Verfahrensgang
SG Dortmund (Urteil vom 21.05.1996) |
Tenor
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 21. Mai 1996 wird zurückgewiesen.
Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand
I
Der bei der beklagten Ersatzkasse versicherte Kläger leidet an Diabetes mellitus und bedarf täglicher Insulininjektionen. Das Insulin wird von der Beklagten als Sachleistung zur Verfügung gestellt; der Kläger muß jedoch einen Eigenanteil in Form von Zuzahlungen leisten. Nach seinen Angaben zu Beginn des Verfahrens belaufen sich diese auf etwa 250 DM im Jahr. Seine Einkommensverhältnisse lassen eine Befreiung von der Zuzahlungspflicht unter dem Gesichtspunkt der unzumutbaren finanziellen Belastung (Härtefall) nicht zu. Das Begehren des Klägers, ihm die im Juni 1995 geleisteten Zuzahlungen in Höhe von 16 DM zu erstatten und ihn von der Zuzahlungspflicht in Zukunft generell zu befreien, hatte keinen Erfolg. Seinen diesbezüglichen Antrag lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 21. Juli 1995 (Widerspruchsbescheid vom 14. November 1995) ab.
Mit Urteil vom 21. Mai 1996 hat das Sozialgericht (SG) auch die Klage abgewiesen und sich auf § 31 Abs 3 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) berufen. Der allgemeine Gleichheitssatz des Grundgesetzes (GG) sei durch die Zuzahlungspflicht von insulinpflichtigen Diabetikern nicht verletzt. Der dem System der gesetzlichen Krankenversicherung zugrundeliegende Gedanke der Solidargemeinschaft verbiete Differenzierungen nach der Art der Erkrankung oder des versicherten Risikos. Der zu befürchtende Verwaltungsaufwand sei ein weiterer sachlicher Grund, um die generelle Zuzahlungspflicht zu rechtfertigen. Auch wenn gerade bei Insulin der vom Gesetzgeber mit der Zuzahlungspflicht beabsichtigte Anreiz zum sparsameren Arzneimittelverbrauch nicht erreicht werden könne, sei die Gesamtregelung durch dieses sozialpolitische Ziel gedeckt und nicht willkürlich.
Mit der Revision rügt der Kläger weiterhin einen Verstoß gegen Art 3 Abs 1 und Abs 3 GG. Ein an chronisch insulinpflichtigem Diabetes erkrankter Versicherter unterscheide sich so wesentlich von Versicherten mit anderen Erkrankungen, daß eine Differenzierung verfassungsrechtlich geboten sei. Wegen seiner lebensnotwendigen Funktion könne Insulin mit anderen Arzneimitteln nicht verglichen werden; sein Verbrauch sei mit der Zuzahlungspflicht nicht zu beeinflussen, da sowohl Unter- als auch Überversorgung zu lebensbedrohlichen Folgen für den Erkrankten führten. Beim insulinpflichtigen Versicherten werde die Zuzahlungspflicht lediglich als zusätzliche Geldquelle behandelt, denn eine Einschränkung des Verbrauchs könne mit Rücksicht auf die Folgekosten für die Krankenversicherung nicht beabsichtigt sein. Beitrag und Leistung in der gesetzlichen Krankenversicherung hätten sich nicht am individuellen Risiko zu orientieren; deshalb dürften die Zuzahlungen bei Diabetikern nicht höher sein als bei anderen Erkrankungen, die nur sporadisch aufträten. Insulin sei gleichsam ein Lebensmittel, dessen der Diabetiker, der keineswegs von anderen Krankheiten verschont bleibe, zur Gleichstellung mit anderen Versicherten bedürfe. Andere chronisch Erkrankte würden ohne ersichtlichen Grund besser gestellt, indem beispielsweise die ebenfalls existenznotwendige Dialyse zuzahlungsfrei durchgeführt werde. Schließlich bedeute die Zuzahlungspflicht für Diabetiker eine verfassungswidrige Benachteiligung Behinderter.
Der Kläger beantragt, das Urteil des SG vom 21. Mai 1996 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung der angefochtenen Bescheide zu verpflichten, ihn ab Juni 1995 von der Zuzahlungspflicht bei der Beschaffung von Insulin zu befreien, hilfsweise, das Verfahren auszusetzen und die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts darüber einzuholen, ob § 31 Abs 3 und Abs 4 SGB V verfassungsgemäß ist.
Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
Entscheidungsgründe
II
Die Revision ist unbegründet.
Streitgegenstand ist die Befreiung des Klägers von der Zuzahlungspflicht für Insulinpräparate. Richtige Klageart ist die Verpflichtungsklage nach § 54 Abs 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG). Falls der geltend gemachte Anspruch besteht, hat die Beklagte einen Bescheid über die Befreiung zu erteilen (vgl § 61 Abs 5 SGB V), da sich das Klagebegehren auch auf einen zukünftigen Zeitraum bezieht (vgl BSG SozR 3-2500 § 61 Nr 3 S 15); ihre sich daraus ergebende Verpflichtung würde die Erstattung der in der Vergangenheit seit Juni 1995 geleisteten Zuzahlungen mit umfassen. Nur wenn sich der geltend gemachte Anspruch ausschließlich auf Zeiträume in der Vergangenheit bezieht, ist die Klage als kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage auf die Erstattung der bereits geleisteten Zuzahlungen zu beschränken (vgl BSG SozR 3-1500 § 158 Nr 1 S 3).
Die dem Kläger auferlegte Zuzahlungspflicht entspricht nach Grund und Höhe dem Gesetz. Insulinpräparate der vom Kläger benötigten Art sind Arzneimittel iS der § 27 Abs 1 Satz 2 Nr 3, § 31 Abs 1 SGB V. Obwohl die Injektion von Insulin dazu dient, eine fehlende oder mangelhafte Körperfunktion auszugleichen, kommt eine Einordnung als Hilfsmittel iS des § 33 Abs 1 SGB V nicht in Betracht, weil durch die im Gesetz genannten Beispiele (Seh- und Hörhilfen, Körperersatzstücke, orthopädische Hilfsmittel) klargestellt ist, daß damit vor allem technische Hilfen, aber keinesfalls in den Körper einzubringende Substanzen gemeint sind (vgl auch die in BSG SozR 3-2500 § 33 Nr 22 S 126 genannten Beispiele aus der neueren Rechtsprechung). Als vom Körper benötigte und zu verbrauchende Substanz kann Insulin auch nicht gemäß § 32 SGB V zu den Heilmitteln gehören (vgl BSG SozR 3-2500 § 33 Nr 15 S 64 f mwN). Die rechtliche Einordnung als Arzneimittel wird im übrigen dadurch bestätigt, daß Insulin dem Arzneimittelbegriff des § 2 Abs 1 Nr 1 Arzneimittelgesetz (AMG) entspricht, denn es ist dazu bestimmt, durch Anwendung am oder im menschlichen Körper Krankheitszustände zu verhüten. Dabei kann offenbleiben, ob der Arzneimittelbegriff des SGB V in jeder Hinsicht mit demjenigen des AMG übereinstimmt; auf die möglichen Unterschiede (vgl etwa BSGE 67, 36, 38 = SozR 3-2500 § 27 Nr 2 S 4; BSG SozR 3-2200 § 182 Nr 11 S 46) kommt es hier nicht an.
Von der rechtlichen Einordnung als Arzneimittel gehen im Ergebnis auch die Beteiligten aus. Die Äußerung in der Revisionsbegründung, Insulin sei gleichsam ein Lebensmittel, steht dazu nicht im Widerspruch. Damit will der Kläger nicht auf die in § 2 Abs 3 Nr 1 AMG getroffene Unterscheidung zwischen Arznei- und Lebensmitteln hinweisen, sonst hätte er seinem Begehren die Grundlage entzogen, denn auf die Versorgung mit Lebensmitteln besteht in der gesetzlichen Krankenversicherung von vornherein kein Anspruch (BSG vom 9. Dezember 1997 – 1 RK 23/95, zur Veröffentlichung bestimmt). Vielmehr geht es dem Kläger mit seinen Ausführungen ersichtlich darum, die Lebensnotwendigkeit der Versorgung mit Insulin zu betonen.
Die Höhe der Zuzahlungen ergibt sich aus § 31 Abs 3 und 4 SGB V iVm § 1 Abs 1 der darauf beruhenden Zuzahlungs-Verordnung vom 9. September 1993 (BGBl I 1557). Ein Verstoß gegen diese Vorschriften ist vom Kläger nicht geltend gemacht und nicht erkennbar.
