Entscheidungsstichwort (Thema)

Umzugskosten als Betriebsausgaben

 

Leitsatz (amtlich)

Ist eine Verlegung des Lebensmittelpunkts ausschließlich betrieblich veranlaßt, so sind als Betriebsausgaben auch solche Aufwendungen abzugsfähig, die durch die vorzeitige Auflösung des Mietvertrages am bisherigen Lebensmittelpunkt veranlaßt sind.

 

Orientierungssatz

Als Betriebsausgaben abziehbar sind: Beförderungskosten, Kosten der Wohnungsbeschaffung, pauschale Umzugsnebenkosten, Prozeßkosten im Zusammenhang mit der Auflösung des Mietvertrags, Mietausfallentschädigung ohne Beschränkung für längstens sechs Monate.

 

Normenkette

EStG § 4 Abs. 4

 

Verfahrensgang

FG Baden-Württemberg (Entscheidung vom 01.07.1992; Aktenzeichen 5 K 346/89)

 

Tatbestand

I. Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) befand sich Anfang der 80er Jahre in Facharztausbildung. 1981 ergriff er die Möglichkeit, als Assistent in einer Gemeinschaftspraxis in R mitzuarbeiten. Es bot sich für ihn zugleich die Chance, später als Partner in diese Praxis einzutreten. Der Kläger zog daher mit seiner Familie nach G, wo er und seine Frau (Klägerin) ein Einfamilienhaus anmieteten. Der Mietvertrag wurde von den Klägern für fünf Jahre abgeschlossen.

Da der Gemeinschaftspraxis in R wider Erwarten die Facharztweiterbildungsermächtigung nicht verlängert wurde, konnte der Kläger dort seine Facharztausbildung nicht abschließen. Er nahm daher ab Oktober 1982 eine Tätigkeit bei einem Arzt in L auf. Gleichzeitig kündigte er den Mietvertrag über die Anmietung des Einfamilienhauses in G außerordentlich und zog mit seiner Familie nach A in der Nähe von L. Die Transportkosten anläßlich des Umzugs wurden bei der Veranlagung 1982 berücksichtigt.

Da die Vermieter des Einfamilienhauses in G die außerordentliche Kündigung nicht akzeptierten, entwickelte sich ein zivilrechtlicher Rechtsstreit, der in zweiter Instanz vergleichsweise damit endete, daß die Kläger im Streitjahr 1986 an die Vermieter Mietausfallkosten in Höhe von 47 705 DM zu zahlen hatten. Die Kläger machten diese Aufwendungen zuzüglich Anwalts- und Gerichtskosten 1986 als Betriebsausgaben geltend. Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt --FA--) lehnte unter Hinweis auf § 12 des Einkommensteuergesetzes (EStG) den Abzug der Mietausfallentschädigung ab. Die Klage hatte Erfolg.

Mit der Revision beantragt das FA, die Entscheidung des Finanzgerichts (FG) aufzuheben und die Aufwendungen in Höhe vom 49 776 DM nicht zum Abzug als Betriebsausgaben zuzulassen.

 

