ChatGPT im Recruiting: Einsatzmöglichkeiten

Der schnelle Siegeszug von ChatGPT hat um­gehend zu Grund­satzdiskussionen über den Kontroll­verlust des Menschen, das "Lügen" von KI oder die Ver­nich­tung vieler Jobs geführt. So wichtig diese Fragen sind – die KI von Open AI lässt sich zunächst einmal ganz pragmatisch bei vielen alltäglichen Aufgaben einsetzen, gerade auch im Recruiting. 

Chatbots, KI und Co. sind schon lange nichts Neues mehr. Neu ist die Qualität des Outputs von ChatGPT. Das liegt vor allem an der zugrunde liegenden Technologie – der "generativen KI", die auf Basis von den an sie verfütterten Daten neue und originelle Inhalte wiedergeben kann und auf den Punkt formuliert. Im Gegensatz zu den bisher bekannten Chatbots ist die Sprache von ChatGPT sehr natürlich. Hinzu kommt die Universalität: Die Anwendungsbereiche im professionellen, sogar bei fachspezifischen Fragen, aber auch im privaten Bereich sind fast unbegrenzt.

Auf die Frage "Was sind die wichtigsten Einsatzszenarien von ChatGPT im Business-Kontext?" nennt der neue Chatbot selbst: den Kundensupport, die Lead-Generierung und den Vertrieb, das Schließen von Terminvereinbarungen, personalisierte (Produkt-) Empfehlungen und die interne Kommunikation. ChatGPT fügt dann noch an: "Diese Einsatzszenarien sind jedoch nicht abschließend. Die Verwendung von Chatbots im Business-Kontext ist vielfältig und kann je nach Branche und Unternehmensanforderungen unterschiedlich sein"

KI im HR-Bereich: Was ist neu? 

Bislang war KI für den Personalbereich vor allem ein Schlagwort. Zum Einsatz kam die Technologie nur punktuell, vor allem bei der Automatisierung von Prozessen oder beim Parsing und Matching. In diesem Fall screente KI Datensätze wie Lebensläufe oder Linkedin-Profile, um geeignete Fachkräfte zu finden. Mit ChatGPT eröffnen sich nun schlagartig viele neue Chancen und Anwendungen, die zudem von den HR-Fachkräften selbst implementiert und genutzt werden können. 

Vor allem in drei Bereichen kann ChatGPT punkten: bei datenbasierten Entscheidungen, bei der Erstellung von hochwertigem Content und bei der Verbesserung der Candidate Experience im Recruiting. Nehmen wir als Beispiel die Content-Erstellung: Inhalte sind nur dann gut, wenn sie konvertieren. Mit ChatGPT kann Content von der Stellenanzeige bis hin zu Employer-Branding-Texten auf der Karriereseite noch stärker auf die Bedürfnisse der Bewerbenden ausgerichtet werden. 

Gemeinhin ist ein Argument für KI im HR-Bereich, beispielsweise beim Matching, gerade die Unvoreingenommenheit bei der Auswahl: Kriterien wie Namen, Fotos oder Geschlecht werden ausgeblendet. Lediglich Filterkriterien wie Skills, Berufserfahrung oder Gehaltsforderung werden bewertet. Bei ChatGPT ist das etwas komplizierter. Denn der Chatbot wurde mit den kollektiven Texten von Menschen weltweit trainiert. Er ist also ein Abbild der Gesellschaft – mit all ihren möglichen Verzerrungen, Halbwahrheiten und Vorurteilen. Ein erster Schritt ist es, ChatGPT Anweisungen wie "Schreibe einen inklusiven und gender-neutralen Text über…" zu erteilen. 

Wie voreingenommen ist ChatGPT?

