Entscheidungsstichwort (Thema)

Unterhaltsgeld. Höhe des Unterhaltsgeldes. Arbeitsentgelt. Bemessungszeitraum. Bemessungsentgelt. Rahmenfrist. sogenannte Zwischenbeschäftigung. Anwartschaftszeit. Arbeitslosengeld

 

Leitsatz (amtlich)

Das Arbeitsentgelt aus einer unmittelbar vor Maßnahmebeginn ausgeübten Zwischenbeschäftigung, die wegen ihrer geringen Dauer keine neue Anwartschaft iS des § 104 AFG begründet, bleibt für die Bemessung des Unterhaltsgeldes unberücksichtigt (Anschluß an BSG SozR 4100 § 112 Nr. 17 und Aufgabe von BSG SozR 3-4100 § 44 Nr. 2).

 

Normenkette

AFG §§ 44, 46, 112 Abs. 1-2, § 104 Abs. 3

 

Verfahrensgang

LSG Baden-Württemberg (Urteil vom 21.09.1994; Aktenzeichen L 3 Ar 1289/93)

SG Heilbronn (Entscheidung vom 25.05.1993; Aktenzeichen S 7 Ar 1780/92)

 

Tenor

Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 21. September 1994 wird zurückgewiesen.

Die Beklagte hat der Klägerin die Kosten des Revisionsverfahrens zu erstatten.

 

Tatbestand

I

Die Klägerin begehrt höheres Unterhaltsgeld (Uhg).

Die Klägerin war bis September 1990 als kaufmännische Angestellte mit einem monatlichen Bruttoarbeitsentgelt in Höhe von 2.821,– DM tätig. In der Folgezeit bezog sie Leistungen der Beklagten, ua vom 22. April 1991 bis 31. Januar 1992 und vom 3. Februar bis 24. Juli 1992 Uhg und vom 25. Juli bis 1. August 1992 Arbeitslosengeld (Alg). Das zuletzt bezogene Uhg bestimmte sich, ebenso wie das Alg, nach einem Bemessungsentgelt von wöchentlich 700,– DM.

Vom 3. August bis 14. September 1992 war die Klägerin in einer Klinik als Stationshilfe beschäftigt und erhielt laut Arbeitsbescheinigung für den Monat August 1992 ein Bruttoarbeitsentgelt in Höhe von 2.031,25 DM. Anschließend begann sie eine mehrjährige Umschulung zur Altenpflegerin. Hierfür bewilligte das Arbeitsamt (ArbA) mit Bescheid vom 2. November 1992 ab 15. September 1992 Uhg nach einem Bemessungsentgelt von wöchentlich 590,– DM. Diesem Bemessungsentgelt lag 1990 erzieltes Arbeitsentgelt und das Arbeitsentgelt aus der Beschäftigung vom 3. August bis 14. September 1992 zugrunde. Dem Widerspruch gab das ArbA mit Widerspruchsbescheid vom 18. Dezember 1992 insoweit statt, als es das Uhg nun nach einem Bemessungsentgelt von wöchentlich 600,– DM bewilligte; dabei blieb das bei Maßnahmebeginn noch nicht abgerechnete Arbeitsentgelt für die Zeit vom 1. bis 14. September 1992 unberücksichtigt.

Das Sozialgericht (SG) hat die Beklagte verurteilt, Uhg „ab dem 15.09.1992 nach demselben Arbeitsentgelt, das der Berechnung des Arbeitslosengeldes, das der Klägerin ab 25.07.1992 gewährt wurde, zu gewähren”. Es hat seine Entscheidung auf § 44 Abs. 3 Nr. 1 Arbeitsförderungsgesetz (AFG) gestützt (Urteil vom 25. Mai 1993). Das Landessozialgericht (LSG) hat die Berufung der Beklagten mit der Maßgabe zurückgewiesen, daß nur der Bescheid vom 2. November 1992 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18. Dezember 1992 abgeändert werde und die Beklagte der Berechnung des Uhg ein wöchentliches Bemessungsentgelt von 700,– DM, bezogen auf den 15. September 1992, zugrunde zu legen habe. Es war der Auffassung, es brauche sich nicht festzulegen, ob – wie vom 7. Senat des Bundessozialgerichts (BSG) entschieden (SozR 4100 § 112 Nr. 17) – Zwischenbeschäftigungen, die wegen ihres geringen Umfangs keinen Alg-Anspruch auslösten, für die Bemessung des Uhg unberücksichtigt blieben oder ob – wie dies der 9. Senat später angenommen habe (BSG SozR 3-4100 § 44 Nr. 2) – grundsätzlich von dem letzten abgerechneten Entgelt vor Maßnahmebeginn auszugehen sei. Denn auch unter Zugrundelegung dieser Entscheidung könne dies nicht zu einem gegenüber dem vorangegangenen Alg-Bezug niedrigeren Bemessungsentgelt führen, vielmehr sei dann die vom SG genannte Vorschrift des § 44 Abs. 3 Nr. 1 AFG heranzuziehen. Kurze und unzumutbare Zwischenbeschäftigungen unmittelbar vor dem Uhg-Bezug schlössen die Anwendung dieser Vorschrift nicht aus (Urteil vom 21. September 1994).

