Entscheidungsstichwort (Thema)

Heimzulage. Ausschlußfrist

 

Verfahrensgang

LAG Baden-Württemberg (Urteil vom 26.04.1994; Aktenzeichen 10 Sa 128/93)

ArbG Freiburg i. Br. (Urteil vom 02.09.1993; Aktenzeichen 10 Ca 174/93)

 

Tenor

1. Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Baden-Württemberg – Kammer 10 Freiburg – vom 26. April 1994 – 10 Sa 128/93 – teilweise aufgehoben.

2. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Freiburg – Kammern Offenburg – vom 2. September 1993 – 10 Ca 174/93 – abgeändert.

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 1.120,– DM brutto nebst 4 % Zinsen aus dem sich ergebenden Nettobetrag seit dem 15. März 1993 zu zahlen.

Es wird festgestellt, daß die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger ab März 1993 eine monatliche Zulage in Höhe von 80,– DM zu zahlen.

Im übrigen wird die Klage abgewiesen.

3. Die weitergehende Berufung und die weitergehende Revision werden zurückgewiesen.

4. Die Kosten des Rechtsstreits hat die Beklagte zu tragen.

Von Rechts wegen!

 

Tatbestand

Die Parteien streiten darüber, ob der Kläger als Mitarbeiter in einer Werkstatt für Behinderte in einem Heim Anspruch auf eine Zulage hat.

Der Kläger ist als Industriemeister bei der Beklagten in deren „Werkstätten für Behinderte” im Metallbereich, Abteilung Fräsen, tätig. Dort werden Kundenaufträge erledigt. Der Kläger hat die Behinderten bei der Auftragsabwicklung zu betreuen und zu überwachen. Die Werkstätten und ein Wohnheim für Behinderte liegen auf dem gleichen Gelände. In dem Wohnheim sind 72, in Außenwohnungen 49 Behinderte untergebracht. Sie alle arbeiten ebenso wie weitere 114 außerhalb beider Einrichtungen wohnende Behinderte in den Werkstätten.

Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien finden kraft Vereinbarung die Arbeitsvertragsrichtlinien des Diakonischen Werkes – Innere Mission und Hilfswerk – der Evangelischen Kirche in Deutschland (AVR) Anwendung. Gemäß § 2 des Arbeitsvertrages finden die jeweiligen Einzelgruppenpläne (EGP) Anwendung. In der ab 1. Januar 1992 geltenden Anmerkung 3 zu EGP 27 der AVR heißt es in Unterabsatz 1:

„Der Mitarbeiter … erhält für die Dauer der Tätigkeit in einem Erziehungsheim, einem Kinder- oder einem Jugendwohnheim oder einer vergleichbaren Einrichtung (Heim) eine Zulage in Höhe von 120,– DM monatlich, wenn in dem Heim überwiegend Behinderte im Sinne des § 39 BSHG … ständig untergebracht sind; sind nicht überwiegend solche Personen untergebracht, beträgt die Zulage 60,– DM monatlich. Für Mitarbeiter in einer Werkstatt für Behinderte in einem Heim im Sinne des Unterabs. 1 erster Halbsatz beträgt die Zulage 80,– DM monatlich.

…”

Der Kläger erhielt nach der Regelung, die vor dem 1. Januar 1992 galt, eine Zulage in Höhe von 60,– DM monatlich, die die Beklagte nach diesem Zeitpunkt zunächst weiterzahlte. Die Beklagte stellte jedoch die Zahlung dieser Zulage ein und behielt mit der Abrechnung Februar 1993 den für den Zeitraum Januar 1992 bis Februar 1993 gezahlten Betrag in Höhe von 840,– DM vom Lohn des Klägers ein.

Der Kläger hat die Ansicht vertreten, ihm stehe als Arbeiter in einer Werkstatt für Behinderte in einem Heim ab dem 1. Januar 1992 die in der Neuregelung vorgesehene monatliche Zulage in Höhe von 80,– DM zu.

Der Kläger hat beantragt,

  1. die Beklagte zu verurteilen, an ihn 1.200,– DM brutto nebst 4 % Zinsen seit Klagezustellung zu zahlen,
  2. festzustellen, daß die Beklagte verpflichtet ist, ihm eine monatliche Zulage von 80,– DM zu zahlen,

    hilfsweise,

    die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 840,– DM brutto nebst 4 % Zinsen seit Klagezustellung zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat den Anspruch abgelehnt, weil in dem Heim nicht überwiegend Personen mit wesentlicher Behinderung untergebracht seien. Die in den Außenwohngruppen untergebrachten Personen seien leichter behindert und erledigten die häuslichen und sonstigen Arbeiten weitgehend selbständig. Ärztliche, psychiatrische und sonstige Dienste, welche im Wohnheim bestünden, gebe es in den Außenwohngruppen nicht. Auch seien die Pflegesätze in den Außenwohngruppen erheblich niedriger als in dem Wohnheim.