Entscheidungsgründe

II. Die Revision ist als unbegründet zurückzuweisen (§ 126 Abs.2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).

1. Die im Zusammenhang mit dem Bewohnen einer Wohnung am Lebensmittelpunkt stehenden Aufwendungen sind grundsätzlich Kosten der Lebensführung und als solche weder Betriebsausgaben noch Werbungskosten. Darüber hinaus enthält § 12 Nr.1 EStG ein Aufteilungs- und Abzugsverbot für solche Aufwendungen, die die wirtschaftliche Stellung des Steuerpflichtigen mit sich bringt, auch wenn sie den Beruf fördern (vgl. Beschluß des Großen Senats vom 19. Oktober 1970 GrS 2/70, BFHE 100, 309, BStBl II 1971, 17). Von diesem Grundsatz werden Ausnahmen zugelassen, wenn die Aufwendungen nur in ganz untergeordnetem Umfang von Momenten der Lebensführung beeinflußt werden oder nach objektiv leicht nachprüfbaren Maßstäben aufgeteilt werden können (vgl. Großer Senat in BFHE 100, 309, BStBl II 1971, 17). Dementsprechend können auch Umzugskosten als Werbungskosten oder Betriebsausgaben anerkannt werden, wenn die Verlegung des Lebensmittelpunkts durch einen Arbeitsplatzwechsel veranlaßt ist und sich die Zeitspanne für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte merklich verringert (vgl. z.B. Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 22. November 1991 VI R 77/89, BFHE 166, 534, BStBl II 1992, 494 m.w.N.; BFH-Urteil vom 15. Oktober 1976 VI R 162/74, BFHE 121, 27, BStBl II 1977, 117; vgl. auch Abschn.26 Abs.1 der Lohnsteuer-Richtlinien --LStR-- 1984). Diese Grundsätze gelten für selbständig und unselbständig Tätige gleichermaßen (vgl. BFH-Urteil vom 28. April 1988 IV R 42/86, BFHE 153, 357, BStBl II 1988, 777 m.w.N.).

Da der Umzug der Kläger von G nach A durch den Stellenwechsel des Klägers von R nach L veranlaßt war und durch den Wohnsitzwechsel die tägliche Fahrstrecke von ca. 85 km auf ca. 30 km (Landstraße; viele Ortschaften) und damit erheblich verkürzt wurde, ist von einem nahezu ausschließlich beruflich veranlaßten Umzug auszugehen. Dabei ist auch zu berücksichtigen, daß ein Arzt seinen Patienten auch außerhalb der Sprechstunden zur Verfügung stehen muß (Notfalldienst, Wochenenddienst).

2. a) Der beruflichen Veranlassung des Umzugs folgt der Abzug solcher Kosten, die --jeweils einzeln betrachtet-- nahezu ausschließlich beruflich veranlaßt sind. Als beruflich veranlaßt wurden bisher höchstrichterlich die Beförderungskosten, die Kosten der Wohnungsbeschaffung und pauschale Umzugsnebenkosten anerkannt (vgl. BFH-Urteil vom 30. März 1982 VI R 162/78, BFHE 136, 79, BStBl II 1982, 595; vgl. auch Schmidt/Drenseck, Kommentar zum Einkommensteuergesetz, 12.Aufl., § 19 Anm.12 "Umzugskosten"). Da das Urteil des VI.Senats vom 21. Juli 1989 VI R 102/88 (BFHE 158, 28, BStBl II 1989, 972) die frühere Rechtsprechung nicht ausdrücklich einschränkt, ist davon auszugehen, daß die Ausführungen zur Beschränkung auf Transportkosten sachverhaltsbedingt waren.

b) Die von den Klägern gezahlte Mietausfallentschädigung ist ausschließlich durch den Arbeitsplatzwechsel bedingt.

Es steht außer Streit, daß die Entschädigung an den Vermieter zu zahlen war, weil die Kläger aus ausschließlich beruflichen Gründen die Wohnung in G nicht mehr bewohnen konnten und daher den Mietvertrag vorzeitig auflösten. Zwar haben die Kläger im Zivilprozeß Mängel am Mietobjekt eingewandt. Die Würdigung des FG, wonach diese Mängelrügen nur der Abwendung der angedrohten Mietausfallzahlungen gedient hätten, widerspricht weder Erfahrungssätzen noch Denkgesetzen und ist daher für den Senat nach § 118 Abs.2 FGO bindend (vgl. hierzu z.B. Tipke/Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, § 118 FGO Tz.10 m.w.N.).

