Verfahrensgang
Tenor
Die Beschwerde der Beigeladenen zu 1) gegen die Nichtzulassung der Revision im Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 15. Juli 1998 wird zurückgewiesen.
Die Beigeladene zu 1) hat dem Kläger zu 1) und der Klägerin zu 2) ihre außergerichtlichen Kosten für das Beschwerdeverfahren zu erstatten. Im übrigen sind Kosten nicht zu erstatten.
Tatbestand
I
Auf Antrag des AOK-Landesverbandes – Rechtsvorgängerin der Beigeladenen zu 1) – entzog der Zulassungsausschuß für Zahnärzte-Südbayern dem Kläger die ihm 1978 erteilte Kassenzulassung. Dieser hatte – im Jahr 1991 – bei der Planung konservierend-chirurgischer Behandlungen (Entfernung von Zahnstein und Behandlung von Zahnfleischentzündungen) auf Formularvordrucken – unter Hinweis auf ihm drohende Honorarkürzungen – seinen Patienten abverlangt, vor der Behandlung den Verzicht der Krankenkasse auf Honorarkürzungs- bzw Regreßmaßnahmen einzuholen, andernfalls sie die Leistungen ihm privatärztlich honorieren müßten.
Seinen Widerspruch gegen die Zulassungsentziehung – und ebenso den der Klägerin zu 2) – wies der beklagte Berufungsausschuß zurück. Dieser stellte dabei zusätzlich auf weitere Verhaltensweisen des Klägers wie unzulässige Privatliquidation bei Kassenpatienten und vielfache Verstöße gegen das Wirtschaftlichkeitsgebot ab.
Das von den Klägern angerufene Sozialgericht (SG) hat die Klagen abgewiesen (Urteil vom 20. September 1995).
Hiergegen haben die Kläger Berufung eingelegt. Auf Anregung des Landessozialgerichts (LSG) hat der Kläger zu 1) die Durchführung eines Disziplinarverfahrens gegen sich beantragt sowie 17.500 DM an einen gemeinnützigen Verein für Zahngesundheit gezahlt. Das anschließende Disziplinarverfahren ist wegen Verjährung eingestellt worden.
Das LSG hat mit Berufungsurteil vom 15. Juli 1998 den Bescheid über den Zulassungsentzug aufgehoben: Der Kläger zu 1) habe die Eignung zur weiteren Teilnahme an der vertragsärztlichen Versorgung wiedererlangt, indem er durch sein Wohlverhalten seit 1992 – die grundlegende und dauerhafte Änderung seines Abrechnungsverhaltens und zusätzlich die Beantragung des Disziplinarverfahrens sowie die Zahlung der 17.500 DM – gezeigt habe, daß er bereit sei, die gesetzlichen und vertraglichen Bestimmungen einzuhalten.
Wegen der Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des LSG hat die Beigeladene zu 1) Beschwerde eingelegt, mit der sie die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 160 Abs 2 Nr 1 Sozialgerichtsgesetz ≪SGG≫) geltend macht.
Entscheidungsgründe
II
Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Sie ist zwar zulässig, denn ihre Begründung genügt den gesetzlichen Anforderungen (§ 160a Abs 2 Satz 3 SGG). Sie ist aber unbegründet.
Grundsätzliche Bedeutung hat eine Rechtsfrage, die klärungsbedürftig und in dem mit der Beschwerde angestrebten Revisionsverfahren klärungsfähig (entscheidungserheblich) sowie über den Einzelfall hinaus von Bedeutung ist.
Diese Voraussetzungen sind bei keiner der drei aufgeworfenen Rechtsfragen erfüllt.
Für grundsätzlich bedeutsam hält die Beschwerdeführerin die Frage, ob bzw inwieweit das Senatsurteil vom 24. November 1993 zum sog Wohlverhalten bei Zulassungsentziehungen wegen Abrechnungsproblemen (BSGE 73, 234, 236 und 243 f = SozR 3-2500 § 95 Nr 4 S 11 und 19 f) gleichermaßen für andersgeartete Pflichtverletzungen herangezogen werden kann, vor allem, ob ein Wohlverhalten im Abrechnungsbereich dem Arzt bzw Zahnarzt auch für andere Pflichtverstöße zugute kommen kann, die ein Verlassen des Sachleistungs- und Abrechnungssystems deutlich machen.
