0 Rechtsentwicklung
0.1 Bisheriges Recht
Rz. 1
Die Regelung ist neu, so dass kein unmittelbarer Vorläufer der Regelungen vorhanden ist. Allerdings eröffnet § 76 Abs. 3 Satz 1 SGB XII (i. d. F. bis zum 31.12.2019) den Abschluss einer Prüfvereinbarung über die Wirtschaftlichkeit und Qualität der Leistungen, wobei auch Abmachungen über die Prüfungsberechtigung des Trägers der Eingliederungshilfe möglich sind.
1.2 Vergleich zum Vertragsrecht des Zehnten Kapitels SGB XII ab 1.1.2020
Rz. 2
§ 128 entspricht inhaltlich dem § 78 SGB XII i. d. F. des Art. 13 BTHG ab 1.1.2020.
0.3 Nur formales Inkrafttreten zum 1.1.2018 – materielles Inkrafttreten zum 1.1.2020
Rz. 3
§ 128 tritt zwar formal bereits zum 1.1.2018 in Kraft. Ihre volle Wirksamkeit entfaltet die Regelung aber erst mit Inkrafttreten der Strukturreform der Eingliederungshilfe (neu) zum 1.1.2020. Die Vorschrift enthält nur eine Ermächtigungsgrundlage neue Verträge zu prüfen und kann daher nach Sinn und Zweck frühestens mit deren Außenwirkung zum 1.1.2020 angewendet werden (vgl. Komm. zu § 123 Rz 6).
1 Allgemeines
Rz. 4
Mit dieser Regelung wird den Trägern der Eingliederungshilfe erstmals ein gesetzliches Prüfrecht hinsichtlich der Wirtschaftlichkeit und Qualität der vereinbarten Leistungen der Leistungserbringer eingeräumt. Sie gehört zum besonderen Vertragsrecht für die Eingliederungshilfe in Teil 2 des Achten Kapitels SGB IX.
1.1 Anlass der Regelung
Rz. 5
Ein Prüfrecht auf vertraglicher Grundlage kannte das bisherige Recht bereits (§ 76 Abs. 3 Satz 1 SGB XII i. d. F. bis zum 31.12.2019). Die Praxis hat jedoch gezeigt, dass in der Umsetzung Probleme aufgetreten sind, die in vielen Fällen den Abschluss einer entsprechenden Prüfungsvereinbarung verhindert haben (vgl. Begründung Regierungsentwurf BTHG, BR-Drs. 428/16 S. 304; Zum Hintergrund: "Maserati-Affäre – Treberhilfe Berlin", ein Skandal der zur Initiative des Bundesrates aus dem Jahr 2010 führte, BR-Drs. 394/10 v. 26.11.2010 S. 1; Der Tagesspiegel v. 14.12.2011 und zuletzt Klagen des Landes Rheinland-Pfalz gegen sämtliche Träger der Werkstätten für behinderte Menschen des Landes auf Prüfrechte mangels vertraglicher Grundlage, vgl. Die Rheinpfalz v. 2.8.2017 S. 14). Ziel des gesetzlich angeordneten Prüfrechts ist es, dieses zu optimieren und auch mit diesem Mittel eine qualitativ angemessene Leistungserbringung und eine wirtschaftliche Verwendung der durch Steuergelder finanzierten Leistungen der Eingliederungshilfe zu gewährleisten. Es soll sichergestellt werden, dass die finanziellen Mittel nur für den vorgesehenen Zweck eingesetzt werden und der Leistungserbringer seine gesetzlichen und vertraglichen Pflichten erfüllt (vgl. Begründung Regierungsentwurf BTHG, BR-Drs. 428/16 S. 304).
1.2 Überblick zu den Regelungen des § 128
Rz. 6
Abs. 1 eröffnet den Trägern der Eingliederungshilfe oder ein von diesem Beauftragten ein Prüfrecht der Wirtschaftlichkeit und Qualität einschließlich der Wirksamkeit der vereinbarten Leistungen des Leistungserbringers. Abs. 1 Satz 3 enthält eine Öffnungsklausel, nach der durch Landesrecht von der Einschränkung, dass Prüfungen nur soweit tatsächliche Anhaltspunkte dafür bestehen, dass ein Leistungserbringer seine vertraglichen oder gesetzlichen Pflichten nicht erfüllt, abgewichen werden kann.
Abs. 2 bestimmt den Prüfungsumfang. Die Prüfung erstreckt sich auf Inhalt, Umfang, Wirtschaftlichkeit und Qualität der zwischen Trägern der Eingliederungshilfe und Leistungserbringer vereinbarten Leistungen. Zur Gewährleistung einer wirksamen Kontrolle können die Prüfungen in geeigneten Fällen gemäß Satz 1 unangemeldet erfolgen.
Abs. 3 bestimmt, dass das Prüfungsergebnis dem Leistungserbringer in schriftlicher Form mitzuteilen ist. Darüber hinaus ist das Prüfungsergebnis den Leistungsberechtigten in einer für die Leistungsberechtigten wahrnehmbaren Form zugänglich zu machen.
2 Rechtspraxis
2.1 Voraussetzungen einer Prüfung (Abs. 1)
2.1.1 Anhaltspunkte für eine Pflichtverletzung des Leistungserbringers (Abs. 1 Satz 1)
Rz. 7
Ausgangspunkt der Prüfung müssen tatsächliche Anhaltspunkte sein, die den plausiblen Schluss zulassen, dass ein Leistungserbringer seine vertraglichen oder gesetzlichen Pflichten nicht erfüllt. Relevante Anhaltspunkte müssen auf Tatsachen beruhen und können nicht auf bloße Vermutungen oder Unterstellungen fußen. Typisch dürften Hinweise von Leistungsberechtigten oder Mitarbeitern von Leistungserbringern ("Whistleblower") sein, die dem Träger der Eingliederungshilfe mehr als nur pauschale Behauptungen, sondern auch konkrete Vorgänge möglichst mit Belegen zuspielen. Eine weitere Quelle sind Unstimmigkeiten in den Belegen des Leistungserbringers gegenüber dem Träger der Eingliederungshilfe.
2.1.2 Öffnungsklausel für Länder – anlasslose Prüfung (Abs. 1 Satz 3)
Rz. 8
Durch Landesrecht kann allerdings von dem Kriterium "soweit tatsächliche Anhaltspunkte bestehen" abgewichen werden. Diese Öffnungsklausel ruht auf einem Kompromiss aufgrund der kritischen BR-Stellungnahme. Der Bundesrat sprach sich trotz der Bedenken der Bundesregierung für ein anlassloses Prüfrecht aus (vgl. BR-Stellungnahme zum Entwurf eines BTHG der Bundesregierung BR, 18/9954 S. 49). Die Bundesregierung hatte noch in ihrer Gegenäußerung zur Stellungnahme des Bundesrates Bedenken gegen anlassunabhängige Prüfungen der Wirtschaftlichkeit und Qualität der vereinbarten Leistungen bei den Leistungserbringern durch Träger der Eingliederungshilfe erhoben. Ein Eingriff in die verfassungsrechtlich gesicherte Berufs...