Ein Fall wie Uli Hoeneß: Wenn gegen Arbeitnehmer ermittelt wird

Gegen den Bayern-Chef Uli Hoeneß wurde ein Ermittlungsverfahren eingeleitet und Anklage erhoben. So ein Vorfall kann auch in einem normalen Unternehmen hohe Wellen schlagen. Wie ein Arbeitgeber dann reagieren kann, erläutert Dr. Markus Diepold, Fachanwalt für Arbeitsrecht, Kanzlei Dentons.

Zwar ist Ulrich Hoeneß bekanntermaßen selbst Arbeitgeber und auch sein Präsidentenamt bei dem FC Bayern München macht ihn nicht zum Arbeitnehmer. Fälle, in denen gegen einen Arbeitnehmer ein Ermittlungsverfahren eingeleitet und nach Abschluss des Ermittlungsverfahrens Anklage erhoben wird, sind jedoch alles andere als selten.

Haufe-Online: Kann der Arbeitgeber einem Mitarbeiter kündigen, wenn gegen diesen ein Ermittlungsverfahren eröffnet wird?

Dr. Markus Diepold: Nein, die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens allein reicht hierfür grundsätzlich nicht aus. Das BAG stellt in seiner Rechtsprechung kontinuierlich fest, dass die strafrechtliche Würdigung des Fehlverhaltens für die Kündigung eines Arbeitnehmers ohne Bedeutung ist. Bei einem strafrechtlichen Ermittlungsverfahren liegt zudem nur ein Anfangsverdacht vor, dass ein Arbeitnehmer eine Straftat begangen haben könnte.

Haufe-Online: Kann der Arbeitgeber gar nichts unternehmen?

Diepold: Es gelten die allgemeinen Grundsätze zum Ausspruch einer Kündigung. Fälle, in denen ein Ermittlungsverfahren gegen einen Arbeitnehmer eingeleitet wird, bewegen sich aufgrund einer Pflichtverletzung des Arbeitnehmers grundsätzlich im Bereich der verhaltensbedingten Kündigung. In der Regel wird die Frage interessant, ob eine außerordentliche fristlose Kündigung aufgrund der Schwere der Pflichtverletzung ausgesprochen werden kann. Besondere Beachtung muss man dann der Frage schenken, ob eine Pflichtverletzung im Arbeitsverhältnis vorliegt oder ob das Ermittlungsverfahren aufgrund eines Fehlverhaltens außerhalb des Arbeitsverhältnisses eingeleitet wurde und sich dieses „außerdienstliche Fehlverhalten“ evtl. auf das Arbeitsverhältnis auswirkt.

Haufe-Online: Gibt es Besonderheiten in diesen Fällen?

Diepold: Allein aufgrund der Einleitung des strafrechtlichen Ermittlungsverfahrenssteht noch nicht fest, ob die Pflichtverletzung überhaupt von dem Arbeitnehmer begangen wurde. Möglicherweise kann man aber eine Verdachtskündigung aussprechen. Die Rechtsprechung lässt eine Verdachtskündigung zu, wenn das Fehlverhalten des Arbeitnehmers zwar noch nicht nachgewiesen ist, aber ein dringender Verdacht für ein Fehlverhalten besteht. Die Anforderungen an den dringenden Verdacht sind hoch. Es muss nach der Rechtsprechung der Arbeitsgerichte eine große Wahrscheinlichkeit bestehen, dass der Arbeitnehmer die Pflichtverletzung begangen hat. Das ist mehr als der Verdacht für die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens.

Haufe-Online: Stehen dem Arbeitgeber auch noch andere arbeitsrechtliche Maßnahmen zur Verfügung? Zum Beispiel Freistellung während das Ermittlungsverfahren läuft?

Diepold: Grundsätzlich hat ein Arbeitnehmer ein Recht auf Beschäftigung. Für eine Freistellung des Arbeitnehmers braucht ein Arbeitgeber einen sachlichen Grund. Die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens allein stellte keinen sachlichen Grund dar. Lediglich in besonderen Fällen, in denen zum Zeitpunkt der Einleitung des Ermittlungsverfahrens zugleich die Pflichtverletzung nachgewiesen ist, weil der Arbeitnehmer z. B. auf frischer Tat ertappt wurde, dürfte ein berechtigtes Interesse des Arbeitgebers an einer Freistellung vorliegen. Praktisch wird es in diesen Fällen aber nicht um eine Freistellung gehen. In diesen Fällen sprechen die meisten Arbeitgeber bei einer entsprechenden Schwere der Tat eine fristlose Kündigung aus.

Haufe-Online: Wie kann ein Arbeitgeber arbeitsrechtlich reagieren, wenn auch noch ein strafrechtliches Hauptverfahren eröffnet wird?

Diepold: Wenn bereits bei Einleitung eines Ermittlungsverfahrens ein dringender Tatverdacht vorliegt, ist es möglich, bereits zu diesem Zeitpunkt eine Verdachtskündigung auszusprechen. Bei einer den Verdacht verstärkenden Tatsache – wie z. B. zusätzlich gefundenen Beweismitteln, die der Anklage zugrunde liegen – kann dann eine zweite Verdachtskündigung ausgesprochen werden. Die Frist des § 626 BGB beginnt dann für die zweite Kündigung mit Kenntnis von den verdachtsverstärkenden Tatsachen erneut zu laufen. Da die zweite Kündigung auf einer weiteren, den Verdacht der Tatbegehung verstärkenden Tatsache beruht, handelt es sich auch nicht um eine unzulässige Wiederholungskündigung. Der Arbeitgeber kann aber auch die Erhebung der Anklage abwarten, um erst auf Grundlage der aus der Anklageerhebung gewonnenen Erkenntnisse eine erste Kündigung auszusprechen.

Haufe-Online: Gibt es in diesen Fällen nicht ein Problem mit der zweiwöchigen Ausschlussfrist des § 626 Abs. 2 BGB, wenn der Arbeitgeber dann noch fristlos kündigen möchte?

Diepold: Die Frist des § 626 Abs. 2 BGB beginnt in dem Zeitpunkt, in dem der Arbeitgeber von den für die Kündigung maßgebenden Tatsachen Kenntnis erlangt. Liegt ein strafbares Verhalten des Arbeitnehmers vor, darf der Arbeitgeber nach dem BAG den Aus- oder Fortgang des Ermittlungs- und Strafverfahrens abwarten und in dessen Verlauf zu einem nicht willkürlich gewählten Zeitpunkt noch fristlos kündigen. Dies kann der Moment der Erhebung der Anklage sein.

Das Interview führte Renate Fischer, Ass. jur., Redaktion Personal

Dr. Markus Diepold ist Rechtsanwalt und Fachanwalt für Arbeitsrecht in der Rechtsanwaltskanzlei Dentons, Berlin.

Schlagworte zum Thema:  Kündigung, Strafverfahren