Diese Frage bedarf indessen keiner grundsätzlicher Klärung. Der bisherigen Rechtsprechung ist zu entnehmen, daß die Anerkennung von Wohlverhalten auch bei Pflichtverstößen außerhalb des Abrechnungsbereichs möglich ist (vgl BSGE 7, 129, 136 ff = SozR Nr 41 zu § 54 SGG betr Rauschgiftmißbrauch; BSGE 33, 161, 163 f = SozR Nr 35 zu § 368a RVO betr Fehlverhalten bei Abrechnung und auch bei Helferin-Einweisung; BSG USK 80102 S 489 betr Verwaltungschaos). Ein Anhaltspunkt dafür, daß davon solche Pflichtverstöße ausgenommen sein könnten, die ein Verlassen des Sachleistungs- und Abrechnungssystems deutlich machen, ist weder dem Gesetz noch der Rechtsprechung zu entnehmen. Ob die Schlußfolgerung auf ein Wohlverhalten insgesamt darauf gegründet werden kann, daß ein Arzt bzw Zahnarzt mittlerweile seit Jahren sein Verhalten grundlegend geändert hat, ist nur unter Berücksichtigung der konkreten Umstände des Einzelfalles entscheidbar (ebenso BVerwG, Beschluß vom 16. Juli 1996, Buchholz 418.00 Ärzte Nr 95 S 29 f betr Entziehung der Approbation nach Falschabrechnungen). Es ist generalisierender Betrachtung nicht zugänglich, welche Gesichtspunkte bei der Prüfung des sog Wohlverhaltens von Bedeutung sind (BSG, Beschluß vom 19. Juni 1996, MedR 1997, 86, 87).
Die Beschwerdeführerin hält – mit Blick auf die Ausführungen des LSG, daß nämlich der Kläger sich bewußt sei, unter besonderer Beobachtung der beigeladenen Krankenkassen zu stehen – weiterhin für grundsätzlich bedeutsam, ob – wie sie sinngemäß formuliert – die Krankenkassen während des Rechtsstreits um die Zulassungsentziehung zu verstärkter Überwachung des Arztes bzw Zahnarztes verpflichtet seien, um ihn vor der Entziehung zu bewahren.
Diese Frage ist indessen nicht klärungsfähig; denn sie würde in dem von der Beschwerdeführerin angestrebten Revisionsverfahren nicht zur Entscheidung anstehen. Dem Berufungsurteil liegt nicht zugrunde, daß eine Pflicht der Krankenkassen zu besonderer Beobachtung bestehe. Es formuliert nur die Annahme, daß der Kläger besonders beobachtet werde bzw sich jedenfalls unter besonderer Beobachtung wähne und sich deshalb korrekt verhalte. Dabei handelt es sich um eine Prognose der tatsächlichen Entwicklung im Einzelfall, die einen Ansatzpunkt für eine Rechtsfrage grundsätzlicher Art nicht erkennen läßt.
Im übrigen hat das LSG entgegen der Ansicht der Beschwerdeführerin auch nicht den Grundsatz des Senatsurteils vom 30. März 1977 (BSGE 43, 250, 254 = SozR 2200 § 368a Nr 3), daß ein langjähriges Wohlverhalten während des Entziehungsrechtsstreits für sich allein grundsätzlich nicht zur Aufhebung der Entziehung ausreiche, in Frage gestellt. Die Wiedererlangung der Eignung hat es nicht nur damit begründet, daß der Kläger sich seit 1992 nichts mehr habe zuschulden kommen lassen. Es hat vielmehr vor allem darauf abgestellt, daß er seinerseits auch Aktivitäten entfaltet, nämlich die Einleitung des Disziplinarverfahrens beantragt und im Zuge des Disziplinarverfahrens den Betrag von 17.500 DM an die Bayerische Landesarbeitsgemeinschaft Zahngesundheit eV gezahlt, habe.
Eine Frage grundsätzlicher Bedeutung stellt sich auch nicht im Zusammenhang mit der für das Wohlverhalten erforderlichen Zeitdauer. Die Beschwerdeführerin weist vor dem Hintergrund, daß die BSG-Rechtsprechung im Regelfall ein Wohlverhalten von fünf Jahren ausreichen lasse (vgl BSG USK 86179 S 838 = MedR 1987, 254, 255), auf die Besonderheit des vorliegenden Falles hin, daß das SG zwar den Sofortvollzug aufgehoben, aber erst knapp drei Jahre danach die Klage in der Hauptsache abgewiesen habe, so daß – wie sie sinngemäß beanstandet – im Verlaufe des Berufungsverfahrens die Fünf-Jahres-Frist praktisch von allein erreicht worden sei. Die Beschwerdeführerin begehrt mit Blick auf weitere Zulassungsentziehungsverfahren – sinngemäß – die Klärung der Frage, ob in derartigen Fällen das Wohlverhalten nicht länger andauern müsse.
Dieser Frage kommt jedoch keine grundsätzliche Bedeutung zu. Weder dem Gesetz noch der Rechtsprechung läßt sich ein Ansatzpunkt dafür entnehmen, daß Umstände wie die Art des gerichtlichen Verfahrensablaufs, die keinen Zusammenhang mit dem Verhalten des Arztes bzw Zahnarztes aufweisen, die für das Wohlverhalten erforderliche Dauer beeinflussen könnten. Sollte dies aber einmal doch in Betracht zu ziehen sein, so würde dies auf besonderen Umständen des Einzelfalles beruhen, die generalisierender Betrachtung nicht zugänglich sind.
Nach alledem ist die Nichtzulassungsbeschwerde unbegründet und mit der Kostenfolge entsprechend § 193 Abs 1 und 4 SGG zurückzuweisen.
Fundstellen