Mit der Revision rügt die Beklagte eine Verletzung des § 44 Abs. 3 Nr. 1 AFG. Die vom LSG vertretene extensive Auslegung sei unzutreffend. Nach der Gesetzesgeschichte habe der Gesetzgeber mit § 44 Abs. 3 Nr. 1 AFG idF des Siebten Gesetzes zur Änderung des AFG (7. AFG-ÄndG) die Absicht verfolgt, Teilnehmern, die unmittelbar vor Eintritt in die Bildungsmaßnahme Alg bezogen haben, die Mindestbemessung nach der Vorbezugsleistung zu erhalten und die frühere Bemessung nach § 112 Abs. 7 AFG zu vermeiden. Für eine Regelung im Sinne einer Besitzstandswahrung bei einer Zwischenbeschäftigung habe kein Anlaß bestanden. Denn nach der damaligen Rechtsprechung seien Zwischenbeschäftigungen, die nicht zur Erfüllung einer Alg-Anwartschaft führten, ohnehin für die Bemessung des Uhg nicht zu berücksichtigen gewesen. Um zu erreichen, daß Zwischenbeschäftigungen, mit denen eine neue Anwartschaftszeit für Alg erfüllt werde, von der Regelung über die Mindestbemessung erfaßt würden, habe der Gesetzgeber in § 44 Abs. 3 Nr. 1 AFG einen Bestandsschutz nur bei nahtlos anschließendem Uhg-Bezug vorgesehen. Damit sei aber eine Interpretation ausgeschlossen, die das Wort „unmittelbar” gleichsam aus dem Gesetzestext streiche.

Die Beklagte beantragt.

das Urteil des LSG sowie das Urteil des SG aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin ist im Revisionsverfahren nicht vertreten.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung durch Urteil einverstanden erklärt (§ 124 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz ≪SGG≫).

 

Entscheidungsgründe

II

Die Revision der Beklagten ist nicht begründet. Die Vorinstanzen haben im Ergebnis zu Recht die Beklagte verurteilt, der Klägerin das Uhg nach einem Bemessungsentgelt von wöchentlich 700,– DM zu gewähren.

1. Zu entscheiden ist über eine verbundene Anfechtungs- und Leistungsklage gemäß § 54 Abs. 4 SGG. Gegenstand des Verfahrens (§ 95 SGG) ist dabei nur der Bescheid vom 2. November 1992 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18. Dezember 1992. Dagegen sind die in Ausführung des erstinstanzlichen Urteils ergangenen Bescheide nicht Gegenstand des Verfahrens geworden (vgl BSGE 9, 169).

2. Die Höhe des Uhg, dessen Anspruchsgrundlagen nach den Feststellungen des SG, auf das sich das LSG bezogen hat, nicht zweifelhaft sind, richtet sich nach § 44 Abs. 2 Satz 1 AFG in der bis zum 31. Dezember 1993 gültigen Fassung des 7. AFG-ÄndG vom 20. Dezember 1985 (BGBl I 2484). Es beträgt für Teilnehmer, die, wie die Klägerin, ledig sind und kein Kind haben, 65 vH des um die gesetzliche Abzüge verminderten Arbeitsentgelts iS des § 112 AFG. Eine von § 112 AFG abweichende Bestimmung des Arbeitsentgelts sieht für Ausnahmefälle § 44 Abs. 3 AFG vor.

