Auslandsentsendungen: Probleme durch Fehler in Prüfanträgen

Schon kleine Patzer in Prüfanträgen können Entsendungen zum Platzen bringen – auch, wenn der Expat schon im Ausland arbeitet. Wie leicht dies passieren kann, erläutern die Entsendungsexperten Omer Dotou und Anne-Katrin Schulz anhand eines wahren Falls aus ihrer Praxis, einer Entsendung nach China.

Ein deutsches Maschinenbauunternehmen hatte 2011 den Ingenieur Holger R. in die chinesische Provinz Tianjin entsandt. Für die zuständige Global Mobility Managerin war die Prüfung der Entsendung reine Routine und sie wusste, was zu tun war. Mitarbeiter Holger R. wollte unbedingt im deutschen Sozialversicherungssystem verbleiben, um keinerlei Anwartschaftszeiten und Leistungsansprüche zu verlieren.

Zwar konnte das Unternehmen ihm diesen Wunsch nicht für alle Sozialversicherungszweige erfüllen, aber immerhin hatte Holger R. dank des Sozialversicherungsabkommens zwischen China und Deutschland die Möglichkeit, in der deutschen Renten- und Arbeitslosenversicherung zu bleiben.

Meldepflicht darf nicht an Mitarbeiter delegiert werden

Ordnungsgemäß forderte die Personalerin bei der Krankenkasse des Mitarbeiters die Antragsformulare an, die erforderlich waren, um die nötige Bescheinigung über die Weitergeltung der deutschen Sozialversicherungsvorschriften zu erhalten. Das Gesetz sieht nämlich vor, dass der zuständige Träger jeden Auslandseinsatz – sei er auch noch so kurz – grundsätzlich auf eine Entsendung hin prüfen muss (in der Personalmagazin-App, Ausgabe 08/2016, finden Sie mehr Informationen dazu in den Infokästen "Meldepflicht bei Auslandsentsendungen" und "Antragspflicht bei Sozialleistungen").

Das Unternehmen muss zudem die dafür erforderlichen Angaben und Informationen zwingend einholen. Das bedeutet, dass Personaler diese Pflicht nicht etwa an den zu entsendenden Mitarbeiter delegieren dürfen. Tatsächlich geschieht dies in der Praxis immer wieder – und das, obwohl klar sein sollte, dass die Mitarbeiter die im Antrag gestellten Fragen überhaupt nicht beantworten können.

Fehler hatte zunächst nur eine harmlose Folge

Beim Antragsverfahren, das die zuständige Global-Mobility-Managerin beim China-Einsatz von Holger R. einleitete, unterlief ihr ein kleiner Fehler mit großen Folgen: Auf die Frage "Sind die Lohn- und Gehaltskosten (teilweise) den Unternehmen im Beschäftigungsstaat weiterzubelasten?" kreuzte die Personalerin entgegen den Tatsachen (das Gehalt von Holger R. musste nämlich aus steuerlichen Gründen an die chinesische Tochtergesellschaft weiterbelastet werden) versehentlich "nein" an.

Die zunächst harmlos erscheinende Folge: Die zuständige Krankenkasse stellte dem Maschinenbauunternehmen die Bescheinigung VRC/D 101 aus, wodurch Holger R. weiterhin ins deutsche Renten- und Arbeitslosenversicherungssystem einzahlte und somit seine Ansprüche sichern konnte.

Bei der Entsende-Verlängerung gab es plötzlich Probleme

Die negativen Folgen dieses kleinen falsch gesetzten Kreuzes stellten sich erst vier Jahre später heraus: Im Jahr 2015 sollte der China-Einsatz von Holger R. verlängert werden. Das Sozialversicherungsabkommen zwischen China und Deutschland sieht jedoch nur eine Entsendedauer von vier Jahren vor.

Die einzige Möglichkeit, um Expats weiterhin in der deutschen Renten- und Arbeitslosenversicherung zu belassen, ist eine sogenannte Ausnahmevereinbarung, die bei der Deutschen Verbindungsstelle Krankenversicherung – Ausland (DVKA) gestellt werden muss. Das Verfahren ist mit einer Bearbeitungsdauer von mindestens zwei bis acht Monaten langwierig und vor allem komplex (siehe Abbildung "Prüfschema Ausnahmevereinbarung").

