Rz. 3
Die Regelung des Abs. 1 stellt sicher, dass eventuell noch nach dem 31.12.1996 bekannt werdende Altfälle im Beitrittsgebiet aus der Zeit vor dem 1.1.1992 (also vor dem Inkrafttreten des RÜG) nach Maßgabe von § 1150 Abs. 2 und 3 RVO dem Unfallversicherungsrecht des SGB VII zugeordnet werden.
Rz. 4
Es gilt das Versicherungsfallprinzip. Das bedeutet, dass ein bis zum 31.12.1991 nach den Regelungen des Rechts der ehemaligen DDR eingetretener Versicherungsfall als Arbeitsunfall bzw. als Berufskrankheit i. S. d. SGB VII gilt (BSG, Urteil v. 4.7.2013, B 2 U 5/12 R, UV-Recht aktuell 2013 S. 876; Urteil v. 17.2.2009, B 2 U 35/07, NZS 2010 S. 49). Ein Ereignis, das nach dem damals geltenden Recht keinen Versicherungsfall darstellt, muss auch dann nicht entschädigt werden, wenn es nach dem später geltenden Recht der RVO oder des SGB VII einen Versicherungsfall begründen würde. Die nach dem Recht der DDR anzuerkennenden, vor dem 1.1.1992 eingetretenen Versicherungsfälle sind auch dann nach diesem Recht zu entschädigen, wenn sie erst später bekannt werden. Eine Überprüfung aus Anlass der Überleitung ist ausgeschlossen (BSG, Urteil v. 27.4.2010, B 2 U 14/09 R, UV-Recht aktuell 2010 S. 1050; Urteil v. 11.5.1995, 2 RU 24/94, BSGE 76 S. 124, 126 = NZS 1995 S. 518). Dies betrifft auch möglicherweise rechtsfehlerhafte Verwaltungsentscheidungen (BSG, Urteil v. 18.3.1997, 2 RU 19/96, BSGE 80 S. 119 = SozR 3-1300 § 48 Nr. 61).
Rz. 5
§ 1150 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 RVO normiert eine Ausschlussfrist. Wird der Versicherungsfall erst nach dem 31.12.1993 bekannt, ist allein das bei Bekanntwerden geltende Recht maßgeblich. Damit soll Rechtseinheit hergestellt werden, der Vertrauensschutz auf Fortgeltung von DDR-Recht endet. Das gilt auch dann, wenn früher der Versicherungsfall durch Bescheid in der ehemaligen DDR anerkannt wurde (BSG, Urteil v. 19.12.2000, B 2 U 8/00 R, BSG SozR 3-2200 § 1150 Nr. 4). Die Frist ist nicht nur bei Bekanntwerden eines früher eingetretenen Versicherungsfalls, sondern auch im Falle eines Versicherungsfalls anzuwenden, dessen Folgen sich nach zwischenzeitlicher Besserung nach Fristablauf verschlimmern. Dann ist zu prüfen, ob der Versicherungsfall nach den Regelungen der RVO bzw. des SGB VII anerkannt werden kann.
Rz. 6
Ansprüche aus Unfällen und Krankheiten, die danach den Unfallversicherungsträgern bekannt werden, können nur nach den Vorschriften der gesetzlichen Unfallversicherung der Bundesrepublik Deutschland geltend gemacht werden. Hiernach besteht kein Anspruch für Wehrpflichtige, da diese nach dem SVG bzw. dem BVG anspruchsberechtigt sind. Für ehemalige Wehrpflichtige im Beitrittsgebiet besteht jedoch kein Anspruch nach dem SVG oder dem BVG. Bei Folgen von Wehrdienstunfällen oder von wehrdienstbedingten Berufskrankheiten, die erstmalig nach dem 31.12.1993 auftreten, kann dieser Personenkreis nach dem Wortlaut des § 1150 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 der RVO keinen Anspruch auf Leistungen der gesetzlichen Unfallversicherung geltend machen. Es besteht somit eine Versorgungslücke. Bisher haben die Unfallversicherungsträger diese Lücke durch eine einschränkende Auslegung der genannten Vorschrift zugunsten der Betroffenen vermieden. Zur Schließung der Versorgungslücke ist daher die Ergänzung des § 215 Abs. 1 erforderlich (BR-Drs. 133/08 S. 92 und BT-Drs. 16/9788 S. 8).
Rz. 7
Nach § 1150 Abs. 2 Satz 2 Nr. 2 RVO verdrängt die Anerkennung eines Arbeitsunfalls oder einer Berufskrankheit nach dem FRG einen evtl. nach dem Recht der früheren DDR bestehenden Anspruch. Der Grundsatz des § 1150 Abs. 2 Satz 1 RVO soll nur dann gelten, wenn der Betreffende vor dem 1.1.1992 seinen Wohnsitz in das Beitrittsgebiet verlegt. Danach ist die gebietsmäßige Eingliederung maßgeblich (BSG, Beschluss v. 21.1.1997, 2 BU 267/96, HVBG-INFO 1997 S. 974). Voraussetzung für den Vorrang der FRG-Anerkennung ist, dass vor dem 1.1.1992 zumindest ein Antrag auf Anerkennung nach FRG gestellt wurde, das Verfahren von Amts wegen aufgenommen wurde oder ein Eingliederungsbegehren gestellt wurde (BSG, Urteil v. 18.6.1996, 9 RV 6/94, BSGE 78 S. 265 = HVBG-INFO 1996 S. 2702).
Rz. 8
§ 1150 Abs. 3 RVO enthält eine Sonderregelung für den Fall der Schädigung der Leibesfrucht durch einen Versicherungsfall.
Rz. 9
Die durch das UVMG neu eingeführten Sätze 2 und 3 des Abs. 1 stellen klar, dass für Versicherungsfälle von Wehrdienstpflichtigen der Nationalen Volksarmee der ehemaligen DDR die Vorschriften des SGB VII gelten sollen, auch wenn bei ihnen eine Berufskrankheit infolge des Wehrdienstes erst nach dem 1.1.1992 aufgetreten ist. Damit soll eine Versorgungslücke geschlossen werden (BR-Drs. 113/08 S. 92). Unabhängig davon sind Dienstbeschädigungen, die nach Sonderversorgungssystemen der DDR unter anderem für Angehörige der Nationalen Volksarmee und der Volkspolizei zu entschädigen sind, nicht in den Regelungsbereich der RVO und des SGB VII überführt wurden. Vielmehr sind für diesen Personenkreis die Regelungen des AAÜG und des Gesetzes über einen Ausgleich für Dienstbes...