Eine private (Mit-)Veranlassung der Zahlung der Mietausfallentschädigung ließe sich allenfalls daraus ableiten, daß die Kläger aus privaten Gründen seinerzeit einen fünfjährigen Mietvertrag für ihre Wohnung abschlossen. Entscheidend für den Betriebsausgaben- oder Werbungskostenabzug ist jedoch, worin das auslösende Moment für die Zahlung liegt (vgl. Beschluß des Großen Senats vom 4. Juli 1990 GrS 2-3/88, BFHE 161, 290, BStBl II 1990, 817 unter C II 2b bb). Wenn auch Anspruchsgrundlage für die Zahlung der Mietausfallentschädigung der schuldrechtliche Mietvertrag ist, so ist unmittelbarer Auslöser für die Zahlungsverpflichtung im Streitfall nicht der Abschluß, sondern die ausschließlich beruflich veranlaßte Auflösung des Mietvertrages. Daß ursprünglich dem Bereich der Lebensführung zuzuordnende Vorgänge durch spätere Ereignisse zu berufsbedingten Aufwendungen führen können, hat der BFH auch in seiner Entscheidung zur Rückzahlung von Ausbildungsdarlehen bejaht (vgl. BFH-Urteil vom 28. Februar 1992 VI R 97/89, BFHE 168, 67, BStBl II 1992, 834).

Die Abzugsfähigkeit der Mietausfallentschädigung wird im Grundsatz auch von der Finanzverwaltung anerkannt. Nach Abschn.26 Abs.1 Satz 5 LStR 1984 (vgl. heute Abschn.41 Abs.2 LStR) sind als berufsbedingte Umzugskosten solche anzuerkennen, die ein vergleichbarer Bundesbeamter bei Versetzung als Umzugskostenvergütung erhalten würde. Diese umfaßt gemäß § 3 Abs.1 Nr.3 des Bundesumzugskostengesetzes (BUKG) auch die Mietentschädigung. Die Beschränkung der Erstattung der Miete für längstens sechs Monate (§ 6 Abs.1 BUKG) ist eine ausschließlich beamtenrechtliche Regelung. Als solche vermag sie weder den steuerrechtlich nach § 4 Abs.4 bzw. § 9 Abs.1 Satz 1 EStG zulässigen Betriebsausgaben- bzw. Werbungskostenabzug zu beschränken, noch das Aufteilungsverbot des § 12 Nr.1 EStG aus den Angeln zu heben (vgl. auch Abschn.26 Abs.1 Satz 7 LStR 1984; ähnlich auch BFH-Urteil vom 15. November 1991 VI R 36/89, BFHE 166, 456, BStBl II 1992, 492). Eine Beschränkung des Abzugs der Mietausfallentschädigung kann sich nur aus steuerrechtlichen Normen ergeben.

c) Steuerlich abzugsfähig sind auch die im Zusammenhang mit der Auflösung des Mietvertrages stehenden Prozeßkosten.

Prozeßkosten teilen als Folgekosten das steuerliche Schicksal des Streitgegenstandes des Rechtsstreits (vgl. BFH-Urteil vom 31. März 1992 IX R 164/87, BFHE 168, 104, BStBl II 1992, 805; BFH-Urteil vom 6. Dezember 1983 VIII R 102/79, BFHE 140, 219, BStBl II 1984, 314). Ist Gegenstand des Rechtsstreits ein Vorgang der Privatsphäre, so sind auch die Prozeßkosten steuerlich nicht abzugsfähig (vgl. z.B. BFH-Urteil vom 31. Juli 1985 VIII R 345/82, BFHE 145, 139, BStBl II 1986, 139). Stehen die streitgegenständlichen Aufwendungen --wie im Streitfall-- in ursächlichem Zusammenhang mit einem betrieblichen Vorgang und sind folglich Betriebsausgaben, so sind es auch die Prozeßkosten (vgl. ähnlich zu Strafprozeßkosten BFH-Urteil vom 21. Juni 1989 X R 20/88, BFHE 157, 397, BStBl II 1989, 831; Beschluß des Großen Senats vom 21. November 1983 GrS 2/82, BFHE 140, 50, BStBl II 1984, 160).

 

Fundstellen

Haufe-Index 64922

BFH/NV 1994, 27

BStBl II 1994, 323

BFHE 173, 124

BFHE 1994, 124

BB 1994, 564

BB 1994, 564 (L)

DB 1994, 1066 (L)

DStR 1994, 1076-1077 (KT)

DStZ 1994, 249-250 (KT)

HFR 1994, 256-257 (LT)

StE 1994, 158 (K)

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