3. Das LSG hat offengelassen, ob das Arbeitsentgelt schon nach § 112 AFG 700,– DM wöchentlich beträgt, weil dies jedenfalls nach § 44 Abs. 3 Nr. 1 AFG (idF des 7. AFG-ÄndG) der Fall sei. Das ist unrichtig, wie die Revision zu Recht rügt. Denn nach § 44 Abs. 3 Nr. 1 AFG bemißt sich nur bei Teilnehmern, die unmittelbar vor Eintritt in die Bildungsmaßnahme Alg oder Arbeitslosenhilfe (Alhi) bezogen haben, mindestens nach dem Arbeitsentgelt, nach dem das Alg oder die Alhi zuletzt bemessen worden ist. Unmittelbar vor Beginn der Umschulung zur Altenpflegerin hat die Klägerin jedoch weder Alg noch Alhi bezogen, sondern Arbeitsentgelt; der Alg-Bezug lag gut sechs Wochen zurück.

Eine erweiternde Interpretation der Vorschrift, wie sie die Vorinstanzen vorgenommen haben, scheidet nach dem Wortlaut der Vorschrift und der gesetzgeberischen Zielsetzung aus.

Wie sich den Gesetzesmaterialien entnehmen läßt, regelt der durch das 7. AFG-ÄndG neugefaßte Abs. 3 des § 44 „wie bisher” Ausnahmen von der grundsätzlich nach § 112 vorzunehmenden Bemessung des Uhg (BT-Drucks 10/3923 S 18). Während die bisherige Regelung in § 44 Abs. 3 Nr. 1 AFG eine Bemessung nach § 112 Abs. 7 AFG vorsah, wenn der letzte Tag des Bemessungszeitraums bei Beginn der Maßnahme länger als drei Jahre zurücklag, legt § 44 Abs. 3 Nr. 1 AFG nunmehr eine sog „Mindestgarantie” in der Form fest, daß das Uhg mindestens nach dem Arbeitsentgelt zu bemessen ist, nach dem das zuvor bezogene Alg oder die Alhi bemessen worden ist. Hinter dieser Regelung steht die Überlegung, daß durch die seit dem 1. Januar 1984 geltende Fassung des § 112 Abs. 7 AFG Fälle aufgetreten waren, in denen das Uhg niedriger als das zuvor bezogene Alg festgesetzt worden war. „Um die damit verbundene Demotivation von Arbeitslosen zur Teilnahme an notwendigen Bildungsmaßnahmen zu verhindern”, wurde die Mindestgarantie-Regelung in § 44 Abs. 3 Nr. 1 AFG geschaffen (BT-Drucks a.a.O.). Gleichzeitig blieb aber weiterhin eine gegenüber dem Alhi-Vorbezug günstigere Bemessung möglich; so beispielsweise, wenn für die Alhi das Bemessungsentgelt nach § 136 Abs. 2 Satz 2 AFG gemindert war (BSG SozR 4100 § 44 Nr. 48). Für eine Regelung im Sinne einer Wahrung des Besitzstandes bei einer sog Zwischenbeschäftigung, wie sie die Vorinstanzen vertreten haben, bestand kein Anlaß. Denn nach der damaligen Rechtsprechung (BSG SozR 4100 § 112 Nr. 17) hatten Zwischenbeschäftigungen, durch die die Anwartschaftszeit für einen Anspruch auf Alg nicht erfüllt wurden, ohnehin keinerlei Auswirkungen auf die Bemessung des Uhg.

Dennoch erweist sich die Entscheidung des LSG als richtig (§ 170 Abs. 1 Satz 2 SGG); denn nach § 112 AFG beträgt das Arbeitsentgelt 700,– DM wöchentlich.