Zu einer Vorlage an das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) besteht kein Anlaß, denn der Senat kann sich von der Verfassungswidrigkeit der Zuzahlungspflicht des Klägers für Insulin nicht überzeugen.
Die Beteiligung des Versicherten an den Kosten für die von ihm benötigten Arzneimittel soll dazu beitragen, die finanziellen Grundlagen der gesetzlichen Krankenversicherung zu sichern, indem sie Hemmschwellen gegen die unbedachte Inanspruchnahme und den allzu sorglosen Verbrauch dieser Leistung der Solidargemeinschaft errichtet. Da die generelle Nichteignung des eingesetzten Mittels zum Schutze der in Rede stehenden besonders bedeutsamen Belange des Gemeinwohls nicht auf der Hand liegt (vgl BVerfGE 77, 84, 106 = SozR 4100 § 12a Nr 1 S 6; BVerfGE 70, 1, 30 = SozR 2200 § 376d Nr 1 S 10 jeweils mwN), bestehen gegen die Zuzahlungspflicht als solche keine verfassungsrechtlichen Bedenken. Hierzu hat auch der Kläger nichts vorgetragen.
Er wendet sich vielmehr dagegen, daß die angegriffene Regelung keine Ausnahme für lebensnotwendige Arzneimittel bei chronischen Erkrankungen vorsieht und insoweit ausschließlich als zusätzliche Geldquelle diene, weil sie zur Erreichung des gesetzgeberischen Ziels der Kostenvermeidung ungeeignet sei. Obwohl unterstellt werden kann, daß die Zuzahlungspflicht am Insulinverbrauch des vom Kläger angesprochenen Personenkreises nichts ändert, kann dieser Einwand die Verfassungswidrigkeit nicht begründen. Prüfungsmaßstab ist in erster Linie Art 3 Abs 1 GG, der es dem Gesetzgeber zunächst nur verbietet, Gruppen von Normadressaten unterschiedlich zu behandeln, obwohl zwischen ihnen keine Unterschiede von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, daß sie die ungleiche Behandlung rechtfertigen (BVerfGE 87, 1, 36 = SozR 3-5761 Allg Nr 1 S 7 mwN). Eine unterschiedliche Behandlung in diesem Sinne liegt gerade nicht vor, denn alle Versicherten, die ein in die Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung fallendes Arzneimittel benötigen, werden durch die Zuzahlungspflicht in gleicher Weise belastet. Allerdings kann sich aus Art 3 Abs 1 GG auch die Verpflichtung ergeben, ungleiche Sachverhalte ungleich zu behandeln. Dabei ist der Gleichheitssatz aber nicht schon dann verletzt, wenn der Gesetzgeber Differenzierungen, die er vornehmen darf, nicht vornimmt; vielmehr muß es für die fehlende Differenzierung an einem einleuchtenden Grund fehlen (BVerfGE 90, 226, 239 = SozR 3-4100 § 111 Nr 6 S 29 f mwN).
Die unbestreitbaren Besonderheiten einer Erkrankung an insulinpflichtigem Diabetes mellitus sind nicht derart, daß sie eine einkommensunabhängige Befreiung von der Zuzahlungspflicht verfassungsrechtlich gebieten. Unter allen denkbaren Gesichtspunkten würde die vom Kläger angestrebte Regelung mehr Gleichheitsprobleme aufwerfen als lösen. Eine spezielle Befreiung für Diabetiker kommt schon deshalb nicht in Betracht, weil davon alle anderen Versicherten mit einem laufenden Bedarf an lebenswichtigen Medikamenten ausgeschlossen wären, ohne daß dafür eine Rechtfertigung erkennbar wäre. Eine Befreiung bei allen chronischen oder lebenslangen Erkrankungen könnte verfassungsrechtlich nur auf die damit einhergehende besondere finanzielle Belastung gestützt werden. Abgesehen vom Problem der oft nur schwer vorauszusehenden Krankheitsdauer, kann jedoch durch eine Vielzahl einmalig oder sporadisch notwendiger Arzneimittel eine höhere Belastung durch Zuzahlungen entstehen als durch laufenden Bedarf. Die Differenzierung zwischen sporadisch und chronisch Kranken wäre daher verfassungsrechtlich bedenklich. Unzumutbare finanzielle Belastungen durch häufige Zuzahlungen dürfen dem Versicherten unter Beachtung des verfassungsrechtlichen Gleichbehandlungsgebots nur nach Maßgabe seiner wirtschaftlichen Verhältnisse und der ihn insgesamt treffenden Zuzahlungsverpflichtungen abgenommen werden. Da das Gesetz in §§ 61, 62 SGB V entsprechende Vorschriften zur Entlastung enthält, deren Voraussetzungen der Kläger allerdings nicht erfüllt, kann die Zuzahlungsregelung insgesamt unter dem Gesichtspunkt der finanziellen Belastung nicht als verfassungswidrig angesehen werden.
