Automobilindustrie im Wandel: Die Berater-Challenge

Fünf Beratungsansätze, eine Herausforderung: die WOC-Gruppe, einen Automobilzulieferer, zukunftsfähig zu machen. Welches Beratungshaus auf welche Herangehensweise setzt – und wer in die Transformation einbezogen wird – zeigt ein Vergleich.

Die unterschiedlichen Beratungsansätze im Vergleich

Bei einem Blick auf die grundsätzlichen Beratungsansätze zeichnet sich folgendes Bild ab. HR Pioneers sieht sich als "Komplementär-Beratung", die den Transformationsprozess im Sinne von "Hilfe zur Selbsthilfe" begleitet. Ganz ähnlich ist der Ansatz von Mercer-Promerit einzuordnen. Ein solcher Ansatz speist sich aus der Vorstellung, dass Wandel nicht perfekt beziehungsweise mechanistisch gesteuert werden kann. Transformation wird hier als emergenter, sich unter der nur schwer vorhersehbaren Beteiligung vieler entwickelnder Prozess gesehen.

Die Vorschläge von Detecon, EY und Haufe sind ebenfalls kooperativ angelegt, wirken auf mich aber nicht im gleichen Ausmaß "begleitend". Sie dürften näher an eine Strategievorstellung heranreichen, die Henry Mintzberg (1990) als "Design School" skizziert hat: In dieser Sichtweise werden Strategien von einem gut informierten Planer (dem CEO und einem Planungsteam, inkl. ggfs. einer Beratung) entworfen und nachfolgend dem Plan entsprechend ausgerollt.

Das durch die Ansprache erzeugte Mikroklima

Die Beratungsansätze übersetzen sich folgerichtig nicht ganz zufällig in verschiedene Formen der Ansprache und des Involvements der adressierten Geschäftsführung. In anderen Worten: Sie erzeugen ein jeweils eigenes "Mikroklima". So schreibt beispielsweise Mercer-Promerit seinen Entwurf aus der Perspektive der WOC-Gruppe ("Ich/Wir-Erzähler") und erzeugt damit persönliche Teilnahme und Betroffenheit. Der Vorschlag von EY wirkt dagegen eher klassisch und professionell-distanziert. Die Entscheidungsvorlage von HR Pioneers beginnt mit einer Konfrontation und hebt sich dadurch von den anderen Ansätzen ab: "Keine klassische Analyse Ihrer Situation". Die Ansätze von Detecon und Haufe haben wiederum ihre eigene Sprache und individuelle Färbung. Während inhaltliche Parallelen erkennbar sind, grenzen sich die Beratungskonzepte in der Herangehensweise und in der Ansprache also sichtbar voneinander ab.

Beratungskonzept: Welche Rolle spielt HR ...

Eine Kernfunktion hatten wir bei der Fallkonstruktion HR zugeschrieben. In den eingereichten Beratungskonzepten kommt HR aber nur selten eine hochwertige Rolle zu. Relativ prominent ist HR im Ansatz von Mercer-Promerit vertreten, wo unter der Säule "Organisation" ein Upgrade für HR gefordert wird, das HR dazu befähigen soll, die Säule "People" kompetent und konsequent zu bearbeiten. Konkretere Vorstellungen werden aber nicht unterbreitet.

Bei EY spielt HR vorwiegend bei der Erarbeitung einer Zielkultur und von Kompetenzprofilen eine Rolle. In den anderen Ansätzen nimmt HR eine etwas distanziertere bzw. weniger klare Position ein. So schlägt Detecon die Einrichtung einer Academy zur Unterstützung des organisationalen Lernens vor, ohne die Verantwortlichkeit für die Academy zu vergeben. Der Detecon-Ansatz setzt zudem auf flankierende technische Lösungen (zum Beispiel wird ein Social Intranet angeregt, um die Transparenz und Beteiligung der Beschäftigten zu erhöhen). Im HR-Pioneers-Ansatz ist HR dafür zuständig, die Unternehmensstrategie für HR zu übersetzen und dabei Fragen wie "Was ist zukünftig Kernaufgabe von HR?" zu beantworten.

Im Haufe-Vorschlag wird HR vorwiegend indirekt erwähnt (zum Beispiel als Interviewpartner im Rahmen der Strategieentwicklung). Die Breite der Vorschläge deckt sich mit der allgemeineren Debatte über die aktuelle und zukünftige Rolle von HR. Reflektierte Beobachter, wie Peter Cappelli (2015) von der University of Pennsylvania, merken an, dass die Rolle von HR wie das Pendel einer Uhr von wichtig zu unwichtig schwenkt, getrieben durch größere oder exogene Entwicklungen. Andere Beobachter (zum Beispiel Weber & Feintzeig, 2014) sagen düsterer vorher, dass HR durch alternative Akteure ersetzt werden wird. Wahrscheinlich muss das Thema weniger emotional betrachtet werden. Organisationen, wie wir sie heute kennen, müssen zwangsläufig HR-Aufgaben erledigen.

... und welche Rolle der Betriebsrat?

Letztlich dürfte es aber weniger entscheidend sein, ob diese Aufgaben von HR, externen Beratungen, gemeinnützigen Think Tanks, Beschäftigten im Self-Service, Softwarelösungen oder künstlicher Intelligenz gelöst werden, als dass sie gut gelöst werden (was auch immer das genau bedeuten mag). Nicht alle Beratungsansätze positionieren sich hinsichtlich dieser Frage klar; Tendenzen lassen sich aber erkennen.

Während mich die unklare Rolle für HR überrascht, erscheint es mir fast schon fahrlässig, dass sich das Suchwort "Betriebsrat" auf insgesamt mehr als 20 Konzeptseiten nur ein einziges Mal findet (in einem Nebensatz bei HR Pioneers). Detecon spricht immerhin an, dass Betriebsvereinbarungen und institutionelle Bedingungen berücksichtigt werden müssen. Unisono heben alle Ansätze die Bedeutung einer strategisch eingebetteten und verantwortungsvollen Kommunikationsstrategie hervor; gleichzeitig wird ein zentraler und im Idealfall vertrauensbildender Multiplikator im Transformations- und Kommunikationsprozess ausgespart – hier bleiben wichtige Fragen offen. Ganz ähnlich bleibt auch die Rolle der Beschäftigten unterbeleuchtet. Zwar wird die elementare Rolle der Beschäftigten im Transformationsprozess in allen Konzepten wiederholt erwähnt; konkrete Maßnahmen, wie man die "Herzen und Köpfe" (Mercer-Promerit) gewinnen will, werden aber bestenfalls angerissen.


Dieser Artikel stammt aus dem Personalmagazin 05/2019 mit dem Schwerpunkt "Berater-Challenge". Hier können Sie sowohl die komplette Auswertung von Professor Ingo Weller, der Gemeinsamkeiten und Unterschiede der Ansätze herausgearbeitet hat, lesen, als auch in Kurzform die eingereichten Konzepte der Berater, die einen Blick auf deren Handschrift erlauben. Lesen Sie das gesamte Magazin auch in der Personalmagazin-App.