4. Arbeitsentgelt iS des § 112 AFG ist nach § 112 Abs. 1 Satz 1 AFG (idF des Achten Gesetzes zur Änderung des AFG vom 14. Dezember 1987, BGBl I 2602) grundsätzlich das Arbeitsentgelt, das der Arbeitslose im Bemessungszeitraum durchschnittlich in der Woche erzielt hat. Der Bemessungszeitraum umfaßt die beim Ausscheiden des Arbeitnehmers abgerechneten Lohnabrechnungszeiträume der letzten drei Monate der die Beitragspflicht begründenden Beschäftigungen vor der Entstehung des Anspruchs, in denen der Arbeitslose Arbeitsentgelt erzielt hat (§ 112 Abs. 2 Satz 1 AFG). Als Bemessungszeitraum hat das ArbA die Zeit vom 1. April bis 31. Mai 1990 und vom 3. bis 31. August 1992 zugrunde gelegt, in der die Klägerin zuletzt vor ihrer Umschulung Arbeitsentgelt erzielt hat. Das ist schon deshalb unrichtig, weil der Bemessungszeitraum nur die Beitragspflicht begründende Beschäftigung vor der Entstehung eines Anspruchs auf Alg umfaßt und damit die Zeit vom 3. bis 31. August 1992 nicht in den Bemessungszeitraum fällt. Denn ua aufgrund des Uhg-Bezuges über mehr als 360 Kalendertage in den Jahren 1991 und 1992 hat die Klägerin gemäß §§ 100, 104, 107 Nr. 5 Buchst d AFG am 25. Juli 1992 erneut einen Anspruch auf Alg mit der Folge erworben, daß sie danach bis zum 15. September 1992 nicht erneut die Anwartschaftszeit iS von § 104 AFG, dh von 360 Kalendertagen, zurücklegen konnte.

Die Vorschrift des § 112 Abs. 2 Satz 1 AFG, nach der der Bemessungszeitraum nur die Beitragspflicht begründende Zeiten „vor der Entstehung des Anspruchs” umfaßt, bedeutet für das Alg, daß der Bemessung nur Entgelte aus solchen Beschäftigungen zugrunde gelegt werden dürfen, durch die die Anwartschaftszeit iS von § 104 AFG erfüllt wird, weil nur dann ein Anspruch iS von § 112 Abs. 2 Satz 1 AFG „zur Entstehung” gelangt sein kann (§ 100 Abs. 1 AFG). Denn da nach Eintritt einer Arbeitslosigkeit, die den Anspruch auf Alg auslöst, ein neuer Anspruch auf Alg erst nach einer neuen, die Anwartschaftszeit iS von § 104 AFG erfüllenden, entsprechend langen beitragspflichtigen Beschäftigung entstehen kann, sind Arbeitsentgelte aus Zwischenbeschäftigungen geringerer Dauer, die keinen neuen Alg-Anspruch auslösen, für die Bemessung des Alg unerheblich (BSG SozR 4100 § 112 Nr. 17; BSGE 60, 79, 81 = SozR 4100 § 100 Nr. 11; SozR 4100 § 117 Nr. 19; BSGE 72, 177, 179 f = SozR 3-4100 § 112 Nr. 13). Dieser Grundsatz gilt auch für das Uhg, wie der 7. Senat des BSG schon 1981 entschieden hat (SozR 4100 § 112 Nr. 17); die gegenteilige Auffassung des früheren 9b-Senats, demzufolge für das Uhg grundsätzlich das letzte abgerechnete Entgelt vor Beginn der Maßnahme maßgebend sei, auch wenn die letzte Beschäftigung keinen neuen Anspruch auf Alg begründe (SozR 3-4100 § 44 Nr. 2), wird aufgegeben.

4.1 Daß der Bemessung für das Uhg nur Entgelte aus solchen Beschäftigungen zugrunde zu legen sind, durch die die Anwartschaftszeit iS von § 104 AFG erfüllt wird, folgt aus der direkten Verweisung in § 44 Abs. 2 AFG auf das Arbeitsentgelt iS von § 112 AFG. Die Auffassung des 9b-Senats, die Verweisung beziehe sich nur auf § 112 AFG, nicht auf die Rahmenfrist des § 104 Abs. 3 AFG, überzeugt nicht; auch beweist der Umstand, daß weder § 44 noch § 46 Abs. 1 AFG ausdrücklich auf § 104 Abs. 3 AFG Bezug nehmen, nicht die Eigenständigkeit der maßgeblichen Rahmenfrist und damit des Bemessungsentgelts. Denn für eine solche Verweisung bestand im Hinblick auf die versteckte Verweisung auf § 104 Abs. 3 AFG in § 112 AFG kein Anlaß. Dessen Regelungsbereich umfaßt auch § 104 Abs. 3 AFG, weil nur dann ein Anspruch iS von § 112 Abs. 2 Satz 1 AFG zur Entstehung gelangt sein kann, wenn die Anwartschaftszeit iS des (ganzen) § 104 AFG erfüllt ist (§ 100 Abs. 1 AFG). Etwas anderes läßt sich auch nicht aus der Änderung des § 46 Abs. 1 AFG durch das Gesetz zur Einführung des Mutterschaftsurlaubs vom 25. Juni 1979 (BGBl I 797) entnehmen, nach der § 104 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 und Satz 3 sowie § 107 AFG entsprechend gelten. Entgegen der Auffassung des 9b-Senats kann aus dieser Änderung des § 46 AFG nicht gefolgert werden, der Gesetzgeber habe damit die Eigenständigkeit der maßgeblichen Rahmenfrist zusätzlich klargestellt, indem er die Regelung des § 104 Abs. 3 AFG nicht übernommen oder in Bezug genommen habe. Diese Verweisung verfolgt nämlich einen gänzlich anderen Zweck (so auch Hennig/Kühl/Heuer/Henke, AFG, Stand November 1994, § 44 RdNr. 71). Wie sich aus den Gesetzesmaterialien ergibt, sollte durch diese Ergänzung sichergestellt werden, daß Zeiten, während derer eine Mutter anstelle von Arbeitsentgelt Sonderunterstützung nach dem Mutterschutzgesetz oder Mutterschaftsgeld erhält, den Anspruch auf Uhg in gleicher Weise begründen wie Beschäftigungszeiten mit Anspruch auf Arbeitsentgelt (BT-Drucks 8/2613 S 16).