Ein anderes Ergebnis ist auch nicht mit dem vom Kläger angestellten Vergleich zu anderen chronischen Erkrankungen zu rechtfertigen. Soweit diese nicht mit Arzneimitteln, sondern mit anderen Maßnahmen bekämpft werden müssen, fallen zwar keine Zuzahlungen an. Die chronische Erkrankung als solche ist aber generell kein Grund, den Leistungsumfang der Krankenkasse in Bereiche auszudehnen, die bei sporadischen Erkrankungen zum Verantwortungsbereich des Versicherten gehören. Soweit der Kläger speziell die Situation von dialysepflichtigen Nierenkranken anspricht, ist auf das Urteil des Senats zu verweisen, mit dem die Verpflichtung der Krankenkasse verneint wurde, den Aufwand für die ständigen Fahrten zum Dialysezentrum in weiterem Umfang zu übernehmen als dies nach den gesetzlich umschriebenen Härtefällen zulässig ist (BSG SozR 3-2500 § 60 Nr 1). Insofern geht der Hinweis des Klägers auf die Einzigartigkeit der Belastung durch ständige Zuzahlungen bei chronischen Erkrankungen fehl.
Schließlich gibt es auch vernünftige Gründe gegen eine Ausnahme von der Zuzahlungspflicht, die sich an der Lebensnotwendigkeit der benötigten Arzneimittel orientiert. In der gesetzlichen Krankenversicherung hängt die Pflicht, Arzneimittel zur Verfügung zu stellen, ebenso wie bei allen anderen Leistungen davon ab, daß sie notwendig sind (§ 12 Abs 1 Satz 2, § 70 Abs 1 Satz 2 SGB V). Nach § 27 Abs 1 Satz 1 SGB V ist außerdem Voraussetzung, daß eine Krankheit behandelt, daß also eine Gefahr für Leib oder Leben abgewehrt wird. Unter diesen Umständen erscheint es fragwürdig, den Begriff der Notwendigkeit im Zusammenhang mit der Zuzahlungspflicht in eine gesteigerte und eine mildere Stufe aufzuspalten, zumal die Übergänge fließend sind. Die Unterscheidungen mögen beim Insulin noch relativ klar zu Tage treten, obwohl es auch hier von zahlreichen Faktoren abhängen dürfte, welche konkreten Folgen durch eine fehlerhafte Medikation drohen; zumindest müßte der Schweregrad der Erkrankung berücksichtigt werden. Bei anderen Erkrankungen wäre die zunächst dem Arzt und letztlich der Krankenkasse obliegende Festlegung des Notwendigkeitsgrades noch wesentlich schwieriger. Neben dem nur schwer objektivierbaren genauen Krankheitszustand müßten die Konstitution des Versicherten ebenso wie seine Lebensumstände und die voraussichtliche Wirkung des fraglichen Arzneimittels in die Entscheidung mit einfließen.
Ein Zwang zu derartigen Abgrenzungen wäre um so bedenklicher, als die Eigenbeteiligung des Versicherten bei der Medikamentenabgabe, die in der gesetzlichen Krankenversicherung eine jahrzehntelange Tradition hat, gerade dazu dient, dem Kriterium der medizinischen Notwendigkeit das ihm angemessene Gewicht zu verleihen, weil dieses bei der Versorgung mit Arzneimitteln besonders leicht ins Hintertreffen gerät. Ein gespaltener Notwendigkeitsbegriff wäre in der Anwendung keinesfalls einfacher oder effektiver; die Gefahr von Zufallsergebnissen wäre noch größer. Darin liegt ein sachlicher Grund dafür, lebenswichtige Arzneimittel nicht von der Zuzahlungspflicht auszunehmen. Daß dabei auch Fälle erfaßt werden, in denen eine sinnvolle Abgrenzung denkbar wäre, ist als nicht zu umgehende Typisierung unter dem Gesichtspunkt des Gleichbehandlungsgebots unschädlich.