Verlängerung der Entsendung sollte abgelehnt werden

Die Personalerin des Maschinenbauunternehmens kannte die aufwendige Prozedur und leitete das Verfahren in die Wege. Dazu gehörte es auch, eine Begründung über die Notwendigkeit des verlängerten Auslandseinsatzes zu schreiben, die bisherigen Entsendebescheinigungen der Krankenkasse einzureichen und etliche Fragen in weiteren Antragsformularen zu beantworten.

Eine Frage befasste sich erneut mit der Weiterbelastung des Gehalts von Holger R., und diesmal gab die Personalerin wahrheitsgemäß an, dass dieses in den vorangegangenen vier Jahren weiterbelastet worden war. Diese richtige Antwort brachte den Stein schließlich ins Rollen und hatte zur Folge, dass die DVKA die Verlängerung ablehnte.

Die Begründung: Trägt das entsendende Unternehmen nicht zu 100 Prozent die Gehaltskosten des Expat, so stellt dies bei Ländern mit Sozialversicherungsabkommen ein Ausschlusskriterium für eine Entsendung mit Weitergeltung der heimischen Sozialversicherungspflicht dar.

Strafgebühren, Rückabwicklung und Abbruch der Entsendung drohten

Was bedeutet dies für den Fall Holger R.? Laut bestehender Rechtslage hätte die Entsendung rückabgewickelt werden müssen. Dies wiederum hätte die Nachzahlung der Beiträge zur Renten- und Arbeitslosenversicherung ins chinesische System eingeschlossen. Eine Rückerstattung der fälschlicherweise ins deutsche System eingezahlten Beträge war aufgrund der Verjährungsfrist von vier Jahren nicht möglich.

Hinzu wäre die Zahlung von Strafgebühren wegen der fehlenden Anmeldung bei der chinesischen Sozialversicherung und – viel schlimmer – ein Abbruch der Entsendung aufgrund der falschen Abwicklung gekommen. Dass Holger R. alles andere als erfreut über diese Situation war, versteht sich von selbst.

Entsendung kostete Zeit, Geld und Nerven

Was also tun? Die zuständige Behörde in der Provinz Tianjin hatte die Entsendebescheinigung bereits seit vier Jahren vorliegen und warteten auf die Verlängerungsbestätigung der DVKA. Diese würde es jedoch nicht ohne Weiteres geben. Gemeinsam mit dem BDAE versuchte das Maschinenbauunternehmen für die vorangegangenen vier Jahre, die fälschlicherweise als Entsendung unter Ausstrahlung des deutschen Sozialversicherungsrechts bestätigt worden waren, eine rückwirkende Ausnahmevereinbarung zu erwirken.

Diese sollte außerdem für die geplanten weiteren vier Jahre gelten. Um dies zu erreichen, mussten eine plausible schriftliche Begründung geliefert und zahlreiche Formulare ausgefüllt werden. Nachdem die DVKA diese übersetzt und an die chinesischen Behörden weitergeleitet hatte, hieß es abwarten. Es war ein Glücksfall (es handelte sich dabei um eine reine Ermessensentscheidung), dass diese der DVKA zustimmten und tatsächlich eine Ausnahmevereinbarung für acht Jahre für den Aufenthalt von Holger R. ausstellte.

Nichtsdestotrotz gestaltete sich dieses Projekt für alle Beteiligten rückblickend als ein Kraftakt, der viel Zeit, Geld und Nerven kostete.


Hinweis: Dies ist ein Auszug aus dem Beitrag "Kleine Fehler, große Folgen", den Omer Dotou, Berater für internationale Mitarbeiterentsendungen bei der BDAE Gruppe, und Anne-Katrin Schulz, Pressesprecherin der BDAE Gruppe, im Personalmagazin veröffentlicht haben. Im kompletten Beitrag in Ausgabe 08/2016 lesen Sie zwei weitere Praxisbeispiele zu Entsendungen nach Dubai und Belgien.

In der Personalmagazin-App finden Sie darüber hinaus noch Grafiken und weitere Informationen rund um die Antragsstellung bei Entsendungen. (Hier können Sie das Personalmagazin als App lesen.)

 

Termintipp: Am  14. September veranstaltet BDAE ein Tagesseminar zum Thema "Einsatz ausländischer Mitarbeiter in Deutschland". Weitere Informationen finden Sie unter: www.bdae.com.


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Schlagworte zum Thema:  Auslandsentsendung, Entsendung