Die Rechtsauffassung des 9b-Senats, für das Uhg sei die maßgebliche Rahmenfrist und damit auch das Bemessungsentgelt eigenständig geregelt, läßt sich auch nicht aus der geschichtlichen Entwicklung der Regelungen der §§ 44, 46 AFG ableiten. Zwar sollte das Uhg ursprünglich als eine gegenüber dem Alg eigenständige Leistung der Arbeitsförderung ausgestaltet werden, um eine bessere Anpassung des Uhg an die besonderen Erfordernisse der Bildungsförderung zu ermöglichen (vgl BT-Drucks V/2291 S 55, 68; BT-Drucks zu V/4110 S 10). Es mag dahingestellt bleiben, inwieweit diese Vorstellung bei der ersten Fassung des § 44 AFG ihren Niederschlag gefunden hat (vgl hierzu Schönefelder/Kranz/Wanka, AFG, § 44 RdNrn 1 ff). Immerhin galt schon nach § 44 Abs. 2 AFG (in der bis zum 30. September 1974 maßgebenden Fassung) bezüglich des Arbeitsentgelts, nach dem sich der Hauptbetrag des Uhg ua richtete, § 112 Abs. 2 bis 8 AFG (aF) entsprechend. Seit der Neufassung des § 44 Abs. 2 AFG durch das Einführungsgesetz zum Einkommenssteuerreformgesetz vom 21. Dezember 1974 (BGBl I 3656) wird für das für die Bemessung des Uhg maßgebliche Arbeitsentgelt unmittelbar auf § 112 AFG Bezug genommen. Ausnahmen von § 112 AFG sieht nach wie vor nur § 44 Abs. 3 AFG vor. Diese Anbindung an die Alg-Bemessung, auf die schon der 7. Senat hingewiesen hat (SozR 4100 § 112 Nr. 17 und § 44 Nr. 35), hat auch dazu geführt, daß in der Folgezeit das Uhg entsprechend der Arbeitsmarktpolitik und der Finanzsituation herauf- oder herabgesetzt wurde und sich von einer vollen Lohnersatzleistung zu einer Leistung entwickelt hat, deren Höhe im Fall „notwendiger Bildungsmaßnahmen” (§ 44 Abs. 2 Satz 2 AFG) etwas über dem Alg liegt oder diesem entspricht (vgl den geschichtlichen Überblick bei Richter in Gagel, AFG, Stand Mai 1993, § 44 RdNrn 4 bis 16). An der weitgehenden Anlehnung der Uhg-Bemessung an die Alg-Bemessung hat auch § 46 AFG nichts geändert. Im Gegenteil könnte diese durch das Gesetz zur Verbesserung der Haushaltsstruktur im Geltungsbereich des Arbeitsförderungs- und des Bundesversorgungsgesetzes vom 18. Dezember 1975 (BGBl I 3113) eingefügte Regelung, nach der abweichend von der bisherigen Rechtslage Förderungsleistungen nunmehr grundsätzlich eine vorherige Beitragsleistung, dh den Erwerb einer Anwartschaft, voraussetzen, eher als ein weiteres Argument für die gesetzestechnische Verknüpfung von Alg und Uhg gewertet werden (so BSG SozR 4100 § 112 Nr. 17).