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Mit der zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag weiter. Der Kläger bittet um Zurückweisung der Revision.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision führt zur Abweisung des auf Leistung gerichteten Hauptantrags des Klägers in Höhe von 80,– DM. Im übrigen bleibt sie erfolglos.

I. Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, der Kläger sei Mitarbeiter in einer Werkstatt für Behinderte in einem Heim und habe daher Anspruch auf die monatliche Zulage, weil in dem Heim überwiegend Behinderte untergebracht seien. Werkstatt, Wohnheim und Außenwohngruppen stellten organisatorisch eine Einheit dar, so daß die im Wohnheim selbst untergebrachten mit den in den Außenwohngruppen untergebrachten Behinderten die Mehrheit der in der Werkstätte betreuten Behinderten bildeten.

Diese Ausführungen des Landesarbeitsgerichts sind im Ergebnis revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.

II. Der Kläger hat seit dem 1. Februar 1992 nach Anmerkung 3 Satz 2 zu EGP 27 der AVR Anspruch auf eine Zulage in Höhe von 80,– DM monatlich, so daß der Zahlungsantrag in Höhe von 1.120,– DM und der Feststellungsantrag ab März 1993 begründet sind.

1. Gemäß Anmerkung 3 Satz 2 i.V.m. Satz 1 Halbsatz 1 zu EGP 27 der AVR erhält die Zulage ein Mitarbeiter in einer Werkstatt für Behinderte in einem Heim. „wenn in dem Heim überwiegend Behinderte im Sinne des § 39 BSHG … ständig untergebracht sind”.

a) Der Kläger ist im Metallbereich, Abteilung Fräsen, der „Werkstätten für Behinderte” als Industriemeister Mitarbeiter in einer Werkstatt für Behinderte in einem Heim.

aa) Bei dem Wohnheim der Beklagten handelt es sich, wie das Landesarbeitsgericht zu Recht angenommen hat, um ein Heim. Die Einrichtung wird zum Zwecke der Unterbringung von behinderten Volljährigen betrieben. Die Unterbringung umfaßt neben dem Überlassen der Unterkunft die Gewährung oder Vorhaltung von Verpflegung und Betreuung.

bb) Die Werkstatt befindet sich in dem Heim, obwohl sie nicht im gleichen Gebäude wie das Heim untergebracht ist. Zwar könnte aus dem Wortlaut der Bestimmung geschlossen werden, daß sich die Werkstatt in dem Gebäude des Heims selbst befinden muß. Das Landesarbeitsgericht hat jedoch zutreffend angenommen, daß auch eine räumlich-organisatorische Verknüpfung zwischen Werkstatt und Heim dieses Merkmal erfüllt, weil nach dem Sinn und Zweck der Regelung die besonderen Erschwernisse der Mitarbeiter im Umgang mit den Behinderten des Heimes in der Werkstatt durch die Zulage ausgeglichen werden sollen (vgl. BAG Urteil, vom 28. September 1989 – 6 AZR 166/88 – AP Nr. 4 zu §§ 22, 23 BAT Zulagen). Die Unterbringung von Werkstatt und Heim in verschiedenen Gebäuden kann nicht entscheidend sein, wenn neben der räumlichen Verbindung beider Einrichtungen durch die Lage auf demselben Gelände auch die vom Landesarbeitsgericht bindend festgestellte organisatorische Einheit zwischen Werkstatt und Heim besteht. Die besonderen Erschwernisse des Mitarbeiters der Werkstatt durch den Umgang mit den Behinderten des Heimes sind in diesem Fall ebenso gegeben, wie das der Fall wäre, wenn Heim und Werkstatt sich in demselben Gebäude befänden.

b) In dem Heim sind auch überwiegend Behinderte im Sinne des § 39 BSHG ständig untergebracht.

Dies folgt bereits daraus, daß die Bewohner des Heims nach den Feststellungen des Berufungsgerichts ausschließlich Behinderte im Sinne des § 39 BSHG sind.

