Hin und wieder kommt der Einwand des Arbeitnehmers, er sei im Zeitpunkt des Vertragsschlusses nicht Herr seiner Sinne gewesen (z. B. wegen einer Geisteskrankheit oder wegen eines Vollrausches).

Geschäftsunfähig ist nach § 104 Nr. 2 BGB, wer sich bei Vertragsschluss in "einem die freie Willensbestimmung ausschließenden Zustande krankhafter Störung der Geistestätigkeit befindet, sofern nicht der Zustand seiner Natur nach ein vorübergehender ist".

Gemäß § 105 Abs. 1 BGB ist die Willenserklärung eines Geschäftsunfähigen nichtig, was bei einem abgeschlossenen Vertrag entweder das Angebot oder die Annahme zerstört.

Nach § 105 Abs. 2 BGB ist auch eine Willenserklärung nichtig, wenn sie "im Zustand der Bewusstlosigkeit oder vorübergehender Störung der Geistestätigkeit abgegeben wird".

Grundsätzlich darf von der Geschäftsfähigkeit des Vertragspartners ausgegangen werden – es sei denn, man erkennt Gegenteiliges. Das bedeutet, dass der, der etwas anderes behauptet, dies darlegen und im Fall des Bestreitens auch beweisen muss.[1]

In diesen Fällen versucht der Arbeitnehmer meist, seine Behauptung durch Vorlage eines ärztlichen Attestes zu belegen.

Das BAG[2] hatte den Fall der angeblichen alkoholbedingten Bewusstlosigkeit zu entscheiden. Dabei vertrat es die Auffassung, dass für den Zustand des § 105 Abs. 2 BGB (Bewusstlosigkeit) die freie Willensausübung nicht nur geschwächt oder gemindert sein dürfe, sondern völlig ausgeschlossen sein müsse. Eine hochgradige alkoholbedingte Störung reiche hierfür nicht ohne Weiteres aus.

Damit wird es für den Arbeitnehmer sehr schwer sein, diesen Beweis zu führen.

Sollte ein ärztliches Attest (Facharzt) vorliegen, das nicht nur einen solchen Zustand "vermutet", sondern seiner sicher ist, muss geklärt werden, wie der Arzt zu seinem Ergebnis gekommen ist (objektive Untersuchung, Datum der Untersuchung, Diagnose, erste Maßnahmen, Behandlung): Denn mit dem Attest allein ist der Beweis für die Geschäftsunfähigkeit im Zeitpunkt des Vertragsschlusses noch nicht erbracht – schließlich handelt es sich um eine Privaturkunde. Diese begründet nach § 416 ZPO nur den Beweis darüber, dass der Arzt die Erklärung abgegeben hat, nicht aber, dass diese richtig ist. Der Arbeitnehmer muss also im Streitfall seinen Arzt von der Schweigepflicht entbinden, der dann befragt werden kann, wie er zur Diagnose gekommen ist. Dies ist in der Praxis auch wichtig, weil sich hin und wieder zeigt, dass der Arzt eine andere Sicht vom Begriff der "Geschäftsunfähigkeit" oder vom "Regel-Ausnahme-Verhältnis" hat als das Gesetz: u. U. bescheinigt er die Geschäftsunfähigkeit für den Zeitraum des Auflösungsvertragsabschlusses, weil er (zu einem späteren Zeitpunkt) eine Erkrankung feststellt und der Auffassung ist, wenn keine Anhaltspunkte für die Geschäftsfähigkeit zum damaligen Zeitpunkt vorliegen, müsse von der Geschäftsunfähigkeit ausgegangen werden. Dem ist aber nicht so. Es muss rechtlich in einem solchen Fall umgekehrt vorgegangen werden: Der Normalfall ist die Geschäftsfähigkeit. Diese muss auch nicht notwendigerweise bei geistigen Erkrankungen aufgehoben sein. Eine bloße Beeinträchtigung der Geistestätigkeit reicht nicht aus. Im Zweifel ist von Geschäftsfähigkeit auszugehen.

[1] Palandt, BGB, 74. Aufl. 2015, § 104, Rn. 8; § 105, Rn. 4.

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