4.2 Auch läßt sich nicht die von den Vorinstanzen gezogene Schlußfolgerung ziehen, der Gesetzgeber habe dem Uhg-Berechtigten jedenfalls den Rückgriff auf das alte, für das Alg maßgebliche Bemessungsentgelt als eine Art Mindestgarantie ermöglicht. Für eine solche Lösung, die je nach Fallgestaltung das Bemessungsentgelt aus einer unmittelbar vor Maßnahmebeginn ausgeübten Beschäftigung heranzieht, sofern es höher ist, und es ansonsten bei dem alten, für das Alg maßgeblichen Bemessungsentgelt belassen will, findet sich im Gesetz keine Stütze, wie dies schon der 7. Senat 1981 ausgeführt hat (SozR 4100 § 112 Nr. 17). Diese Aussage hat auch unter Berücksichtigung der Neufassung des § 44 Abs. 3 AFG und der Einfügung des § 46 Abs. 2 AFG durch das 7. AFG-ÄndG weiterhin ihre Gültigkeit. Denn diese beiden Bestimmungen sind nicht Ausdruck eines gesetzgeberischen Grundsatzes, „möglichst ein Absinken der Lohnersatzleistungen durch Überbrückungs- oder Aushilfstätigkeiten vor einer notwendigen Bildungsmaßnahme zu vermeiden”, wie das LSG annimmt.

Der hier nicht einschlägige § 46 Abs. 2 Satz 1 AFG regelt, daß Antragstellern, die nicht die Voraussetzungen nach Abs. 1 der Vorschrift, jedoch die Voraussetzungen nach § 44 Abs. 2 Satz 2 Nr. 1 AFG erfüllen und bis zum Beginn der Bildungsmaßnahme Alg oder Alhi bezogen haben, Uhg in Höhe des Betrages gewährt wird, den sie als Alg oder Alhi zuletzt bezogen haben. Durch diese Neuregelung sollte die als unbefriedigend empfundene bisherige Rechtslage geändert werden. Nach ihr wurde nämlich Personen, die die Voraussetzungen des § 46 Abs. 1 AFG nicht erfüllten, bei Teilnahme an beruflichen Bildungsmaßnahmen auch dann kein Uhg gewährt, wenn sie bei fortbestehender Arbeitslosigkeit Anspruch auf Alg oder Alhi gehabt hätten. Das sollte geändert werden (vgl BT-Drucks 10/3923 S 19; BSGE 67, 138, 141 = SozR 3-4100 § 46 Nr. 5). Auch bei der Neufassung des § 44 Abs. 3 Nr. 1 AFG ging es nicht um die hier zur Entscheidung stehende Frage der Zwischenbeschäftigung, wie schon oben (unter 3.) dargelegt.

4.3 Es ist sachgerecht, der Bemessung für das Uhg Arbeitsentgelte aus sog Zwischenbeschäftigungen nicht zugrunde zu legen. Zwar wirken sich damit höhere Entgelte aus derartigen Zwischenbeschäftigungen im Verhältnis zu dem der Bemessung des Alg-Anspruchs zugrunde gelegten Entgelt nicht zugunsten des Uhg-Berechtigten aus. Dafür wird aber auch eine Benachteiligung aus zufällig niedrigeren Entgelten dieser Art vermieden, ein Effekt, der gerade bei kurzfristigen Zwischenbeschäftigungen während einer Dauerarbeitslosigkeit typisch erscheint. Dies zeigt der vorliegende Fall.

