0 Rechtsentwicklung
0.1 Bisheriges Recht
Rz. 1
Unmittelbarer Vorläufer der Regelungen in § 133 SGB IX ist § 80 SGB XII i. d. F. bis 31.12.2019 und für Abs. 5 mit Ausweitung des Regelungskatalogs der § 81 Abs. 2 SGB XII i. d. F. bis 31.12.2019. §§ 80, 81 Abs. 2 haben wiederum mit Wirkung zum 1.1.2005 § 94 BSHG abgelöst. Im Übrigen hat das Schiedsstellenwesen im Sozialrecht eine lange Tradition, die bis auf das Jahr 1913 zurückreicht (vgl. Becker, SGb 2013 S. 664). Für das Sozialhilferecht wurde erstmals mit dem Zweiten Gesetz zur Umsetzung des Spar-, Konsolidierungs- und Wachstumsprogramms (2. SKWPG, BGBl. 1993 I S. 2374) ein Schiedsstellenverfahren eingeführt, um Konflikte zwischen den Sozialhilfeträgern (Leistungsträger) und den leistenden Dritten (Leistungserbringer) über Vereinbarungen zu klären (vgl. Begründung Regierungsentwurf, BR-Drs. 12/5510 S. 11 f.).
0.2 Vergleich zum Vertragsrecht des Zehnten Kapitels SGB XII ab 1.1.2020
Rz. 2
§ 133 ist mit der Regelung in § 81 SGB XII des allgemeinen Sozialhilferechts i. d. F. Art. 13 BTHG identisch.
0.3 Nur formales Inkrafttreten zum 1.1.2018 – materielles Inkrafttreten zum 1.1.2020
Rz. 3
§ 133 tritt zwar bereits zum 1.1.2018 in Kraft. Ihre volle Wirksamkeit entfaltet die Regelung aber erst mit Inkrafttreten der Strukturreform der Eingliederungshilfe (neu) zum 1.1.2020. Die Vorschriften der §§ 123 ff. sind die Ermächtigungsgrundlage, neue Verträge mit Wirkung zum 1.1.2020 vorzubereiten und abzuschließen (vgl. Komm. zu § 123 Rz 6). Soweit im Zeitraum 2018 und 2019 neu abgeschlossene Verträge Gegenstand eines Schiedsstellenverfahrens sind, kann § 133 auch vor dem 1.1.2020 angewendet werden, soweit das Land bereits eine Schiedsstelle nach § 133 errichtet und eine konkretisierende Rechtsverordnung nach Abs. 5 erlassen hat.
1 Allgemeines
Rz. 4
§ 133 regelt das Verfahren der Errichtung einer Schiedsstelle, deren Zusammensetzung und Verfahrensgrundsätze, wobei in Abs. 5 die Konkretisierung auf Länder delegiert wird (Rechtsverordnungsermächtigung). Die Norm zählt zum besonderen Vertragsrecht für die Leistungen der Eingliederungshilferecht in Teil 2 des Achten Kapitels SGB IX.
Rz. 5
Abs. 1 ordnet an, dass zur Regelung von Streitigkeiten im Vertragsrecht der Eingliederungshilfe in jedem Land eine oder mehrere Schiedsstellen gebildet werden.
Mit Abs. 2 wird die paritätische Besetzung der Schiedsstelle mit Vertretern der Leistungsträger und der Leistungserbringer bestimmt.
Abs. 3 enthält grundlegende Vorgaben über die Bestellung von Mitgliedern der Schiedsstellen. Die nähere Ausgestaltung bleibt der durch die Landesregierung zu erlassenden Rechtsverordnung gemäß Abs. 5 vorbehalten.
Abs. 4 regelt ebenfalls grundsätzlich die Stellung der Mitglieder der Schiedsstelle und das Abstimmungsverfahren. Aufgrund der in gleicher Zahl bestellten Vertreter der Leistungsträger und Leistungserbringer kommt bei Stimmengleichheit der Stimme des unparteiischen Vorsitzenden die entscheidende Bedeutung zu.
Abs. 5 regelt die Ermächtigung für die Landesregierung zum Erlass einer Rechtsverordnung.
2 Rechtspraxis
2.1 Bildung der Schiedsstelle – Rechtscharakter
Rz. 6
Jedes Land hat zur Regelung von Streitigkeiten im Vertragsrecht der Eingliederungshilfe eine oder mehrere Schiedsstellen zu errichten (Abs. 1, Abs. 5 Nr. 1). Damit ist die Bildung einer länderübergreifenden Schiedsstelle ausgeschlossen.
Die Aufgabe der Schiedsstelle muss sich auf die Materie des Vertragsrechts der Eingliederungshilfe beschränken. Eine Zuständigkeit für Streitigkeiten aus anderen Sozialgesetzbüchern (SGB V, SGB VIII, SGB XI) ist grundsätzlich ausgeschlossen (zur Kritik generell an der Aufsplitterung der Schiedsgerichte im Bereich des Sozialrechts: Gottlieb, Sozialrecht aktuell 2012 S. 150; Gottlieb/Krüger, NDV 2013 S. 571). Allerdings könnte aus pragmatischen Gründen wegen der Nähe der Sozialmaterie die Betrauung einer SGB XII – Schiedsstelle mit den Aufgaben aus dem 2. Teil SGB IX zugelassen werden. Verfahren nach SGB IX und SGB XII sind in diesem Fall strikt zu trennen. Hier bleibt die Entscheidung der Länder abzuwarten. Bayern sieht im Gesetzentwurf der Bayerischen Staatsregierung zum Bayerischen Teilhabegesetz I (BayTHG I) v. 1.8.2017, Drs. 17/18388 Bay.Landtag, mit Wirkung zum 1.1.2018 die Errichtung einer eigenständigen Schiedsstelle nach § 133 (Eingliederungshilfe) vor (vgl. § 3 BayTHG I, Ergänzung der Verordnung zur Ausführung der Sozialgesetze – AVSG v. 2.12.2008, Bay.GVBl. S. 912).
Rz. 7
Die Funktion der Schiedsstelle als neutrale Stelle dient sowohl dem Interesse der Träger der Eingliederungshilfe an einer ausreichenden und kostengünstigen Versorgung der Leistungsberechtigten als auch dem Interesse der Leistungserbringer an einer angemessenen Vergütung ihrer Leistungen; sie hat somit einen Interessenausgleich herbeizuführen. Schiedsstellen haben sich seit ihrer Einführung im Jahre 1994 (durch das Zweite Gesetz zur Umsetzung des Spar-, Konsolidierungs- und Wachstumsprogramms – 2. SKWPG, BGBl. 1993 I S. 2374) bewährt (vgl. Begründung Regierungsentwurf BTHG, BR-Drs. 428/16 S. 306 f.). Schiedsstellen haben keine eigenen, sondern von den Vertragsparteien abgeleitete Aufgaben. Den Vertragsparteien kommt das Dispositionsrecht über Inhalte und Umfang der Vergütungs- und Leistungsvereinbarungen zu (...