Kritik an Verordnungen zum Mindestlohngesetz
Letztlich geht es um Aufzeichnungs- und Meldepflichten, die das neue Mindestlohngesetz von Arbeitgebern künftig verlangt. Die Vorgaben aus dem Gesetz dazu hat das Bundesfinanzministerium nun präzisiert - in der Verordnung zur Abwandlung der Pflicht zur Arbeitszeitaufzeichnung nach dem Mindestlohngesetz und dem Arbeitnehmer-Entsendegesetz einerseits sowie in der Verordnung über Meldepflichten nach dem Mindestlohngesetz, dem Arbeitnehmer-Entsendegesetz und dem Arbeitnehmerüberlassungsgesetz andererseits. Beide Verordnungen sollen zum 1. Januar 2015 in Kraft treten, eine Veröffentlichung im Bundesgesetzblatt erfolgt in Kürze.
Verordnung soll Aufzeichnung der Arbeitszeit erleichtern
Inhaltlich geht es einerseits darum, dass Arbeitgeber in bestimmten Bereichen künftig nur die Dauer der Arbeitszeit erfassen – nicht aber den konkreten Beginn und das Ende. Betroffen davon sind Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer bei denen folgende drei Voraussetzungen vorliegen:
- Sie verfolgen ausschließlich mobile Tätigkeiten,
- dabei unterliegen sie keinen Vorgaben zu Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit und
- sie können sich ihre tägliche Arbeitszeit eigenverantwortlich einteilen.
Nach Angaben des Ministeriums gelten diese Erleichterungen nur für einen sehr kleinen Kreis von Fällen, wie zum Beispiel für Zeitungszusteller und Kurierdienste, nicht jedoch beispielsweise für die Baubranche oder das Transport- und Gaststättengewerbe.
Gewerkschaften üben heftige Kritik
Laut Verdi-Chef Frank Bsirske seien immerhin mehrere hunderttausend Arbeitnehmer mit mobilen Tätigkeiten betroffen – in der Zustellung, der Abfallsammlung, Straßen- und Stadtreinigung, dem Winterdienst und der Personenbeförderung. Brief-, Paket- und Zeitungszusteller müssten beispielsweise in der Regel eine bestimmte Menge austragen – die vorgesehene Zeit reiche oft nicht. Arbeitgeber würden künftig aber wohl die geplante Dauer statt der längeren tatsächlichen Arbeitszeit angeben. Der pro Stunde berechnete Mindestlohn – ab 1. Januar flächendeckend – werde faktisch umgangen.
"Damit ist Missbrauch Tür und Tor geöffnet", warnte DGB-Chef Reiner Hoffmann. Verdi-Chef Bsirske sagte: "Der Sinn ist einzig und allein die Förderung der Umgehung des Mindestlohns." Dann würden sich auch Kontrollen zu dessen Einhaltung nicht lohnen. Damit warf Bsirske Schäuble indirekt vor, einfach bei den Kontrollen sparen zu wollen.
Dagegen wies der Arbeitgeber-Dachverband BDA die Kritik an dem Vorhaben zurück, in bestimmten Branchen die Arbeitszeit nicht von Beginn bis zum Ende anzugeben, sondern als Dauer. Vielmehr sieht der Verband die Chance, ein bürokratisches Aufzeichnen der Arbeitszeit zu beschränken. Auch Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles hatte die Verordnung verteidigt: "Das ist mit den Praktikern vom Zoll erarbeitet worden, das erschwert nicht die Kontrollen, sondern das macht sie in der Praxis möglich."
Weitere Verordnung: Meldepflicht vereinfachen
Auch die andere Verordnung lehnen die Gewerkschaften ab. Hier sollen Ausnahmen für die Pflicht geschaffen werden, dass Arbeitgeber nach Deutschland entsandte Arbeitnehmer vorher anmelden müssen. Hierbei soll es Ausnahmen für Arbeitgeber, die ihren Sitz im Ausland haben, sowie Entleiher geben. Diese sind verpflichtet, für ihre nach Deutschland entsandten oder die grenzüberschreitend entliehenen Arbeitnehmer vor Beginn einer Werk- oder Dienstleistung eine schriftliche Anmeldung vorzulegen.
Nach Angaben des Finanzministeriums vereinfache die neue Verordnung diese Meldepflichten. Dies betreffe jedoch nur Fälle, in denen besondere Voraussetzungen vorliegen, beispielsweise Schichtdienst, mehrere Einsatzorte täglich oder ausschließlich mobile Tätigkeit. Im klassischen Güter- und Personenverkehr etwa würde die gesetzliche Verpflichtung, jede einzelne Fahrt zu melden, effektive Kontrollen erschweren. Daher sei es sinnvoll und diene der effizienteren Kontrolle, wenn künftig mehrere Arbeitseinsätze in einer Meldung an die Zollverwaltung zusammengefasst würden, teilte das Ministerium mit.
Klagen gegen geplante Rechtsverordnungen?
Insgesamt sagt DGB-Chef Hoffmann Schäuble ein Scheitern voraus. Er kündigte nach Möglichkeit rechtliche Schritte an, falls die Regierung die Verordnungen nicht noch stoppe. Daran denkt Schäuble jedoch nicht. "Die beiden Rechtsverordnungen sind vom Bundesminister der Finanzen gezeichnet und stehen unmittelbar vor der Veröffentlichung", sagte ein Sprecher. Auch die Zahl der Kontrolleure reiche.
Auf eine kleine Anfrage der Grünen-Fraktion antwortete die Bundesregierung, dass der "Finanzkontrolle Schwarzarbeit" (FKS) aktuell 6.869 Stellen zur Verfügung stünden. Vom kommenden Jahr an werden jährlich zum 1. August nach Abschluss der Ausbildung 320 Arbeitskräfte zugeteilt werden, sodass bis 2019 die erforderlichen Ressourcen zugeführt würden.
Statt der so geplanten 1.600 neuen Mitarbeiter für den Zoll hatte die IG Bau zuvor mehr als 3.000 neue Kontrolleure für die FKS gefordert. "Wenn die Kontrollen weiter aufgeweicht werden, können wir den Mindestlohn ziemlich vergessen", mahnte ihr Vorsitzender Robert Feiger. Die Zoll- und Finanzgewerkschaft warnte: Die Kontrollen würden zumindest aufwendiger, wenn die geplanten Ausnahmen kämen.
Missbrauch oder Stimmungsmache beim Mindestlohn?
Abseits der beiden Verordnungen zur Arbeitszeit und Meldepflicht hatten DGB und Verdi den Arbeitgebern vorgeworfen, den Mindestlohn umgehen zu wollen. Zuschläge etwa für besondere Belastungen oder Nachtarbeit würden auf den Stundenlohn angerechnet. Gebühren etwa für Arbeitsgeräte würden in Rechnung gestellt.
Dagegen wehrten sich Deutschlands Arbeitgeber und warfen den Gewerkschaften Stimmungsmache gegen die Unternehmen vor dem Start des flächendeckenden Mindestlohns vor. "Die Gewerkschaften unterstellen den deutschen Unternehmen rechtswidrige Absichten, bevor der Mindestlohn überhaupt in Kraft getreten ist", sagte Arbeitgeberpräsident Ingo Kramer der dpa. "Statt die Risiken eines flächendeckenden Mindestlohns für Beschäftigung und Konjunktur in den Blick zu nehmen, wird mit haltlosen Vorwürfen Stimmung gemacht."
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