Hinzukommt, daß die gegenteilige Auffassung im Falle wechselnden Uhg- und Alg-Bezuges (ohne erneute Zurücklegung der Anwartschaftszeit) zu nicht überzeugenden Konsequenzen führt: Müßte ein Arbeitsloser nach kurzem Uhg-Bezug wieder auf seinen Alg-Anspruch zurückgreifen, würde nunmehr das Arbeitsentgelt aus der Zwischenbeschäftigung für den Alg-Anspruch unberücksichtigt bleiben, das soeben für den Uhg-Anspruch zugrunde gelegt worden war. In solchen Fällen wären jeweils unterschiedliche Bemessungsentgelte zu errechnen, denen unterschiedliche Anpassungstage iS von § 112a AFG zukämen. Daß der Gesetzgeber gerade eine solche Auswirkung vermeiden wollte, zeigte sich 1974 bei Erlaß des Rehabilitations-Angleichungsgesetzes. Die Bundesregierung hatte damals vorgeschlagen, den Bemessungszeitraum beim Uhg um zwei Monate vorzuverlegen (BT-Drucks 7/1237 S 43, 77). Der Vorschlag hatte keinen Erfolg, weil dies insbesondere in Fällen, in denen der Teilnehmer an einer beruflichen Bildungsmaßnahme vorher Alg bezogen hat, zu Schwierigkeiten führen würde (BT-Drucks 7/2245 S 91; BT-Drucks 7/2256 S 15).

Abgesehen davon, daß die hier im Anschluß an den 7. Senat vertretene Ansicht eine Kontinuität der Leistung der Höhe nach sichert und die Verwaltung im Falle einer Zwischenbeschäftigung von zusätzlichen Ermittlungen für das Bemessungsentgelt entlastet, vermeidet sie den nach der Auffassung des LSG notwendigen Rückgriff auf das nur schwer zu handhabende Merkmal der Zumutbarkeit einer geringer entlohnten Zwischenbeschäftigung (vgl dazu auch BSGE 75, 30 = SozR 3-4100 § 59 Nr. 6) und eine Bemessung nach Entgelten „oft von Zufälligkeiten abhängiger Zwischenbeschäftigungen” (BSG a.a.O.) bzw die Gefahr einer Manipulierbarkeit des Bemessungsentgelts (vgl insbesondere Hennig/Kühl/Heuer/Henke, a.a.O., § 44 RdNr. 73). Wenn auch diese Gefahr durch die 1986 erfolgte Erweiterung des Bemessungszeitraums auf 60 Tage bzw ab 1994 auf sechs Monate weniger bedeutsam geworden sein dürfte, ist sie nicht völlig bedeutungslos geworden.

4.4 Die dem Urteil des 9b-Senats zugrundeliegende Rechtsauffassung ist daher aufzugeben. Der erkennende Senat ist nicht gehalten, gemäß § 41 Abs. 3 SGG bei einem anderen Senat anzufragen, ob er der Abweichung von der Rechtsprechung des 9b-Senats zustimmt. Der 9b-Senat besteht nicht mehr. Seine Zuständigkeit ist auf den 7. und den erkennenden Senat übergegangen. Der 7. Senat hat sich zu der hier zu entscheidenden Rechtsfrage, inwieweit Zwischenbeschäftigungen für die Bemessung des Uhg von Bedeutung sind, bereits geäußert. Von dieser Entscheidung weicht der erkennende Senat nicht ab; er folgt ihr vielmehr.

5. Fallen hiernach nur Zeiten vor der Entstehung des Anspruchs auf Alg am 25. Juli 1991 in den Bemessungszeitraum, deckt sich dieser mit dem Bemessungszeitraum, der für den Anspruch auf Alg maßgebend war. Obwohl die Klägerin kein Arbeitsentgelt erzielte, solange sie Uhg bezog, wird dieser Bemessungszeitraum durch den Uhg-Bezug vor dem 25. Juli 1991 bestimmt, weil andernfalls die Vorschrift des § 112 Abs. 5 Nr. 8 AFG nicht angewendet werden könnte, die gemäß § 44 Abs. 2 AFG auch für das Uhg gilt. Nach dieser Vorschrift ist bei der Feststellung des Arbeitsentgelts für die Zeit, in der der Arbeitslose wegen der Teilnahme an einer Bildungsmaßnahme Uhg bezogen hat, das Arbeitsentgelt zugrunde zu legen, nach dem bei Teilnahme an einer Maßnahme mit ganztägigem Unterricht das Uhg zuletzt bemessen worden ist. Da die Klägerin bis 24. Juli 1992 wegen der Teilnahme an Fortbildungsmaßnahmen Uhg nach einem gerundeten wöchentlichen Bemessungsentgelt von zuletzt 700,– DM bezogen hat, bemißt sich auch der Uhg-Anspruch der Klägerin ab 15. September 1992 nach diesem Wochenbetrag.

Die Revision der Beklagten war somit zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

 

Fundstellen

Haufe-Index 1049494

BSGE, 77

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