Entscheidungsstichwort (Thema)
Arbeitnehmereigenschaft von Interviewern
Leitsatz (amtlich)
1. Interviewer in Meinungsforschungsinstituten sind Arbeitnehmer, wenn sie in fachlicher, zeitlich und örtlicher Hinsicht weisungsbebunden sind.
2. Die Unselbständigkeit folgt insbesondere aus der Zurverfügungstellung von Apparat und Team und der Bindung an die Vorgaben des Meinungsforschungsinstituts.
3. Die Möglichkeit sich aus persönlichen Gründen in der Folgewoche nicht in den Dienstplan einzutragen, steht der zeitlichen Weisungsgebundenheit nicht entgegen, wenn eine Eintragung zu bestimmten Bedingungen (z.B. mindestens drei Schichten wöchentlich mit bestimmten Anfangs- und Endzeiten) erwartet wird.
Normenkette
BGB § 611; HGB § 84 Abs. 1 S. 2
Verfahrensgang
ArbG Bielefeld (Urteil vom 05.12.2006; Aktenzeichen 5 Ca 1980/05) |
Nachgehend
BAG (Aktenzeichen 03.04.2007) |
Tenor
Unter Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Bielefeld vom 05.12.2006 – 5 Ca 1980/05 – wird festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht durch die Kündigung der Beklagten vom 09.06.2005 beendet worden ist.
Die Beklagte wird verurteilt, die Klägerin als Telefoninterviewerin in dem B3xxxxxxxxx Telefonstudio mit einer wöchentlichen Arbeitszeit von zumindest 18 Stunden zu ansonsten unveränderten Bedingungen weiterzubeschäftigen.
Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten um die Bestand eines Arbeitsverhältnisses und um dessen wirksame Beendigung.
Bei der Beklagten handelt es sich um ein Marktforschungsinstitut, das telefonische Datenerhebung und Datenverarbeitung in mehreren Telefonstudios in Deutschland, unter anderem auch in B2xxxxxxx, betreibt.
Die Klägerin ist als selbständige Rechtsanwältin in B2xxxxxxx tätig. Daneben führt sie seit dem 18.07.1997 in dem B3xxxxxxxxx Telefonstudio bei der Beklagten Telefoninterviews durch. Eine schriftliche Vereinbarung existiert nicht. Eine mit Schreiben vom 27.08.2001 von einer Rechtsvorgängerin der Beklagten vorlegte Rahmenvereinbarung hat die Klägerin nicht unterzeichnet. Die Klägerin war immer nur nachmittags tätig, weil sie vormittags ihrer Arbeit als Rechtsanwältin nachging.
Die Vergütung richtet sich nach der Anzahl der von ihr durchgeführten Interviews, worüber jeweils Aufstellungen zum Zwecke der Abrechnung erstellt wurden. Danach erhielt die Klägerin immer bezogen auf einzelne Interviews Honorare, Zuschläge und Aufwendungen in unterschiedlicher Höhe. So erhielt die Klägerin im Januar 2005 608,04 EUR, im Monat Februar 2005 388,99 EUR und im März 2005 393,40 EUR. Insgesamt erzielte die Klägerin in der letzten Zeit eine monatliche Vergütung von ca. 500,– EUR. In den Abrechnungen ab 2004 wurden jeweils 1,– EUR pro Tag des Tätigwerdens Miete für die Benutzung des Telefonstudioequipments „verrechnet”. Hinsichtlich der Einzelheiten der Abrechnungen wird auf die Kopien in den Akten Blatt 127 ff. sowie 294 ff. verwiesen. Von den monatlichen Honoraren wurde keine Abzüge vorgenommen, vielmehr zahlte die Klägerin Sozialversicherungsbeiträge und Steuern selbst.
Die Klägerin war eingesetzt in sogenannten Business-to-Business-Studien, in denen Telefoninterviews montags bis freitags in der Zeit von 8.00 bis 17.00 Uhr stattfanden, weil die Gesprächspartner regelmäßig nur in dieser Zeit am Arbeitsplatz zu erreichen waren.
Die Rechtsvorgängerin der Beklagten teilte der Klägerin und den anderen Interviewern mit Schreiben vom 13.01.1999 folgendes mit:
„Sehr geehrte Frau F1xxx,
wir möchten Sie auf sehr wichtige Regeln hinweisen, ohne die eine Zusammenarbeit des Telefonstudios mit Ihnen nicht funktionsfähig ist.
– Mindestens 3 Schichten pro Woche
Bitte tragen Sie sich wie vereinbart mindestens dreimal pro Woche ein. Montag bis Freitag zwei Schichten und eine Schicht am Wochenende. Leider halten sich immer noch viele Interviewer nicht an diese Vereinbarung, insbesondere was die Wochenendschichten betrifft. Wenn Sie in einer Woche ausnahmsweise nur weniger als diese drei Schichten arbeiten können, so geben Sie dies bitte immer bis zum Montag der betreffenden Woche beim Interviewertelefon bekannt.
– Eintragungen allgemein
Tragen Sie Ihre komplette Schichtplanung bitte in einer laufenden Woche für die darauf folgende Woche ein. Wenn Sie, bedingt durch Urlaub, Studium, Krankheit, eine Woche oder länger nicht arbeiten können, geben Sie dies immer dem Interviewertelefon bekannt.
– Zuverlässigkeit
Eine Absage für eine Abend- oder eine Wochenendschicht kurz vor Schichtbeginn oder nachträglich können wir nicht mehr akzeptieren. Eine Absage der Abendschicht nach 12.00 Uhr werden wir ab sofort nicht mehr akzeptieren, diese Schicht zählt dann als unentschuldigt gefehlt.
–Anfangs- und Endzeiten
Wenn Sie sich für eine Schicht eingetragen haben, gehen wir davon aus, dass Sie die Schicht komplett belegen. Verspätungen oder vorzeitiges Verlassen sollten nicht vorkommen und können nur in Ausnahmefällen akzeptiert werden. Schichtende ist Mo – Fr um 21.15 Uhr!
Bitte haben Sie dafür Ver...