Die Stellenausschreibung (s. auch unter 2.6.1) hat besondere Bedeutung dafür, welche Differenzierungsgründe in einem späteren gerichtlichen Verfahren noch berücksichtigt werden können.[1] So geht das Bundesverfassungsgericht sogar davon aus, es handele sich um ein Nachschieben von Rechtfertigungsgründen, wenn die Differenzierungsgründe nicht bereits in der Ausschreibung und während des Auswahlverfahrens formuliert vorlagen.

Bedient sich der Arbeitgeber zur Stellenausschreibung eines Dritten, zum Beispiel eines Stellenvermittlers, z. B. auch der Bundesagentur für Arbeit, und verletzt ein so eingeschalteter Dritter die Pflicht zur diskriminierungsfreien Stellenausschreibung, so ist diese Pflichtverletzung dem Arbeitgeber zuzurechnen. Den Arbeitgeber trifft im Fall der Fremdausschreibung die Sorgfaltspflicht, die Ordnungsmäßigkeit der Ausschreibung zu überwachen. Dies gilt nicht nur im Fall der Einschaltung eines Personalberatungsunternehmens, sondern auch dann, wenn der Arbeitgeber sich zur Ausschreibung der Hilfe der Bundesagentur für Arbeit bedient.[2]

[1] Vgl. dazu die Entscheidung des BVerfG v. 16.11.1993, 1 BvR 258/86, BVerfGE 89, 276; AP Nr. 9 zu § 611a BGB.
[2] So für den Fall eines Verstoßes gegen das Verbot geschlechtsbezogener Benachteiligung, § 611a BGB, BAG, Urteil v. 5.2.2004, 8 AZR 112/03.

4.1.1 Art der Benachteiligungen

Bei der Stellenausschreibung kommt sowohl die unmittelbare Benachteiligung

 
Praxis-Beispiel

Deutscher Metallfacharbeiter, männlich, nicht älter als 25 Jahre gesucht

als auch eine mittelbare Benachteiligung (§ 3 Abs. 2 AGG) durch eine vordergründig neutrale Stellenausschreibung, die aber Anforderungen an den Bewerber aufstellt, die von Menschen aus Gründen des § 1 AGG regelmäßig nicht oder nur unzureichend erfüllt werden können, in Betracht.

 
Praxis-Beispiel

Lagerhilfskraft, gute Deutschkenntnisse in Wort und Schrift erwünscht, körperlich kräftig gesucht

4.1.2 Klage- und Schadensersatz-/Entschädigungsrisiko bei fehlerhafter Stellenausschreibung

Es besteht das Risiko, später wegen einer Benachteiligung nach § 15 AGG auf Schadensersatz oder Entschädigung in Anspruch genommen zu werden.

Bei Nichteinstellung eines Bewerbers können die Schadensersatzforderungen erheblich sein, wenn der Bewerber bei benachteiligungsfreier Auswahl eingestellt oder befördert worden wäre. Dieser Anspruch kann aber nur einmal entstehen, nämlich gegenüber dem Bewerber, der ohne Benachteiligung hätte eingestellt werden müssen. Ein Anspruch auf Einstellung besteht aber auch in diesem Fall nicht (§ 15 Abs. 6 AGG). Hinzu kommt nach § 15 Abs. 2 AGG ein Anspruch auf eine angemessene Entschädigung für die erlittene Verletzung des Persönlichkeitsrechts durch die Diskriminierung.

Demgegenüber können eine Vielzahl von Entschädigungsansprüchen nach § 15 Abs. 2 AGG entstehen, wenn die Bewerber zwar benachteiligt wurden, jedoch auch bei korrektem Bewerbungsverfahren aufgrund besserer Bewerber nicht eingestellt worden wären. Diese sind allerdings der Höhe nach auf 3 Monatsgehälter begrenzt (s. oben unter 2.8.3).

4.1.3 Die Merkmale des § 1 AGG in der Stellenausschreibung

 
Praxis-Beispiel

Vertriebsmitarbeiter gesucht!

Wir suchen zum nächstmöglichen Zeitpunkt zur Unterstützung für unser junges Vertriebsteam eine Verkaufskraft.

Idealerweise sind Sie zwischen 25 und 35 Jahre alt und verfügen über eine kaufmännische Ausbildung sowie Verkaufserfahrung im Außendienst. Sie beherrschen die deutsche Sprache perfekt in Wort und Schrift. Sie sind in jeder Hinsicht belastbar und flexibel. Ihr Auftreten ist sicher, gewandt und vertrauenerweckend.

Bewerbungen bitte mit Lichtbild und Gehaltsvorstellungen an …

Es bewirbt sich sodann eine farbige Frau, 37 Jahre alt, behindert mit einem GdB von 30, mit kaufmännischer Ausbildung und Verkaufserfahrung im Vertriebsaußendienst; die Zeugnisse der vorherigen Arbeitgeber sind gut. Sie wird erst gar nicht zum Vorstellungsgespräch eingeladen und erhält eine Absage.

Sie klagt auf Schadensersatz wegen Benachteiligung – mit Aussicht auf Erfolg?

Die Stellenausschreibung birgt ein erhebliches Risikopotenzial: Die Bewerberin kann geltend machen, die Ausschreibung verstoße gegen § 7 Abs. 1 AGG, denn sie benachteilige sie wegen

ihres Alters (25 bis 35 Jahre),

ihrer Herkunft (perfektes Deutsch, Lichtbild, vertrauenerweckendes Auftreten),

ihrer Behinderung (belastbar und flexibel).

Rasse, ethnische Herkunft

Wird die Vorlage eines Lichtbilds verlangt, birgt das die Gefahr, dass dem Arbeitgeber durch das Lichtbild bestimmte Eigenschaften des Bewerbers im Hinblick auf dessen ethnische Herkunft, z. B. Hautfarbe, bekannt werden und eine Vermutung für eine Benachteiligung begründen können. Das Verlangen eines Lichtbilds ist wohlgemerkt nicht unzulässig, erfährt der Arbeitgeber aber durch das Lichtbild bestimmte Eigenschaften des Bewerbers (Hautfarbe, Behinderungen, Alter), die nach § 1 AGG vor Benachteiligungen geschützt sind, so verliert er gewissermaßen "seine Unschuld" im Hinblick auf die Merkmale des § 1 AGG und kann bei Ablehnung des Bewerbers in eine Rechtfertigungssituation kommen. Unbedenklich dagegen gilt die Formulierung: "Wir bitten um Übersendung aussagekräftiger Bewerbungsunterlagen, inklusive einschlägiger A...

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