Wie jede andere Technologie auch ist ChatGPT nur so gut oder schlecht wie der Mensch, der die KI bedient. Blindes Vertrauen ist deshalb nicht angesagt, denn die Verantwortung bleibt bei den HR-Fachkräften. Die generierten Inhalte einer KI sollten also immer noch einmal überprüft werden. Dementsprechend muss der Fokus neben dem Output auch auf dem Input liegen, dem richtigen "Futter". Schlechter Input führt zwangsläufig zu dürftigen Ergebnissen, die unter Umständen umfangreich ausfallen, aber wenig Gehaltvolles aufweisen. Da die KI lediglich ein Werkzeug ist, kennt sie auch keine Unternehmenskultur, die schließlich immer das Ergebnis eines langen, unternehmerisch-schöpferischen Prozesses darstellt. Nur wenn der Input eine hohe Qualität aufweist, kann die KI auch solche Inhalte generieren, die sich von der üblichen Einheitsware abheben.

Die Kunst des Promptings

Wenn man ChatGPT die richtigen Fragen stellt, dann bekommt man durchaus hilfreiche Antworten. Deshalb wollte ich wissen, was gute von schlechten Befehlen, auch Prompts genannt, für den Bereich Recruiting unterscheidet. Geht es beispielsweise um die Vorbereitung eines Vorstellungsgesprächs, so gibt ChatGPT folgende Tipps:

  • "Welche Fragen sollte ich einem Kandidaten bei einem Interview stellen?" Dieser Prompt ist zu breit gefasst und schwierig zu beantworten, da es viele verschiedene Arten von Interviews gibt und die Fragen, die gestellt werden sollten, von der Position und den Anforderungen abhängen.
  • "Wie kann ich während des Vorstellungsgesprächs die Soft Skills eines Kandidaten bewerten?" Dieser Prompt konzentriert sich auf die Bedeutung von Soft Skills bei der Einstellung von Mitarbeitenden und hilft dabei, effektive Fragen und Bewertungsmethoden zu identifizieren, um die Soft Skills eines Kandidaten zu bewerten.

Eine der größten Befürchtungen im Zusammenhang mit KI ist, dass die Technologie Jobs vernichten wird. Doch allein die bereits klaffende Arbeitskräftelücke, die durch den demografischen Wandel tendenziell sogar eher größer wird, entkräftet dieses Argument. Zudem ist ChatGPT ohne menschliche Hilfe schlicht nicht funktionsfähig. Aber unter menschlicher Steuerung kann ChatGPT einen großen Teil der administrativen Arbeit übernehmen, während dadurch die Menschen mehr Zeit fürs Wesentliche gewinnen sowie wertstiftender und kreativer arbeiten. Das wiederum bedeutet aber zugleich, dass sich Profile und Aufgabenbereiche in HR-Abteilungen wesentlich ändern werden: in Richtung weniger ausführender und mehr gestaltender Tätigkeiten. 

ChatGPT in der HR-Praxis

ChatGPT kann schon heute und mit wenig Aufwand ganz pragmatisch HR-Abteilungen entlasten: Recherche, Brainstorming-Partner, Texter – das sind nur einige Aufgaben, die die generative KI übernehmen kann.

Stellenanzeigen und Jobtitel

Egal ob vorbereitende Recherche, Kürzen, Überprüfen oder gleich das Texten der ganzen Anzeige – die Einsatzmöglichkeiten sind vielfältig:

  • aus Stichworten einen Fließtext formulieren
  • zu lange Texte kürzen oder strukturieren
  • Keywords für die Suchmaschinenoptimierung recherchieren
  • SEO-relevante Jobtitel recherchieren
  • Text für Google Jobs optimieren
  • Texte auf korrekt gegenderte Sprache und Diversität überprüfen
  • Lesbarkeit und Textumfang bewerten
  • Texte für Social Media anpassen

Karriereseite

Die Karriereseite ist das Aushängeschild für Bewerberinnen und Bewerber. Aussagekraft, Vielfalt und Qualität des Contents sollten bestmöglich an die jeweiligen Zielgruppen angepasst sein.