Die generell zuzahlungsfreie Abgabe “lebenswichtiger” Arzneimittel wäre aus einem weiteren Grunde problematisch. Beschränkungen des Leistungsumfangs bzw des Versicherungsrisikos in der gesetzlichen Krankenversicherung knüpfen typischerweise an der Art der Behandlungsmaßnahme und nicht an Art oder Schwere der Erkrankung an (vgl Senatsurteil vom 9. Dezember 1997 – 1 RK 11/97, zur Veröffentlichung bestimmt – mit Beispielen). Denn § 1 Satz 1 SGB V erklärt die Gesundheit der Versicherten und nicht die Bekämpfung einzelner Krankheiten zur Aufgabe der Krankenversicherung. Demzufolge bezieht sich der Bereich der Eigenverantwortung des Versicherten nach § 2 Abs 1 Satz 1 SGB V grundsätzlich auf “Leistungen” und nicht auf bestimmte Krankheiten. Eine Zuzahlungspflicht, die – jedenfalls im Ergebnis – nur bei “leichteren” Krankheiten eingreift, wäre mit dieser Grundkonzeption nur schwer zu vereinbaren und bedürfte unter dem Gesichtspunkt der Sachgerechtigkeit zusätzlicher Rechtfertigung.
Der jetzigen gesetzlichen Regelung kann nicht mit Erfolg entgegengehalten werden, die Zuzahlungspflicht sei bei lebenswichtigen Arzneimitteln nichts anderes als eine risikobezogene und damit unzulässige Erhöhung der Versicherungsbeiträge, weil sie den Arzneimittelverbrauch nicht beeinflussen könne. Einzuräumen ist, daß Zuzahlungen dem lebensbedrohlich erkrankten Versicherten neben der Beitragspflicht als zusätzliche Krankheitsaufwendungen erscheinen müssen, denen er mangels Verhaltensalternativen nicht entgehen kann. Selbst im Fall des insulinpflichtigen Diabetikers können sie jedoch nicht als risikobezogene Beitragserhöhung aufgefaßt werden. Es handelt sich um Aufwendungen im Fall der Krankheit und nicht – wie die Versicherungsbeiträge – um Vorsorgeaufwendungen für den Fall der Krankheit. Wie bereits dargestellt, sind Zuzahlungen auch nicht risiko-, sondern leistungsbezogen: Nicht Art oder Schwere der Erkrankung, sondern Anzahl und Menge der erforderlichen Medikamente bestimmen ihre Höhe. Diese Zusammenhänge kennzeichnen die Zuzahlungspflicht als Beschränkung von Versicherungsleistungen, um der beim Arzneimittelgebrauch typischerweise drohenden Gefahr der ungerechtfertigten Leistungsausdehnung zu begegnen. Mit dem Hinweis auf das Gleichbehandlungsgebot im Beitragsrecht kann die Verfassungswidrigkeit dieses leistungsrechtlichen Instruments nicht begründet werden.
Andere Grundrechte des Klägers sind durch die angegriffene Regelung ebenfalls nicht verletzt. Das Verbot der Benachteiligung Behinderter nach Art 3 Abs 3 Satz 2 GG ist nicht berührt, denn der Kläger wird nicht anders behandelt als andere Versicherte. Würde die bei Behinderten häufiger als bei anderen Versicherten entstehende Zuzahlungspflicht als Nachteil aufgefaßt, wäre dem durch die Befreiung bei unzumutbarer Belastung nach den §§ 61, 62 SGB V Rechnung getragen. Mit einer weitergehenden Entlastung könnte – wie bereits dargelegt – ein ungerechtfertigter Vorteil gegenüber denjenigen nicht behinderten Versicherten entstehen, die wegen einer besonders intensiven Medikation sehr hohen Zuzahlungen ausgesetzt sind.
Da der Kläger zu Recht zu Zuzahlungen für das von ihm benötigte Insulin herangezogen wird, ist seine Revision zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Fundstellen
Haufe-Index 1058863 |
SGb 1998, 405 |
KVuSR 2000, 179 |