Behinderte im Sinne dieser Bestimmung sind Personen, die nicht nur vorübergehend körperlich, geistig oder seelisch wesentlich behindert sind, und Personen mit einer anderen körperlichen, geistigen oder seelischen Behinderung (§ 39 Abs. 1 BSHG). Den Behinderten stehen die von einer Behinderung bedrohten gleich (§ 39 Abs. 2 Satz 1 BSHG). Die im Wohnheim untergebrachten 72 Behinderten erfüllen unstreitig die Voraussetzungen des § 39 BSHG.

Zu Unrecht stellt die Revision darauf ab, daß in dem Wohnheim nicht überwiegend Behinderte mit wesentlichen Behinderungen untergebracht seien, weil die Behinderten in den Außenwohngruppen ebenfalls dem Wohnheim zuzurechnen seien. Diese wiesen jedoch keine wesentlichen Behinderungen auf. Es kann dahingestellt bleiben, ob es auf die 49 Behinderten in den Außenwohngruppen ankommt. Selbst wenn man sie den im Wohnheim untergebrachten Behinderten nicht zurechnet, sind diese mit 72 in der Überzahl. Außerdem ist der umfassenden Verweisung in Anmerkung 3 Satz 1 zu EGP 27 auf den gesamten § 39 BSHG zu entnehmen, daß es auf den Grad der Behinderung oder die Betreuungsbedürftigkeit durch ärztliche, psychiatrische oder sonstige Dienste und die Fähigkeit, die häuslichen Angelegenheiten selbst zu besorgen und selbständig zu leben, ebensowenig ankommt wie auf den Umstand, daß für die Außenwohngruppen niedrigere Pflegesätze bestehen. Dies verkennt die Beklagte. Damit sind auch ihre formellen und materiellen Revisionsrügen, die die Behinderung der Personen in den Außenwohngruppen betreffen, unerheblich.

c) Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts kommt es nicht darauf an, daß die Heimbewohner und die Bewohner der Außenwohnungen zusammengenommen die außerhalb wohnenden 114 Behinderten, die ebenfalls in der Werkstatt betreut werden, zahlenmäßig überwiegen. Nach Anmerkung 3 zu EGP 27 der AVR ist allein entscheidend, daß in dem Heim überwiegend Behinderte im Sinne des § 39 BSHG ständig untergebracht sind und die Werkstatt sich in dem Heim befindet. Auf das Zahlenverhältnis in der Werkstatt kommt es nicht an.

2. Der mit der Zahlungsklage für den Monat Januar 1992 geltend gemachte Zulageanspruch in Höhe von 80,– DM ist gem. § 45 Abs. 2 AVR verfallen. Nach dieser Bestimmung müssen monatlich entstehende Ansprüche auf Vergütung innerhalb einer Ausschlußfrist von 12 Monaten nach Fälligkeit schriftlich geltend gemacht werden. Zulagen, die in Monatsbeträgen festgelegt sind, sind Vergütung, die am 15. des jeweiligen Monats fällig wird (§ 21 a Abs. 1 Satz 1 AVR).

Der Kläger hat erst mit Schreiben vom 5. Februar 1993 die Zulage für den Monat Januar 1992 geltend gemacht, so daß dieser Anspruch verfallen ist.

III. Soweit der Hauptantrag begründet ist, steht der Hilfsantrag nicht zur Entscheidung des Senats. Begründet ist der auf Zahlung gerichtete Klageantrag zu 1 in Höhe von 1.120,– DM. Dies ist die Zulage für die Monate Februar 1992 bis Februar 1993 in Höhe von jeweils 80,– DM und der auf die Zulage entfallende Bestandteil der Jahressonderzahlung für 1992. Der auf Feststellung ab März 1993 gerichtete zweite Hauptantrag ist in vollem Umfang begründet.

Der Hilfsantrag steht somit nur insoweit zur Entscheidung des Senats, als er die einbehaltenen 60,– DM für Januar 1992 betrifft, die dem Kläger nach der alten Zulagenregelung weitergezahlt worden waren. Der Hilfsantrag ist jedoch unbegründet, weil dem Kläger ab 1. Januar 1992 eine Zulage nach der alten Regelung nicht mehr zustand. Ihm wäre vielmehr die Zulage nach der neuen Regelung zuzusprechen gewesen, wenn er sie rechtzeitig geltend gemacht hätte (vgl. oben II 2).

IV. Der Zinsanspruch folgt aus §§ 291, 288 Abs. 1, 284 Abs. 1 Satz 2 BGB; §§ 253, 261 ZPO.

V. Die Kostenentscheidung folgt aus § 92 Abs. 2, § 97 Abs. 1 ZPO.

 

Unterschriften

Dr. Peifer, Dr. Jobs, Dr. Armbrüster, Bengs, Kamm

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1087218

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