  • Inhalte zusammentragen und (textlich) aufbereiten
  • mit Inhalten aus unternehmensinternen Quellen "verheiraten"
  • Texte für Suchmaschinen und Google Jobs optimieren 
  • die sogenannten "SERP-Snippets" oder Meta Descriptions möglichst genau formulieren
  • Tonalität an die Zielgruppe anpassen

Bewerbungsgespräch und Candidate Assessment

Vom Gesprächsleitfaden bis hin zum Fragenkatalog für ehemalige Arbeitgeber des Bewerbenden – unter anderem diese Unterstützung ist möglich: 

  • Referenz-Check: Fragen an ehemalige Vorgesetzte erstellen 
  • Vorabbewertung der eingegangenen Bewerbungen nach – zunächst – standardisierten Kriterien
  • jobspezifische Interviewfragen recherchieren
  • persönliche Fragen an die Bewerbenden zur Ermittlung von Soft Skills formulieren
  • Erstellen bestimmter fachlicher Aufgaben als Teil des Bewerbungsgesprächs
  • Ermitteln von Gehalts-Benchmarks

E-Mail-Kommunikation

Geht es um Kommunikationsvorlagen, dann kann ChatGPT gute Dienste leisten und dabei helfen, eine Basis zu schaffen. Die Betonung liegt auf "Basis schaffen", denn die Bewerberkommunikation sollte nicht ausschließlich aus der Konserve erfolgen. Gerade Absageschreiben erfordern Fingerspitzengefühl. Eine abschließende Überprüfung und Personalisierung ist also Pflicht. 

  • zielgruppenspezifische Anschreiben für Active Sourcing
  • Einladungs-E-Mails für Events
  • Absageschreiben für verschiedene Stadien im Bewerbungsverfahren
  • Bestätigungsmails, zum Beispiel für die Registrierung für Events oder Talent Pools 

Recruiting-Kampagnen

Geht es nicht nur um die Besetzung einzelner Stellen, sondern um größer angelegte Kampagnen, um Fachkräfte für das eigene Unternehmen zu interessieren und zu gewinnen, stellen sich mehrere Fragen und Aufgaben: 

  • Hauptthemen der jeweiligen Kampagne recherchieren
  • Zielgruppen und passende Recruiting-Kanäle ermitteln
  • suchmaschinenoptimierte Texterstellung
  • Brainstorming für kreative Ideen

Candidate Experience

Hier ist in vielen Unternehmen noch Luft nach oben – und ChatGPT kann vielfältige Aufgaben übernehmen: 

  • Benchmarks für kandidatenzentrierte Recruiting-Prozesse recherchieren
  • aus anderen externen Quellen Praxistipps zusammentragen, zum Beispiel wie sich die "Time-to-Hire" verkürzen lässt
  • umfangreiche Recherchen für ansprechende Active-Sourcing-Botschaften statt "One Size fits All"-Mails durchführen
  • eingebettet auf Karriereseiten: Bewerberinnen und Bewerbern Klicks ersparen und sie durch das gesamte Verfahren hindurchführen

Onboarding

Kommt es zu einer Anstellung, ist ein Onboarding-Plan mittlerweile zu einem wesentlichen Hilfsmittel geworden, um den Start in den Job möglichst reibungslos zu gestalten.

  • Onboarding-Plan erstellen
  • Inhalte für Onboarding-Material zusammenstellen
  • Vorlagen für E-Mail-Kommunikation formulieren

Social-Media-Inhalte 

Die meisten Inhalte auf den Social-Media-Kanälen sind kein originärer Content, sondern umgearbeitete Texte aus anderen internen Quellen – seien es Pressemitteilungen, Fachbeiträge, Event Content oder Werbekampagnen. Folgende Unterstützung ist möglich:

  • Inhalte auf die jeweils benötigte Länge und Form bringen
  • zum Kanal passende Tonalität anschlagen, um zum Beispiel bei Linkedin oder Twitter erfolgreich kommunizieren zu können 

Die zahlreichen Einsatzszenarien zeigen, dass ein Verzicht auf ChatGPT oder vergleichbare KI-basierte Chatbots bedeuten würde, wertvollen Mehrwert liegen zu lassen. Natürlich sollte die neue Technologie nicht zu blauäugig eingeführt und genutzt werden. Denn für ChatGPT gilt wie für jedes andere Werkzeug: Es kann strategische Planung nicht ersetzen. Und wie bereits gesagt: Die HR-Fachkräfte tragen weiterhin die Verantwortung und sollten deshalb die generierten Inhalte immer prüfen, um sicherzustellen, dass die Ergebnisse des Chatbots auch die Unternehmenskultur, die Tonalität und die Vision des eigenen Unternehmens widerspiegeln. Denn nur so gelingt es, im Wettbewerb um neue Talente als besonders wahrgenommen zu werden.

