6.1.1 Allgemeines

Der Arbeitgeber, der seinem Beschäftigten eine Qualifizierung ganz oder teilweise finanziert, ist daran interessiert, die vom Beschäftigten erworbene Qualifikation möglichst langfristig für den Betrieb nutzen zu können. Dieses legitime Interesse des Arbeitgebers kollidiert jedoch mit dem Recht des Beschäftigten, das Arbeitsverhältnis zu kündigen und die erworbene Qualifikation anderswo zu nutzen. Aus diesem Grund wird regelmäßig in Qualifizierungsverträgen eine Rückzahlungsklausel vereinbart, wonach vom Arbeitgeber aufgewendete Qualifizierungskosten vom Beschäftigten ganz oder teilweise zurückzuzahlen sind, wenn dieser das Arbeitsverhältnis vor einer im Einzelfall vereinbarten Frist selbst ordentlich kündigt oder die Veranlassung zu einer arbeitgeberseitigen Kündigung gegeben hat.

6.1.2 Formerfordernisse

Qualifizierungsvereinbarungen und damit auch Rückzahlungsklauseln von Qualifizierungskosten sind Nebenabreden zum Arbeitsvertrag, die gem. § 2 Abs. 3 TVöD zwingend einem Schriftformerfordernis unterfallen.

 
Praxis-Tipp

Die Rechtsprechung hat bezüglich Gestaltung und Inhalt einer Rückzahlungsverpflichtung eine ganze Reihe von Voraussetzungen aufgestellt und damit hohe Hürden für die Wirksamkeit errichtet. Daher ist bei der Formulierung einer Rückzahlungsvereinbarung große Sorgfalt geboten. Auf das Muster einer Qualifizierungsvereinbarung in den Arbeitshilfen wird verwiesen.

Nach den von der Rechtsprechung des BAG entwickelten Grundsätzen darf eine Vereinbarung, die den Beschäftigten zur Rückzahlung von Qualifizierungskosten verpflichtet, nicht unter Druck während der Qualifizierungsmaßnahme erzwungen werden.[1] Aus diesem Grund sollte die Rückzahlungsklausel vor oder unmittelbar zu Beginn der vereinbarten Qualifizierung vereinbart werden. Hierbei muss der Beschäftigte alle Folgen, die sich für ihn aus dem Abschluss einer solchen Vereinbarung ergeben[2], erkennen können. Diesen Bestimmtheitsanforderungen hält die Rückzahlungsklausel stand, wenn sie klar und unmissverständlich formuliert ist und drucktechnisch so hervorgehoben ist, dass der Beschäftigte ohne Weiteres von ihr Kenntnis nehmen kann. Zudem sollte der Vereinbarung zu entnehmen sein, ob und unter welchen Voraussetzungen und zu welchen Bedingungen der Beschäftigte die Qualifizierungskosten zu erstatten hat.[3]

 
Wichtig

Die Verpflichtung des Beschäftigten zur Rückerstattung der Qualifizierungskosten bedarf einer entsprechenden ausdrücklichen Vereinbarung. Diese muss vor oder unmittelbar zu Beginn der Fortbildung geschlossen werden und zum Grund und zum Umfang der Rückzahlungsverpflichtung eindeutig sein.[4]

6.1.3 Zulässigkeit

Nach ständiger Rechtsprechung des BAG[1] sind vertragliche Vereinbarungen über die Rückzahlung von Qualifizierungskosten im Fall einer vorzeitigen Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch den Beschäftigten zulässig.[2] Das gilt jedoch nicht ausnahmslos. Derartige Zahlungsverpflichtungen können gegen Treu und Glauben verstoßen, wenn sie auch bei der Berücksichtigung der Grundrechte des Arbeitgebers zu einer übermäßigen Beeinträchtigung der arbeitsplatzbezogenen Berufswahlfreiheit des Arbeitnehmers (Art. 12 Abs. 1 GG) führen. Eine Belastung des Beschäftigten mit Qualifizierungskosten muss daher vom Standpunkt eines verständigen Betrachters einem begründeten und billigenswerten Interesse des Arbeitgebers entsprechen[3]; der Beschäftigte muss andererseits mit der Qualifizierungsmaßnahme eine angemessene Gegenleistung für die Rückzahlungsverpflichtung erhalten haben. Insgesamt muss ihm die Erstattungspflicht nach Treu und Glauben zuzumuten sein. Das ist auf Grund einer auf den Zeitpunkt des Vertragsschlusses bezogenen Güter- und Interessenabwägung nach Maßgabe des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes unter Heranziehung aller Umstände des Einzelfalls zu ermitteln.[4]

[3] Ein solches Interesse fehlt i. d. R. bei einarbeitungsbedingten Aufwendungen – BAG, Urteil v. 16.1.2003, 6 AZR 384/01.

6.1.3.1 Geldwerter Vorteil

Bei der erforderlichen Interessenabwägung ist zunächst zu prüfen, ob und inwieweit der Beschäftigte mit der Qualifizierung einen geldwerten Vorteil erlangt.[1] Einen solchen sieht die Rechtsprechung des BAG darin, dass der Beschäftigte mit der vom Arbeitgeber finanzierten Ausbildung seine beruflichen Chancen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt wesentlich verbessert hat.[2] Dies ist der Fall, wenn außerhalb des Betriebs des Arbeitgebers Bedarf nach derart ausgebildeten Arbeitskräften besteht und die beruflichen Entwicklungschancen sowie Verdienstchancen für den Beschäftigten durch die vom Arbeitgeber finanzierte Qualifizierung gesteigert worden sind.[3] Auch Qualifizierungsmaßnahmen, die dem Beschäftigten realistische Aufstiegschancen im Bereich des bisherigen Arbeitgebers eröffnen, die ihm zuvor versc...

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