeit nicht mehr erfolgreich arbeiten.“
Besonders stark hat die Digitalisierung den Research verändert – Stichwort Kandidatensuche in sozialen Netzwerken. „Für erweiterte Suchen führen unsere Researcher Social-Network-Analysen durch“, berichtet Alexander v. Preen, Leiter des Beratungsbereich Executive Search bei Kienbaum Consultants International. Aber auch die Vorauswahl wandelt sich durch die neuen Techniken. „Algorithmen werden hier zunehmend in den Vordergrund rücken“, ergänzt er.
Personalberater müssen digitale Tools nutzen
Doch Digitalisierung bedeutet nicht nur den Einsatz neuer Technik, sondern vor allem auch einen Wandel in den Geschäftsmodellen der Personalberatungen und in den Köpfen der Personalberater. Moderner Executive Search beginnt bei den Personalberatern selbst. Sie müssen sich auf die neue Technik einlassen und digitale Tools beherrschen. Sie müssen sich an neue Strukturen und Prozesse anpassen und eigene digitale Netzwerke aufbauen. Vor allem aber müssen sie die digitalen Change-Prozesse im Unternehmen verstehen lernen, um den Kundenunternehmen die passende Beratung geben zu können.
Auf ganz unterschiedliche Weise versuchen die Personalberatungen, sich fit für die digitale Zukunft zu machen. Welcher Weg ist der richtige? Das werden die nächsten Monate zeigen. „Die Personalberatungen in Deutschland stehen vor der Herausforderung, zwei Dinge auszutarieren: einerseits die neuen Möglichkeiten der Digitalisierung zu nutzen und andererseits den menschlichen Faktor, die individuelle Beratung einzubringen“, fasst Alexander v. Preen die aktuelle Challenge zusammen. Nur die richtige Kombination beider Elemente werde in Zukunft erfolgreichen Executive Search möglich machen.
Hinweis: Der Artikel ist ein Auszug aus der Titelstrecke "Die Jagd wird digital" in Ausgabe 6/2018 des Personalmagazins. Hier können Sie die Artikel auch in der Personalmagazin-App lesen.
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