Treiber des kulturellen Wandels in HR

Machen wir ein Gedankenexperiment zu einer idealen (HR-)Zukunft: Was müsste passieren, um offene Stellen innerhalb eines Tages ohne externe Ressourcen zu besetzen? Wie kann ich dabei Nachhaltigkeit gewährleisten? Und wie stelle ich sicher, dass die Erwartungen beider Seiten erfüllt werden und neue Mitarbeitende das Unternehmen nicht zeitnah wieder verlassen? 

HR-Abteilungen müssen sich analog zur modernen Marketing- und Sales-Organisation noch stärker spezialisieren und sich kontinuierlich ein Netzwerk mit passenden Kandidatinnen und Kandidaten aufbauen – nicht erst wenn die Vakanz dringend besetzt werden muss. Deshalb empfehle ich den Unternehmen, ihr Recruiting zeitnah auf eine neue Ebene zu heben und auf moderne Technologien zu vertrauen. Dazu gehört allerdings auch, den erforderlichen kulturellen Wandel in der HR-Organisation zu begleiten. Seit dem Launch von ChatGPT gab es viele mahnende Beispiele, in welchen Mitarbeitende vertrauliche Unternehmensdaten geleakt haben. Sofern noch nicht passiert, sollte jedes Unternehmen daher an Richtlinien und Regeln zur Nutzung dieser Technologien arbeiten. Dann steht einer besseren HR-Zukunft nicht mehr viel im Wege.

Zehn Tipps für die Erstellung von guten ChatGPT-Prompts

  1. Klarheit: Stelle sicher, dass die Frage oder der Satz, den du eingibst, klar und präzise ist. Vermeide es, zu komplexe oder mehrdeutige Sätze zu verwenden.
  2. Spezifität: Je spezifischer deine Frage oder dein Satz ist, desto besser kann ChatGPT dir helfen, eine sinnvolle Antwort zu liefern.
  3. Kontext: Füge Kontext hinzu, um ChatGPT dabei zu helfen, den Kontext deiner Frage oder deines Satzes besser zu verstehen.
  4. Kreativität: Verwende kreative und ungewöhnliche Ansätze, um ChatGPT dazu zu bringen, interessante Antworten zu generieren.
  5. Offenheit: Sei offen und bereit, überraschende und unerwartete Antworten von ChatGPT zu erhalten. Erwarte nicht, dass ChatGPT immer genau das liefert, was du erwartest.
  6. Humor: Verwende Humor und Wortspiele, um ChatGPT zu unterhalten und ihn dazu zu bringen, lustige oder amüsante Antworten zu generieren.
  7. Praktikabilität: Stelle sicher, dass deine Frage oder dein Satz praktisch anwendbar ist und dir tatsächlich dabei hilft, ein Problem zu lösen oder eine Aufgabe zu erledigen.
  8. Vielseitigkeit: Verwende verschiedene Arten von Fragen und Sätzen, um ChatGPT dazu zu bringen, eine breite Palette von Antworten zu generieren.
  9. Konzentration: Konzentriere dich auf ein bestimmtes Thema oder einen bestimmten Bereich, um sicherzustellen, dass ChatGPT spezifischere Antworten generiert.
  10. Interaktion: Ermutige ChatGPT dazu, Fragen zu stellen oder weitere Informationen anzufordern, um eine tiefere und sinnvollere Interaktion zu ermöglichen.

Dieser Beitrag ist im Sonderheft "Personalmagazin plus HR-Software: Markttrends und Anbieterübersicht" erschienen, das Sie hier kostenlos herunterladen können.


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